NACHLESE I
Gesammelte Prosa und Gedichte aus
Zeitschriften
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
Copyright by
Kober'sche Verlagsbuchhandlung Basel 1953 u. 1990
Druck: Conzett & Huber, Zürich
 
Anmerkung: Die 2. Auflage der „Nachlese” (1990) ist in zwei
Bänden erschienen, wobei der erste Band der „alten” Nachlese
entspricht, in welcher die Kapitel „Jedem Antwort” und „Selbstverständliches”
etwas verändert und vier neue Kapitel eingefügt wurden, während
das Kapitel „Dank” in den zweiten Band wechselte.
Die Seitennummern im Inh.Vz. unten entsprechen keiner Auflage,
sondern beziehen sich auf die hier gegebene Seitenanordnung und Scans der Buchseiten
von der  „alten” Nachlese wurden übernommen.
Die geringfügigen Veränderungen:
nicht farblich unterlegter Text ist in beiden Auflagen gleich,
hell unterlegter Text entspricht der 2.Auflage, dunkel unterlegter
Text ist nur in der 1.Auflage zu finden und wurde in der
2.Auflage weggelassen. Diese Unterscheidung findet sich im
Kapitel „Jedem Antwort” und „Selbstverständliches”, sowie
dem „Inhaltsverzeichnis”, welches in seiner ANORDNUNG
bereits der zweiten Auflage entspricht (zwei Farben bei der
Kapitelanzeige im Inh.Vz. bedeutet eine Titelverschiedenheit
zwischen den beiden Auflagen bei gleichem Inhalt).
| INHALT | Seite | 
| 
NACHLESE I 
 |  | 
| Vorwort zur 2.Auflage | 4 | 
| Vorwort zur 1.Auflage | 5 | 
| Über meine Schriften (Flugschrift d. Koberverlags, 1930)
 | Hauptverz. | 
| Warum ich meinen Namen führe (Flugschrift d. Koberverlags, 1927)
 | Hauptverz. | 
| Wer ist Bô Yin Râ? (Magische Blätter, 1924) | 150 | 
| Das Haus der Seele (Magische Blätter, 1920) | 6 | 
| Vorbemerkung zu den «Funken» Deutsche Mantra (Mag.Blätter, 1920)
 | 7 | 
| Optimistisches Denken (Magische Blätter, 1922) | 11 | 
| Politik als Kunst (Der Türmer, 1922) | 17 | 
| Magie der Zeichen (Magische Blätter, 1924) | 21 | 
| Feilspäne (Magische Blätter, 1925) | 29 | 
| Pro Domo! (Magische Blätter, 1925) | 30 | 
| Dank (Die Säule, 1927) | 42 | 
| Zanoni (Magische Blätter, 1925) | 154 | 
| «Wie sie ihn sahen» (Die Säule, 1930) | 165 | 
| Optimismus (Die Säule, 1932) | 46 | 
| Résumé
Antwort auf eine Anfrage (Die Säule, 1932)
 | 55 | 
| «Im Spiegel» Eine notwendige Aufklärung (Die Säule, 1933)
 | 172 | 
| Der oppositionelle Mensch (Die Säule, 1933) | 58 | 
| Jedem Antwort erw. Fassung (Die Säule, 1933) | 68 | 
| Selbstverständliches erw. Fassung (Die Säule, 1933) | 86 | 
| Buchstäbliches Denen, die es angeht (Die Säule, 1934)
 | 88 | 
| Brief an meine geistigen Schüler (Die Säule, 1934) | 90 | 
| Brief an meine geistigen Schüler (Die Säule, 1934) | 102 | 
| Brief an meine geistigen Schüler (Die Säule, 1934) | 113 | 
| Gefahr der Nacht (Die Säule, 1934) | 122 | 
| Selbsterziehung (Die Säule, 1935) | 125 | 
| IN GEBUNDENER REDE | 127 | 
| Rat (Magische Blätter, 1921) | 128 | 
| Heimkehr (Magische Blätter, 1922) | 129 | 
| Unsterblichkeit (Magische Blätter, 1923) | 130 | 
| Stimmen aus dem Geisterreich Die uns verlassen mußten (Der Türmer, 1924)
 | 131 | 
| Wille zur Wahrheit (Die Säule, 1931) | 132 | 
| Das Bleibende (Die Säule, 1933) | 134 | 
| Ewigkeitsbestimmtes Finden (Die Säule, 1933) | 135 | 
| Besorgter Freundesliebe zugeeignet (Die Säule, 1933) | 136 | 
| Irdische Behinderung (Die Säule, 1933) | 138 | 
| Geistige Verbundenheit (Die Säule, 1933) | 139 | 
| Orient und Okzident (Die Säule, 1933) | 140 | 
| Erkennungszeichen (Die Säule, 1933) | 141 | 
| Steine (Die Säule, 1934) | 142 | 
| Verborgener Quell (Die Säule, 1934) | 143 | 
| Höchste Herkunft (Die Säule, 1935) | 144 | 
| Notwendiges Irrenkönnen (Die Säule, 1935) | 145 | 
| Trost ist nicht draußen (Die Säule, 1935) | 146 | 
| Friede (Die Säule, 1935) | 147 | 
| Augenwanderungen (Die Säule, 1936) | 148 | 
| An die Säulen des Parthenon (Die Säule, 1936) | 149 | 
|  |  | 
|  |  | 
.Der Verlag freut sich, den Lesern des Werkes
von Bô Yin Râ die Textsammlung der «Nachlese»
neu und stark erweitert in zwei Bänden vorzule‐
gen.
.Dem Wunsch von Bô Yin Râ entsprechend be‐
rücksichtigen beide Bücher nur Texte, die in ir‐
gendeiner Form schon einmal im Druck erschie‐
nen sind. Dieser erste neue Band unterscheidet
sich von der bisherigen Ausgabe vor allem durch
vier hinzugefügte Kapitel. Auch werden die Ab‐
handlungen «Jedem Antwort» und «Selbstver‐
ständliches» nun in erweiterten Fassungen publi‐
ziert, während der «Dank» zum 50. Geburtstag in
einer Sammlung von drei Dankesadressen im
zweiten Band seinen Platz gefunden hat. Im
selbstverfassten Text «Wer ist Bô Yin Râ?» stellt
der Autor Missverständnisse und Fehlbeurteilun‐
gen über seine Person richtig.
.Der zweite Band der somit neuen «Nachlese»
enthält neben einer Anzahl von Texten über
 
Kunst aus den Jahren 1913 bis 1920 zahlreiche
zeit- und situationsbedingte Aufsätze sowie einige
Buchbesprechungen und persönliche Erinne‐
rungen.
.Bern,
.1990                                  Der
.Verlag
.In dieser «Nachlese» wurden neben den bei‐
den einleitenden Flugschriften* (Kober'sche Ver‐
lagsbuchhandlung Basel) Aufsätze und Gedichte
Bô Yin Râs vereinigt, die von 1920 bis 1936 in
den Zeitschriften «Der Türmer» (Verlag Greiner
& Pfeiffer, Stuttgart) und «Magische Blätter» (ab
1937 die «Säule», Richard Hummel Verlag, Leip‐
zig) erschienen sind. Bô Yin Râ hat alle diese
Arbeiten nicht in das geschlossene Werk seiner
Lehre, den «Hortus Conclusus», eingefügt, aber
in jedem Wort und in jedem Satz ist die innigste
Verbindung mit dem Lehrwerk fühlbar. In aller
Welt werden die alten Freunde und Schüler von
Bô Yin Râ, denen die wirren Zeitläufte die lang
bewahrten Hefte zerworfen haben, diese Sammlung
der Aufsätze und Gedichte als lang Erwünschtes
begrüßen, die Jungen und neu Herzutretenden
aber, denen ihr Geschick das Buch in die Hände
bringt, werden manchen heiligen Pfad darin ent‐
decken, der sie sicher nach Innen leitet.
.Basel
.1953.                Der
.Verlag
* Anmerkung: diese beiden Flugschriften, „Warum ich meinen OO
Namen führe” u. „Über meine Schriften”, sind im Haupt- OO
inhaltsverzeichnis (Nr.42/43) gelistet.
 
SIEHE, o Suchender, das Land der ewigen Ge‐
staltung steht Dir jederzeit offen!
.Du mußt nur wählen, 
wo Du in ihm Dein Haus
erbauen willst. ‒ Wohl Dir, wenn Du zu wählen
weißt mit weiser Wahl!
.In Deinem Hause wirst Du dann ruhig werden,
denn Du wohnst allda in guter Sicherheit. ‒
.In Deinem Hause, wenn Du recht zu wählen
wußtest, ist 
Gott kein Fremder mehr. ‒
.Wie einen machtvollen Freund wirst Du ihn
bei Dir haben. ‒ Viele haben 
Gott gesucht
und fanden 
Götzen, denn sie wußten nicht, daß
Gott nur 
dann erscheint, wenn ihm im Lande
der Seele ein Haus errichtet wurde. ‒
 
SEIT ältester Zeit im alten Indien 
bekannt,
dem modernen Europäer aber 
fremd gewor‐
den, obwohl 
auch hier einst 
Runen und
«
Zaubersprüche» von solcher Weisheit wuß‐
ten, ist die 
magische Einwirkung gewisser
Laut- 
und Wortfolgen auf die Seele.
.In jeder, besonders in jeder 
vokalreichen
Sprache, lassen sich solche 
Mantra schaffen, und
wenn sie wirklich nach okkulten Lautgesetzen ge‐
formt wurden, sind sie 
unübersetzbar, da die
okkulte Wirkung lediglich der, wenn auch nur
innerlich «gehörten» 
Lautfolge entspringt,
während der 
Sinn der Worte, erst in 
sekun‐
därem Betracht, auch als 
Meditations-Stoff
in Wirkung treten kann, gleichsam als 
Stim‐
mungsmittel der Seele.
.Die altgermanische Literatur ist erfüllt mit an‐
gewandter 
Laut-
Magie, und die Liturgie der
 
griechischen und römischen Kirche stellt zum
größten Teil nichts anderes als 
Mantra‐
Sammlungen dar, geschaffen von weisen Ken‐
nern der 
okkulten Lautgesetze. ‒
.Wenn heute die Kirche Roms sich weigert, ihre
liturgischen Formeln aus dem Lateinischen in
lebende Sprachen zu übersetzen, so motiviert sie
zwar diese Weigerung mit der durch Uebersetzun‐
gen gegebenen Gefahr einer zwiespältigen Aus‐
legung, allein in Wirklichkeit folgt man hier ‒
bewußt oder nur dunkel ahnend ‒ 
rein okkul‐
ten Gesetzen, weil alle 
okkulte Wirkung
der in lateinischer Sprache geformten Mantra bei
solcher Übersetzung 
verloren gehen müßte. ‒
.Es ist aber für die 
okkulte Wirkung solcher
Lautfolgen auf den geistigen Organismus des Men‐
schen völlig gleichgültig, ob er den 
Sinn der
gegebenen Worte «versteht», den «Sinn», der ja
auch in gänzlich 
anderer Lautfolge ausgedrückt
werden könnte. ‒ Die okkulte Wirkung solcher
Lautfolgen tritt erst ein, bei kontinuierlich fort‐
gesetzter 
Wiederholung, was manchem ein
Fingerzeig sein mag, der das «tägliche Ableiern» (!)
gewisser liturgischer Formeln, wie er es vielleicht
beim Chorgebet der Mönche irgendwo zu beob‐
achten Gelegenheit fand, nur als «unsinnige» und
«geisttötende» Übung aufzufassen vermag....
.Hier ist 
mehr Weisheit in einer traditio‐
nell erhaltenen Gepflogenheit als die Anhänger
der hier in Rede stehenden Religionsform heute
selber noch ahnen. ‒ ‒ ‒
.Nach diesen kurzen Hinweisen wird man viel‐
leicht verstehen, was in den «Funken» gegeben
ist. ‒
.Möge sich jeder einzelne prüfen, 
welche der
hier gegebenen Lautfolgen in deutscher Sprache
‒ auch abgesehen von ihrem «Sinn» ‒ am stärk‐
sten zu seiner Seele spricht. Eine 
okkulte Ein‐
wirkung auf seinen geistigen Organismus darf
er allerdings 
erst dann erwarten, wenn er län‐
gere Zeit hindurch, 
Tag für Tag, sich unter
die innere Einwirkung der 
innerlich gefühl‐
ten Lautfolgen stellt. Die gleichzeitige 
Meditation
über den zu erfühlenden «Sinn» der Worte mag
ihm deren stete 
Wiederholung dabei erleich‐
tern.
.Es kann noch gesagt werden, daß bereits viele,
und darunter sehr urteilsfähige und in kritischer
Selbstbeobachtung geschulte Menschen durch
direkte handschriftliche Weitergabe des Autors
diese «deutsche Mantra» kennen und seit eini‐
gen Jahren hinlänglich ihre okkulten Wirkungen
zu erproben vermochten. (Auch von anderer Seite
erfolgte, mit ausdrücklicher Erlaubnis, handschrift‐
liche Weiterverbreitung, nur ist die hier gegebene
endgültige Form noch an manchen Stellen weiter
bearbeitet.)
ES gibt heute besonders viel Menschen,  die ihre
geistige Überlegenheit nicht besser beweisen zu
können glauben, als dadurch, daß sie allen Scharf‐
sinn aufbieten, um nur ja in jeder Sache irgend
etwas «Bedenkliches» zu entdecken: Menschen,
die aus innerstem Bedürfen heraus jeden har‐
monischen Zusammenklang durch ihre Unkenrufe
stören.
.Was auch immer geschehen mag, ist ihnen An‐
laß, 
Unglück zu prophezeien; und ist wirklich
ein Unglück hereingebrochen, dann können sie
sich nicht genug tun, um ihren Nebenmenschen
auch «recht klar» zu machen, wie entsetzlich das
Unheil sei, das sie betroffen hat. Richtig wütend
aber werden solche Unglücksmenschen, wenn sie
einem begegnen, der gar im Unglück noch der
Hoffnung das Wort spricht, einem, der Gutes aus
Bösem keimen sieht, wie die Lotosblüte aus dem
 
Schlamme uralter Teiche; und wenn sie dem Spre‐
cher dann ihre volle Verachtung entgegenschleu‐
dern, lautet ihr letztes Wort unfehlbar dahin aus:
er sei ein «
Optimist» und nicht «ernst» zu
nehmen.
.Ach, daß wir doch nur recht viel solcher «Opti‐
misten» hätten! Sie fehlen unter uns, gerade in
einer Zeit, in der wir sie so bitter nötig brauchen
könnten.
.Die traurigen «ernsten» Leute, die nicht trübe
genug in die Zukunft blicken können, ahnen ja
nicht im Traume, daß gerade sie es sind, die immer
aufs neue Sand in das Räderwerk der Maschine
streuen, dorthin, wo wir nichts anderes brauchen
können, als das wohltuend glättende Öl 
optimi‐
stischen Denkens.
.Es liegt eine seltsame Kraft in dem geheimnis‐
vollen Vorgang, den wir «Denken» nennen; und
nur die allerwenigsten Menschen sind geneigt, auch
nur das Vorhandensein dieser Kraft als möglich
anzunehmen. Die Natur läßt aber ihrer nicht spot‐
ten; und ihre Kräfte wissen zu wirken, einerlei,
ob der Mensch in stolzer Selbstgefälligkeit dieses
Wirken als «naturgesetzlich» begründet anerkennt,
oder ob er es mit gleicher Selbstgefälligkeit noch
leugnet, bis er einmal dran glauben muß. Schon
daß aller Tat das «Denken» als Vorspann dient,
sollte ‒ «zu denken» geben. Aber hier ist nicht
nur vom Denken als Voraussetzung für jedes Tun
die Rede, sondern ‒ ich möchte hier das 
Den‐
ken selbst als Tat gewertet sehen.
.Der Mensch ist mehr als er ahnt: ein Produkt
dieser Tat, ein Produkt seines eigenen Denkens.
Mehr als er ahnt, ist er aber auch im Banne der
Gedanken seiner Nebenmenschen, mag er nun
willig oder wider seinen Willen diesem unsicht‐
baren Antrieb folgen.
.Wer hat es noch nicht erlebt, daß er in nieder‐
gedrückter Stimmung plötzlich in die Gesellschaft
heiterer, hoffnungsfroher Menschen geriet und von
ihnen derart mitgerissen wurde, daß er schließlich
allen eigenen Kummer vergaß?
.Wer ist noch niemals in heiterster Stimmung in
einen Kreis Bedrückter und Hoffnungsloser ge‐
raten und ging von ihnen schließlich weg mit be‐
drücktem Mut, und aller seiner vorherigen Spann‐
kraft wenigstens für Stunden hin verlustig?
.Es ist aber gar nicht nötig, daß Menschen ihre
Gedanken 
aussprechen. Es genügt, besonders
für sensible Naturen, längere Zeit in der Gesell‐
schaft irgendwelcher Menschen zu sein, um von
ihren Gedanken beeinflußt zu werden. Unmerklich
stecken Gedanken an, und man bringt die «An‐
steckung» mit nach Hause wie einen Schnupfen
aus der Straßenbahn.
.In neuerer Zeit gibt es eine bereits gewaltig an‐
gewachsene Literatur amerikanischer «Erfolgs‐
Mystiker», die mit mehr oder weniger Moralität,
mit mehr oder weniger ethischem Pathos, ihre
Lehren vorträgt, deren oberstes Axiom heißt:
«Gedanken sind Dinge!» Nein, Gedanken sind un‐
endlich viel wichtiger als «Dinge», sind 
leben‐
dige Kräfte und wirken dem Impuls gemäß,
der sie formte; denn all unser Denken ist ja nichts
anderes als ein Formen. Wir schaffen keine Ge‐
danken aus dem Nichts, sondern wir 
formen
nur, mittels des Gehirns, gewisse fluidische und von
einem Menschen auf den 
andern übertragbare
Kräfte des spirituellen Ozeans, in dem wir leben
und eingeschlossen sind, wie die Fische im Meer.
.Aller geheimnisvolle «Einfluß», den gewisse
Menschen auf ihre Umgebung auszuüben fähig
 
sind, erklärt sich daraus, daß diese Menschen be‐
sonders begabte 
Former der Gedanken‐
kraft sind, daß sie ihre Gedankenformen mit
einem weit stärkeren Impuls zu laden vermögen,
als die übrigen Menschen um sie her. Gerate in
die Nähe eines solchen Gedanken-Formers: und
du wirst, wenn er ein Mensch des geruhigen Lebens
ist, unwillkürlich selbst ruhig werden, wie groß
auch die Unruhe war, die dich vorher bewegte.
Umgekehrt wirst du, ohne es zu wollen, in eine
nervöse Hast und Unruhe geraten, wenn dieser
Former, dem du begegnest, ein Mensch der Hast
und steten Unrast ist. ‒
.Wie können wir nun diese Kräfte, die uns Ur‐
natur in unsere Hand gegeben hat, für uns und
unsere Umwelt nutzbar machen?
.Die Frage fand schon ihre Antwort in dem, was
ich vorher sagte.
.Indem wir mutig und vertrauensvoll zu ‒
denken suchen. Indem wir bestrebt sind, uns
zu hoffnungssicherer Heiterkeit in unserem Den‐
ken ‒ wenn es sein muß ‒ zu 
zwingen. In‐
dem wir jeden Gedanken von uns scheuchen, der
uns sagen will, unsere Hoffnung sei eitel Torheit,
sei durch reale Gegebenheiten schon als Hirn‐
gespinst gebrandmarkt und verdammt. «Es ist der
Geist, der sich den Körper baut» ‒ und es ist
der 
Gedanke, der unser Wollen und Vollbrin‐
gen schafft!
.Wollte ich dies «erklären», dann müßte ich
tiefste Weisheit der Veden sorgsam zu enthüllen
suchen, doch hier ist dazu nicht der Raum ge‐
geben. Es ist auch nicht nötig: denn die heiligen
Bücher der Christenheit wissen in 
anderer
Form auf jeder Seite von der 
gleichen Wahr‐
heit zu erzählen; und wer in ihnen suchen 
will,
der wird für meine Worte hundertfache Belege
finden.
.In einer Zeit, die alle Früchte 
irren Denkens
reifen läßt, mag man mir wohl verstatten, auch die
Heilungskraft des 
rechten Denkens aufzu‐
zeigen. Es wird nichts gewonnen mit Trübsalblasen
und öder Hoffnungslosigkeit! Wer nur die Nacht
betrachtet, die über uns hereingebrochen ist, ver‐
sinkt in Schlaf und Traum... Wir müssen alles tun,
uns 
wach und wacher zu erhalten, wenn wir
einen neuen 
Tag erleben wollen.
WER den politischen Tageskampf betrachtet,
der vermißt am allermeisten die Rhythmik
dieses Kampfes. Statt dem Willen zur Einordnung
in das allgemeine Ganze, statt dem Willen zur
Selbstbehauptung innerhalb der gegebenen Gren‐
zen, findet er allenthalben nur den Willen, den
Gegner aus dem Wege zu räumen. Betrachtet man
aber Politik als die Kunst der Gestaltung eines
lebendigen Gesellschaftsorganismus, dann ist jeder
«Gegner» eigentlich nur ein Gegenspieler, der
ebenso wie sein Partner daran beteiligt ist, das
Kräftegewoge des Ganzen lebendig zu erhalten.
Ich glaube, von allen Parteien und in allen Staats‐
gebilden sind in dieser Hinsicht stets die folgen‐
schwersten Fehler begangen worden, am wenigsten
noch vielleicht in England, dessen parlamentari‐
sches Gefüge stets vor Katastrophen gesicherter
war, weil es ‒ weniger «Kitsch» ist als ander‐
wärts: weil es künstlerischer organisiert ist.
.Wenn «politisch Lied» wirklich so ein «garstig
Lied» geworden ist, dann dürfte das nicht zum
kleinsten Teil daran seine Ursache haben, daß man
in der Kunst der Politik unfruchtbare, mecha‐
nisch wirkende Gepflogenheiten an Stelle des
Gehorsams gegen die ewigen Gesetze alles harmo‐
nischen Gestaltens setzte.
.Ursprünglichkeit ist erstes Erfordernis in jeder
Kunst, und auch die Kunst, die aus der unge‐
ordneten «Masse» die «Gesellschaft» bilden will,
kann ihrer nicht entraten. Wo aber findet man im
Leben der Parteien noch Ursprünglichkeit?? All‐
überall trat an ihre Stelle das «
Parteiprogramm»
als künstlich kombinierter 
Ersatz. Man weiß im
voraus, was man sagen 
wird, was man sagen 
darf
und was man sagen 
kann, bevor der Gegenspieler
noch das erste Wort gesprochen hat. Und regt sich
wirklich einmal, gegen alle harte Zucht parteiischer
Gebundenheit, in der Debatte doch der unter‐
drückte Trieb der Urnatur, dann darf der Mann
der Politik gewärtig sein, daß er aus eigener
Gefolgschaft ätzende Kritik erhält. Wie aber soll
bei einer solchen 
Mechanisierung der gestaltenden
Kräfte jemals 
Leben in die Gestaltung über‐
strömen?! Wie soll man jemals zum Gefüge kom‐
 
men, wenn sich die Teile stets in sich allein zu
runden streben und niemals willens sind, die Gren‐
zen flüssig zu erhalten, so daß sie bei gegebener
Gelegenheit sich ineinanderfügen könnten?! Wie
soll das Ganze in organischer Gestaltung keimen,
wachsen, blühen und zum Früchtetragen kommen,
wenn die Kanäle seiner Lebenskraft sich niemals
aneinanderschließen?!
.Die menschliche «Gesellschaft» ist nur möglich
als ein 
Organismus gleich dem Körper eines Men‐
schen. Gleich wie der Menschenkörper nur ge‐
deihen kann, wenn stetig Blut zum Herzen fließt
und sich von ihm entfernt, so kann auch der Gesell‐
schaftsorganismus nur gedeihen, wenn zentripetale
und zentrifugale Kräfte sich in einem Kreislauf
zu erneuern streben. Kein Punkt dieses Kreislaufs
ist zu missen. Sobald man einen Teil daraus ent‐
fernen will, muß das organische Leben des Ganzen
der Vernichtung entgegengehen. In diesem Sinne
betrachtet, sind alle politischen Parteien einer Zeit
stets aufeinander angewiesen. Wer sie immer wei‐
ter zu trennen sucht, weiter als es sein müßte, treibt
frevelhaftes Spiel.
.Wir sind zu sehr gewohnt, den analytischen Pro‐
zeß des Denkens auch im Leben anzuwenden, und
so zersplittern wir das Leben, statt es zu erweitern.
Ich bin aber der felsenfesten Überzeugung, daß
wir niemals zur «Gesundung» kommen können,
bevor nicht das Bestreben zur 
Synthese an die
Stelle analytischer Praxis tritt, im Leben der Par‐
teien. Es ist durchaus nicht nötig, daß deshalb die
einzelne Partei ihren klar umrissenen Charakter
etwa verliert!
.Nur so kann Politik zur 
Kunst der Gesellschafts‐
bildung werden; und nur als Kunst betrachtet, die
das edelste Gebilde zu gestalten hat, kann sie die
Menschen derart ineinanderfügen, daß alle sich
zu einem krafterfüllten Ganzen «formen».
WIE ist doch der heutigen Welt so gar vieles
wieder dicht verschleiert worden, was einst
den Menschen früherer Tage offenbar war! ‒
.Wie vieles gilt heute nur noch als «
leerer For‐
melkram», was ehedem hehres 
Mittel magischen
Wirkens bildete!
.Wahrlich, die wenigen sind zu zählen, die da
heute auch nur ahnen, welche magische Macht dem
Menschen gegeben ist! ‒ ‒ In mancherlei Weise
wußten die Alten solche Macht zu nützen.
.Wohl waren auch sie gewiß nicht von allem
Aberglauben frei, allein ihr Aberglaube rankte
sich nur um ein 
Wissen, das der Nachwelt wie‐
der verloren ging und das die Späteren nun allzu‐
klug als «Aberglaube» entwerten möchten.
.Hier gilt es sorglichst zu sondern, will man der
Wahrheit nahekommen!
 
ES sei hier die Rede von der 
Magie der Zei‐
chen, deren die Alten ebenso kundig waren, wie
die Menschen dieser Tage die Kraft des Blitzes zu
nützen wissen.
.So sehr ist jenes Wissen der Alten gelästert wor‐
den, daß man Gefahr läuft, in den Verdacht der
kritiklosen Schwärmerei zu geraten, redet man von
diesen Dingen, ohne sie dem Aberglauben zuzu‐
rechnen! ‒
.Und doch ist hier vieles verborgen, das einst wie‐
der offenbar werden wird, so sehr man auch heute
derlei mißachten mag! Vergessenes Wissen wurde
noch immer verlacht!...
.Wer aber ‒ außer den wenigen, die hier kaum
zählen ‒ weiß heute noch davon, daß gewisse
geschriebene, graphisch gestaltete oder auch pla‐
stische 
Zeichen magische Kräfte in Wirksam‐
keit setzen können, sobald sie «geladen» wurden
mit 
Impulsen, die solche Kräfte zu 
ent‐
fesseln vermögen!? ‒
.Doch nicht nur Zeichen, die 
aus irgend‐
einem Material der Kundige zu formen weiß,
üben solche Wirkung aus.
 
.Der eigene 
Körper des Menschen kann durch
bewußte, entsprechende Haltung zu einem magi‐
schen Zeichen werden: ‒ die 
Gebärde kann
solcher Zeichen Formung sein. ‒ ‒
.Während jedoch das aus fremdem Stoffe ge‐
formte magische Zeichen stets in seiner Starre bei
einmal gegebener Wirkung verharrt, verbindet sich
den Zeichen, die der menschliche Körper formt,
zugleich die 
Bewegung, ja es ist möglich, ein
Zeichen in ein anderes kontinuierlich überzuleiten
und so die Wirkungsweise mannigfach zu vari‐
ieren. ‒
.Zugleich aber wird alle Wirkung ganz erheblich
gesteigert durch des Wirkenden 
Konzen‐
tration auf die geforderte Haltung.
.Nicht 
unwillkürlich darf sich Bewegung
an Bewegung, Zeichen an Zeichen reihen!
.Nicht 
Neigung persönlicher Gefühle
darf die Gebärde bestimmen!
.In wohlgeordnetem 
Rhythmus, bedingt durch
eherne Gesetze jener Sphäre, von der aus die Wir‐
 
kung erfolgen soll, muß alle Darstellung magischer
Zeichen durch den Körper, wie ihre Überleitung
erfolgen, sollen die unsichtbaren Kräfte tatsäch‐
lichen Anstoß erhalten.
.So wie ein chemisches Präparat nur dann in ge‐
wünschter Weise herzustellen ist, wenn jede Be‐
dingung, die gefordert wird, durch physikalische
Gesetze peinlichste Erfüllung findet, so kommt
auch 
magische Wirkung nur zustande, wenn
der Wirkende sich streng an die Erfordernisse
seines Wirkens hält, möge er nun die magischen
Zeichen aus starren Stoffen, oder durch seines
eigenen Körpers Gebärde und Bewegung for‐
men. ‒
Die Weisen der alten Religionen kannten sehr
genau die Gesetze magischen Wirkens.
.Sie wußten, weshalb sie ihre Liturgien an be‐
stimmte Formen knüpften, die strenge eingehalten
werden mußten.
.Hier ist die Kraft verborgen, die selbst 
Reste
jener alten Kulte 
heute noch im Dasein hält. ‒
.Alle Kultgebärde, alle hieratische Haltung bei
der Ausübung der Riten ist nichts anderes als
Zeichenmagie! ‒
.Die Wirkung erfolgt auch 
dann noch, wenn
die Wirkenden längst 
nicht mehr wissen,
was sie tun, solange sie durch alte Vorschrift sich
davor bewahren lassen, die Gesetze zu mißachten,
die allhier in Frage kommen. ‒
.Die 
Deutung, die man solchem Tun zu geben
sucht, mag sich im Lauf der Zeiten oft genug ge‐
wandelt haben, allein die Wirkung 
bleibt und
ist von jeder Deutung unabhängig. ‒
.Gar manche kultische Gebärde, die man heute
nur 
symbolisch deuten möchte, stellt ein
magisches Zeichen dar von wohlerprobter
Wirksamkeit. ‒
.So ist es denn auch töricht, Liturgien neu zu
formen, die durch 
symbolische Geste die
Magie der Zeichen ersetzen möchten.
.Die alten Liturgien hatten sehr erheblich 
an‐
deres zu geben, und es wird 
noch jetzt ver‐
mittelt, soweit sie in Fragmenten noch erhalten
sind. ‒ ‒
 
Weit mehr, als alles ausmacht, was sich heute noch
erhalten hat an magischen Zeichen, die der Wir‐
kende durch die Gebärde formt, ist aus der Vor‐
zeit überkommen in Gestalt der starren Zeichen,
die man 
graphisch, in der 
Farbe oder
plastisch formte.
.Auch hier zeigt sich gar deutlich jenes Wissen,
das die Weisen alter Religionen einst ihr eigen
nannten.
.Die 
Deutung, die den Zeichen dieser Art je‐
weils aus 
Glaubenslehren wurde, führt hier
freilich in die Irre. ‒
.Nicht was sie «bedeuten» sollten, ist hier zu er‐
fragen, sondern was sie ‒ 
wirkten...
.Nur 
eigenes Erfühlen dieser Wirkung
kann hier zur Erkenntnis führen, denn noch ist
diese Wirkung nicht erloschen.
.Soweit die Darstellung der 
menschlichen
Gestalt im Kunstwerk hier beachtet werden
muß, kommt auch die Zeichenbildung durch
Gebärde sehr wichtig in Betracht.
 
.Die religiöse Kunst des Altertums
bleibt ohne diesen Schlüssel uner‐
schlossen.
.Was aber, 
außer solcher Darstellung des Men‐
schen, noch an Formen, die einst alten Liturgien
dienten, uns erhalten ist, wird wiederum so man‐
ches Werk sakraler Kunst entschleiern helfen, das
der 
Magie der Zeichen einst sein Dasein
dankte. ‒
Es sollen diese Darlegungen nur den Blick auf die
erwähnten Dinge lenken und 
Ehrfurcht lehren
vor der 
Weisheit jener Alten, die weit weniger
dem Aberglauben ausgeliefert waren, als das heu‐
tige Geschlecht vermuten möchte.
.Die Zeichen magischen Charakters, die sich heute
noch in alten Tempeln, Kirchen und Museen fin‐
den, sollen hier wahrlich nicht etwa «gedeutet»
werden!
.Wer sie 
gedeutet wissen möchte, zeigt da‐
mit, daß er sie für 
Symbole hält, und weiß noch
nicht, daß sie nur im 
Erleben sich enthüllen,
 
durch die 
Wirkung auf die Seele, die auch
heute noch von ihnen ausgeht, gibt man sich
dieser Wirkung willig hin und läßt die Glaubens‐
lehren ruhig 
unbeachtet, die sich seit alter
Zeit schon um ihr Dasein ranken.
.Wer nur ein weniges von dem 
erlebt, was
hier erlebbar ist, der wird durch die 
Erfahrung
in sich selbst verlernen, lächelnd nur und
überheblich auf das Wissen jener Alten tief herab‐
zusehen, das sie 
Magie benannten. ‒
IST dir eine Pforte verschlossen, so darfst du noch
lange nicht glauben, es sei niemand im Hause!
Durch Brillen muß man 
sehen, auf Stühle sich
setzen, wenn man ihre Güte prüfen will, ‒ aber
man darf es nicht 
umgekehrt machen wollen...
Wenn Rauch aus dem Schornstein steigt, so
schließe nicht immer daraus, daß man im Hause
Kuchen backe!
Aus mancher Tasche klingt es wie Klang harter
Taler; dreht man sie aber um, so fallen nur
Schlüssel heraus...
Bäume, die sich im Sturme 
biegen, können sehr
gerade gewachsen sein.
 
DROHENDE Wetterwolken umragen hochauf‐
geschichtet allenthalben das Leben der Völker
in diesen Tagen.
.Erhebliche Fragen harren der Antwort, die be‐
stimmend sein wird, weit über unsere Zeit hinaus,
lebenformend für kommende Generationen.
.Wahrlich: das äußere Leben scheint nicht mehr
Zeit zu lassen zu stiller Einkehr und Versenkung!
.Allzusehr lasten die Nöte des Tages auf diesem
Geschlecht. Und dennoch reichen die Lasten des
materiellen Lebens keineswegs aus, die Seelen die
innere Not vergessen zu lassen, die weit herbere
Qual verursacht als alle irdische Daseinssorge. ‒
.Oft scheint man zu fühlen, daß hier 
Wechsel‐
wirkung besteht, so daß die 
äußere Not
 
längst 
behoben wäre, wüßte man sich der
inneren endlich zu erwehren... Wohl denen,
die noch in alten, engen Gehegen sich geborgen
fühlen, ausreichend getröstet durch ihrer Seelen‐
hirten tröstendes Wort!
.Unzählige aber sind Pferch und Hirtenhut ent‐
ronnen.
.Es trieb sie hinaus auf freie Weide und jeder
suchte eine Tränke die ihm kein anderer trüben
könne.
.Wie sehr sie alle noch der Hürde bedurften,
wußten sie nicht. ‒
.Man sucht in tollem Taumel zu vergessen, was
man nicht vergessen kann, um stets aufs neue,
wenn auch nur für Augenblicke aus dem Rausch
erwacht, zu fühlen, daß die Sehnsucht nach Er‐
lösung aus der Seele irrer Angst sich nicht ersticken
läßt.
.Daß man sich 
selber helfen könne, ahnt man
nicht. ‒
.So sucht man, einstmals seiner wilden Freiheit
allzufroh, nun allenthalben wieder nach einer
sicheren Hut, nach Führung und Geleit.
.Weit mächtiger, als sich so mancher Prediger
vor leeren Bänken träumen läßt, ist heute ein
heißes Verlangen nach dem 
Seel-
Sorger in
den Seelen! ‒
.Wenn irgend einem Menschen unserer Tage sich
die Not der Seelen bis in ihre dichteste Verborgen‐
heit enthüllte, so wurde dies mir durch mein
Schicksal bestimmt, die Lehre verkünden zu müs‐
sen, die allein solche Not aus dieser Welt schaffen
kann!
.Unsagbares seelisches Elend wurde
mir vertraut und ich lernte wahrhaftig durch die
Erfahrung, daß es kein größeres Glück auf Erden
gibt, als anderen 
helfen zu können...
.Nichts anderes möchte ich lieber tun, als Tag
und Nacht allen denen 
persönlich Hilfe brin‐
gen, die ihrer bedürfen!
.Kein irdischer Lebensberuf erscheint mir be‐
neidenswerter, als der des Sorgers um das Heil der
Seelen; und wie der Seelensorger 
denen fehlt,
 
die ihn nicht mehr 
in einer Religions‐
gemeinde suchen können, da ihre Seele Zwang
und Nötigung in Glaubensdingen nicht erträgt, das
wurde mir in jahrelanger Hilfsbereitschaft Tag für
Tag bestätigt.
.Aber jeglichem menschlichen Wirken sind 
be‐
stimmte Grenzen gezogen, soll es sich nicht
im Uferlosen verlieren, und so sah auch ich mich
denn 
gezwungen, von aller 
persönlichen
Hilfeleistung 
abzustehen, um weiter auf 
jene
Weise helfen zu können, die mir 
allein obliegt.
.Mehr als alle, deren 
Briefe ich nicht mehr
beantworten, deren 
Besuche ich nicht mehr an‐
nehmen kann, leide ich 
selbst darunter, daß ich
durch Pflicht und selbstauferlegten Gehorsam gei‐
stig hoher Weisung gegenüber, in harter 
Zwangs‐
lage bin, mich auf 
Anderes konzentrieren zu
müssen und den Wünschen nicht willfahren
darf, die mein persönliches Eingehen auf die
Not des 
Einzelnen noch täglich von mir for‐
dern. ‒  ‒ ‒
.Was mir zu geben obliegt, ist freilich 
trotz‐
dem jedem Einzelnen gegeben, ‒ nur möge er
sich genügen lassen an der 
Form in der ich es
geben muß, ‒ durch den Buchdruck allen zu‐
gänglich, ‒ nicht anders als wenn es 
für einen
Einzelnen allein geschrieben wäre!
.Mit gutem Willen und einiger Selbstversenkung
ist es wahrlich jedem Einzelnen möglich, aus dem
was ich der Welt gegeben habe, 
die Folgerungen
zu ziehen, die 
seinen Einzelfall jeweils klären,
und ihn zur 
Selbsthilfe leiten.
.Und bleibt er nicht nur «
Leser» dieser Bü‐
cher, sondern sucht sein ganzes 
Leben den in
ihnen aufgestellten Maximen anzupassen, dann
wird er 
erst recht persönlicher Nachhilfe nicht
mehr bedürfen. ‒ ‒
.Es wird in unseren Tagen viel zu viel Wert auf
«
persönlichen Einfluß» gelegt und das
«
gesprochene Wort» wird weit überwertet.
.Man übersieht geflissentlich, daß durch das Ohr
vernommene Rede und der persönliche Einfluß
zugleich 
Verführungsmittel sind, die ihrer‐
seits gar oft 
auch dann bestimmen können,
wenn das Mitgeteilte 
allein keineswegs genügt
haben würde, Zustimmung zu erwirken. ‒
.Weder meine eigene Neigung noch irgend eine
verstandesmäßige Erwägung haben mich veran‐
laßt, den 
Buchdruck als das Verbreitungs‐
mittel der Lehre zu wählen, die ich zu verkünden
habe.
.Ich gehorche auch hier nur einer geistigen Wei‐
sung die für mich 
verpflichtend ist und weiß
die hohe 
Weisheit voll Ehrfurcht zu würdigen,
die mir in dieser Weisung kund ward...
.Sollen wahre 
Seel-
Sorger kommen um
das, was mir zu geben obliegt, 
persönlich und
durch das 
gesprochene Wort gleichsam in
kleiner Münze weiterzugeben, so werden sie er‐
stehen 
ohne mein Zutun.
.Noch aber sehe ich im Ratschluß der geistigen
Welt solchen Plan 
nicht erwogen, und 
warne
jeden, etwa einer Stimme zu vertrauen, die ihm
zuraunen möchte, er sei für solches Seelsorgeramt
berufen!
.Die 
wirklich Berufenen, 
wenn sie einst
gesandt werden 
sollten, werden 
weise, im
ganzen Ausmaß des Wissens ihrer Zeit
erfahrene Männer und Frauen sein, die selbst
 
das Leben in allen Verflechtungen
kennenlernten, und denen 
kein Irrweg un‐
bekannt sein wird, dem jemals die Seele bei
ihrem Suchen nach dem höchsten Lebensziele Ver‐
trauen schenkte um an seinem Ende sich enttäuscht
in einer Wüste zu finden. ‒
.Es werden Menschen sein, die 
selbst die
letzte Gewißheit erlangten, an Hand der
Lehre die ich zu verkünden habe, und ihre Wei‐
sung werden sie von 
gleicher Stelle empfangen,
von der die durch mich nur 
verkündete Lehre
ihren Ausgang nimmt! ‒ ‒
.Doch, wenn ich auch wahrlich mit aller Be‐
stimmtheit solcher «Seel-Sorger» 
Art bezeichnen
kann, so ist es mir dennoch versagt, zu bestimmen,
daß sie erscheinen möchten.
.Ich kann zur Zeit nur auf die 
Bücher verwei‐
sen, in denen ich alles niederlegte, was gegeben
werden soll, und deren Zahl ich noch vermehren
muß, ‒ nicht um etwas 
Unerwähntes noch
zu sagen, sondern um die Lehre so vollkommen
wie nur irgend möglich, 
von allen Seiten
her zu beleuchten.
 
.Es ist zwar gesagt worden: «
Wer dem Altare
dient, 
soll auch vom Altare essen», aber
wer etwa wähnen sollte, ich hätte meinen Lebens‐
unterhalt aus diesen Büchern, der wäre wahrlich
übel beraten und meine Verleger könnten ihn eines
Besseren belehren!
.Nur zu gerne möchte ich es ermöglichen können,
daß jeder, dem es schwer fällt, auch nur das
Wenige aufzubringen, was zum Erwerb der Bücher
nötig ist, sie 
umsonst erhalten würde.
.Da ich aber selbst der Sorge um des Lebens Not‐
durft keineswegs enthoben bin, kann ich mir eben‐
sowenig diesen Wunsch erfüllen, wie den, alle an‐
deren Menschen solcher Sorge zu entheben.
.Man hat in früheren Zeiten wahrlich oft 
mehr
geopfert um seiner Seele willen! ‒
.Hier aber handelt es sich um eine Lehre, die
wahrhaft Erlösung bringt, und jedes dieser
Bücher wurde einzig und allein aus der Pflicht her‐
aus niedergeschrieben, die 
Lehre des Lich‐
tes, die Kunde von der geistigen 
Wirklich‐
keit, allen Suchenden nahezubringen.
 
.Darüber hinaus aber lasten wahrlich noch 
an‐
dere Pflichten auf mir, ‒ solche 
geistiger,
und solche 
irdischer Art, ‒ deren jede genü‐
gen könnte, die Kraft eines Menschen 
allein zu
absorbieren. ‒
.Die mir im äußeren Leben nahestehen, wissen
darum und sind bemüht, soweit es ihnen möglich
ist, mir meine Bürde zu erleichtern.
.Ich darf aber wohl auch erwarten, daß die Leser
meiner Schriften, denen ich nur 
geistig nahe‐
kommen kann, einiges Verständnis dafür haben
werden, daß alle Menschenkraft ihre Grenzen fin‐
det, und daß ein Mensch der ihnen alles was er zu
geben hat, 
durch das gedruckte Wort er‐
reichbar macht, nicht überdies noch jedem
Einzelnen 
persönlich zur Verfügung stehen
kann! ‒
.Daß ich aber 
Mensch bin, und in allen Din‐
gen 
irdischen Lebens 
anderen Menschen
gleich, könnte aus allen meinen Schriften wahr‐
haftig auch 
jenen klar geworden sein, die da,
verwirrt durch phantastische okkultistische Bücher,
nur allzu geneigt sind, in einem Menschen meiner
 
Art einen 
mysteriösen Zauberer zu sehen,
dem es ein Leichtes sein müsse, alles Geschehen
nach seinem Wohlgefallen zu lenken.
.Wer da von mir erwartet, daß ich, als ein rech‐
ter Wundermann, im Handumdrehen alle Folgen
seines törichten, verkehrten Strebens aus der Welt
zu schaffen wüßte, ‒ der erwartet 
zu viel von
mir und darf sich nicht wundern, wenn die Wirk‐
lichkeit ihn ernüchtern muß. ‒
.In etwas 
abgeschwächter Form hegen aber 
Alle
solche Erwartung, die sich in ihren besonderen
Seelennöten an mich wenden, oder gar erhoffen,
eine persönliche Begegnung mit mir müsse alle
Nebel ihres Inneren zerreißen und sie mit einem
Schlage zu «Wissenden» werden lassen. ‒
.Wer immer mir persönlich begegnet ist, der wird
bezeugen können, daß keiner derer, die geheimnis‐
volle Schauer um mich her erwarten, auf seine
Rechnung käme...
.Ich halte es vielmehr für meine Pflicht, auch
den leisesten 
Anschein zu vermeiden, der so
gedeutet werden könnte, als benötige 
wirkliche
geistige Würde irgend einer irdischen Drapierung.
.So mag sich denn mancher getrösten, der meine
persönliche Nähe nur suchte, weil er in mir einen
Menschen zu finden glaubte, der verlernt hätte:
‒ 
Mensch zu sein!
.Ich würde unwahr, wollte ich nicht verstehen,
daß man 
die Menschen beneidet, die mir auch in
meinem 
äußeren Leben nahestehen, ‒ die mir
als 
persönliche Freunde teuer sind.
.Aber mag auch alles Schicksal das mein Erden‐
leben formt, die Elemente irdischen, alltäglichsten
Geschehens in sich bergen, so wird man doch dem,
was man «
Zufall» nennt, in meinem ganzen
Dasein, von Geburt an bis zu meinem Tode hier
auf Erden 
nicht begegnen.
.Nichts war hier 
Willkür überlassen,
nichts wird jemals nur durch meine 
Wünsche
zu bestimmen sein. ‒
.So aber konnte ich auch nicht bestimmen, wer
mir Freund werden sollte und wer nicht, und wo
ich es in früheren Tagen, meiner Menschenliebe
nicht genugsam Herr, doch zu bestimmen 
suchte,
dort ward mir in der Folge nur zu klar gezeigt, daß
 
ich vermessentlich in den Bereich der Regionen
die mich 
geistig tragen, eingegriffen hatte...
.Wie weit aber auch der Kreis derer, die mir
persönlich nahestehen, sich 
erweitern las‐
sen möchte: ‒ 
niemals könnte er alle um‐
fassen, 
die meine Bücher lesen und durch
sie erfahren von der Lehre die ich zu künden kam.
.Sie 
alle aber ‒ soweit sie wirklich nach der
Lehre 
leben ‒ bilden eine geschlossene Kette,
deren sämtliche Glieder mir in gleicher Weise nahe‐
stehen, mögen sie mir nun 
persönlich bekannt
sein oder nicht. ‒ ‒
.Jeder, der neu hinzukommt, schmiedet 
sich
selbst dieser Kette ein und wird von dem
Kraftstrom durchdrungen, der durch die ge‐
schlossene Kette fließt...
.Diesen 
allen aber gehört das Werk meines
Erdenwirkens, und nicht nur ihnen 
allein, son‐
dern in gleicher Weise 
allen, die 
nach ihnen
kommen! ‒ ‒
ES sind mir zu meinem fünfzigsten Geburtstag
(25. Nov. 1926) 
fast unzählige Glück‐
wunschbriefe und Telegramme ins Haus geflogen,
so daß meine anfängliche Absicht, jedem einzelnen
Gratulanten persönlich zu danken, sich leider als
unausführbar erweist, und ich mich in der
Zwangslage sehe, wenigstens von den Lesern dieser
Zeitschrift («Die Säule») die Erleichterung erbit‐
ten zu müssen, daß sie mir gütig erlauben, ihnen
auf 
diese Weise von Herzen Dank zu sagen. ‒
.Wenn auch der so überreich gefeierte, mit Blu‐
mengrüßen und Geschenken bedachte Tag für mich
nur insofern von besonderer Bedeutung war, als
noch vor kurzer Zeit nicht allzu sicher stand, daß
ich ihn in dieser Sichtbarkeit erleben würde, so
waren mir doch diese unerwartet zahlreichen Zei‐
chen der Liebe und Verehrung, die mir aus aller
Welt zugesandt wurden, Anlaß gerührter Freude
 
und Dankbarkeit genug, um ihn in frohem Fest‐
empfinden und mit heißen Segenswünschen für
Alle, die mich liebend zu ehren suchten, als rech‐
ten «Feiertag» zu begehen. ‒ ‒
.Freilich nehme ich die mir entgegengebrachte
Liebe und Ehrung auch gewiß nicht 
für mich
persönlich in Anspruch, sondern sehe in dem
allen nur die freudige Dankbarkeit der Seelen, die
an Hand der durch meine Bücher der Welt wieder‐
geschenkten Lehren, beglückt zu sich selber fan‐
den, und in sich selbst zu ihrem 
lebendigen
Gott.
.Daß ich noch weiterhin allen zum Lichte Stre‐
benden auf den Weg helfen darf, ist für mich das
schönste Geschenk des Himmels, denn ich weiß
nur zu gut, welche Aufgaben noch darauf warten
von mir getan zu werden...
.In Zeiten hoher religiöser Kultur ist es verhält‐
nismäßig ein Leichtes, den Weg zum Lichte zu
zeigen, da im Vorstellungsleben Aller die grund‐
legenden Voraussetzungen gegeben sind, die zu‐
nächst einmal da sein müssen, soll einige Hoffnung
bestehen daß es gelinge, die Augen der ernstlich
Suchenden zu öffnen.
.Heute aber gilt es vor allem, erst einmal diese
Voraussetzungen 
wieder zu schaffen, und
der Weg der gezeigt werden soll, ist überdies der‐
art von dürrem und grünem Gestrüpp überwuchert,
daß es vonnöten ist, ihn erst wieder zu 
bahnen
und allenthalben neue Wegmarken zu setzen, da‐
mit der Suchende vor den verderblichsten Irr‐
gängen bewahrt werde. ‒
.So sehe ich denn bis heute 
noch kaum das
Allernötigste getan, wenn meine Lebensauf‐
gabe wirklich erfüllt werden soll, und mehr denn
je bin ich mir heute der Tatsache bewußt, daß mein
Wirken durchaus nicht außerhalb der Gesetze
steht, die jegliches menschliche Schaffen bestim‐
men, so daß auch in meinem Verkündigungswerke
ohne Zweifel die Linie einer allmählichen Entfal‐
tung einst feststellbar sein wird, sei es auch nur im
Hinblick auf die Fähigkeit, das oft fast Unsagbare
in Worten menschlicher Sprache zum Ausdruck zu
bringen...
.Aus innerster Gewißheit kann ich sagen, daß
ich wohl auch nach weiteren fünfzig Jahren, wenn
solches im Bereich der mir bestimmten irdischen
Lebensbahn gegeben wäre, mich noch in gleicher
 
Weise erst am Beginn meines Wirkens fühlen
würde, denn keine Kunst der Sprache ist jemals
vollendet genug, um dessen wahrhaft würdig zu
werden, was ich meinen Mitmenschen hier auf
Erden zu Bewußtsein bringen soll! ‒ ‒
.In solcher Erkenntnis weiterwirkend, danke ich
allen die den «Weg» betreten haben, daß sie nicht
Anstoß nahmen an dem was etwa Mangel mensch‐
lichen Ausdrucksvermögens nicht zu faßlichster
Verständlichkeit kommen ließ, und sich an das
unmißdeutbar Gegebene hielten, das in
ihrem eigenen Herzen Widerhall fand, um so zur
Gewißheit auch dessen zu gelangen, was meine
Worte noch im Dunkel lassen mußten!
.Möge es mir beschieden sein, den Pfad immer
mehr erhellen zu dürfen, zum Besten derer, die ihn
bereits betreten haben, wie nicht minder aller
jener, die ihn, durch meine Worte bewegt, zu‐
künftig in sich suchen wollen! ‒
WER diese Überschrift liest, der wird kaum ver‐
muten, daß ich hier in allererster Linie vor
allzu überschwenglichem Optimismus 
warnen
will.
.Die Zeit scheint eher zu fordern, daß man un‐
bedingten Optimismus dringlichst anempfehle, da
die gegenteilige: also 
pessimistische Auf‐
fassung des Lebens beinahe zur Norm geworden
ist.
.Aber ich will ja auch ganz gewiß nicht als
Anwalt des 
Pessimismus sprechen, obwohl ich
gut begreife, daß er nicht nur den 
ängstlichen
Leuten, sondern sogar recht resoluten Naturen
heute beinahe als die einzige, durch den Gesamt‐
zustand einer ermüdeten und verquälten Welt auf‐
gedrungene, mögliche Gemütshaltung erscheint.
.Ich will vielmehr vor den vielen Äußerungsfor‐
men 
unberechtigten optimistischen Hoffens
warnen, die immer 
dann ihre weiteste Verbrei‐
 
tung erreichen, wenn sich die Bedingungen des
äußeren Lebens nicht mehr im Einklang finden
mit den persönlichen Anforderungen der Lebens‐
Erhaltung und der 
Freude am Dasein. ‒ ‒
.Die 
zuversichtliche Auffassung aller Ge‐
schehnisse, aus dem Vertrauen heraus, daß zu guter
Letzt alles Wirre sich entwirren, alles Unharmo‐
nische harmonisch ausklingen müsse, und alles
Ungute nur die Vorstufe für ein kommendes Gute
darstelle, ‒ ist gewiß von großer Bedeutung, und
ihre fördernde, steigernde Wirkung auf das Leben
läßt sich kaum hoch genug werten.
.Es darf aber nicht vergessen werden, daß ein
solcher Lebenswert 
nur dann vorliegt, wenn
die optimistische Auffassung des Geschehens in
sich 
begründet ist.
.Der Optimismus 
um jeden Preis, ‒ auch
wenn ein vernünftiges Abwägen der gegebenen
Umstände klar zeigt, daß die 
Vorbedingungen
zu einem guten Ausgang des Geschehens fehlen, ‒
ist entweder Folge bequemen Leichtsinns, oder
eines Denkfehlers.
.Manchen Menschen fehlt einfach «das Talent»
zum Optimismus, und wenn sie sich dann einmal
aufraffen, um es mit dem optimistischen Denken zu
versuchen, machen sie die Sache sicher so unge‐
schickt wie möglich und versuchen 
gerade dort
Zuversicht in sich zu erkrampfen, wo der geborene
Optimist ‒ recht 
pessimistisch urteilen würde.
.Es ist, ‒ nebenbei gesagt, ‒ ja auch zweifel‐
los 
viel leichter, eine pessimistische Lebens‐
auffassung zu pflegen, weil es eben leichter ist,
vorsichtig und ängstlich zu sein, als 
zuver‐
sichtlich, 
wagemutig und 
lebensver‐
trauend! ‒ ‒
.Richtiger Optimismus ist eine durchaus 
aktive
Haltung, und selbst der «geborene» Optimist (der
übrigens viel seltener ist, als gemeinhin angenom‐
men wird) kann seinen Optimismus nur erhalten
durch bestimmte, aktive Willensrichtung. Der in
sich gesunde, 
verantwortbare Optimismus
beruht nicht auf einer angeborenen 
Neigung,
oder erstrebten 
Hinwendung zum optimisti‐
schen Denken, sondern ruht zutiefst begründet in
erdenmenschlicher 
Lebenserfahrung, ‒ sei
es die 
eigene, die durch Andere 
vermittelte,
oder die an Anderen 
wahrnehmend erwor‐
bene Erfahrung.
.Es ist 
Erfahrungstatsache, daß die opti‐
mistische Einstellung dem uns angehenden Ge‐
schehen gegenüber, nicht nur das 
eigene Leben
froher und tatkräftiger erhält, sondern auch in
gutem Sinne «ansteckend» auf 
unsere Mit‐
menschen einwirkt, so daß durch vereinte, er‐
höhte Tatfreudigkeit Umwandlungen des Ge‐
schehens zu unseren Gunsten eintreten können,
die bei einer weniger vertrauenserfüllten Haltung
unmöglich gewesen wären.
.Es ist auch durchaus keine bloße Behauptung,
daß wir durch unser 
Denken, ‒ auch wenn es
niemals durch gesprochene oder geschriebene Mit‐
teilung weitergegeben wird, ‒ in einem verhält‐
nismäßig recht bedeutsamen Grade 
äußeres
Geschehen beeinflussen können, was sich
dann solcherart auswirkt, daß der 
pessimi‐
stisch Denkende ebenso das Eintreffen des von
ihm Erwarteten durch die Kraft seiner Gedanken
begünstigt, wie der 
Optimistische das Ein‐
treffen 
seiner Erwartungen.
.So gibt es zum Beispiel nur zu viele Menschen,
die sich «vom Unglück verfolgt» glauben, und
nicht ahnen, daß sie 
sich selbst mit Unglück
 
aller Art verfolgen, indem sie sich alles nur er‐
denkliche Unheil in einem fort 
zu-
denken,
nur weil ihnen ehedem wirklich einmal ein Un‐
glück zugestoßen war, dem noch ein zweites und
drittes folgte.
.Man wird aber auch Menschen begegnen, die
durch ein paar Glücksfälle derartig 
glücks‐
gläubig wurden, daß sie sich fortan nur noch
Glückliches zu-zudenken wissen, und daher,
bestaunenswerterweise, einen «Glücksfall» nach
dem andern erleben. ‒ ‒
.Das ist alles durchaus nichts Mysteriöses, auch
wenn die Zusammenhänge solchen Geschehens
nicht für Jeden offen zu Tage liegen.
.Nur muß man sich, wenn man solche Dinge ver‐
stehen lernen will, von der landläufigen Betrach‐
tungsart freimachen, als sei dabei irgendwo 
Will‐
kür im Spiel!
.Wenn ein reifer Apfel vom Baum fällt, so sieht
das ja auch recht «willkürlich» aus, und doch hat
es seine genauen Gründe, warum sich der Stiel
gerade zu dieser Sekunde vom Zweig lösen mußte.
.Ebenso braucht das, was als Wirkung unserer
Gedanken sich ereignet, die vorherige Erfüllung
bestimmter Voraussetzungen.
.So ist denn auch 
optimistisches Denken
nur dann 
sinngerecht, wenn 
Vorausset‐
zungen gegeben sind, die zum guten Ausgang
eines Geschehens 
berechtigen.
.Vernünftiger Optimismus ist immer das Ergebnis
sachlich richtiger Beurteilung der je‐
weiligen 
Gegebenheiten und erwartet nur das
Beste, was sich auf Grund der wirklich 
erfüll‐
ten Voraussetzungen ereignen kann.
.So ist der wahre Optimist zu Zeiten geradezu
gezwungen, die Dinge «
pessimistisch»
beurteilen zu müssen, ‒ dann nämlich, wenn keine
erfüllten Voraussetzungen für das Zustandekom‐
men des Erfreulichen vorliegen. ‒ ‒
.Es ist eine ganz unverantwortliche Kräftever‐
geudung, seine Glaubenskräfte für die Erreichung
eines erwünschten Guten anzuschirren, zu dessen
Erlangung die Voraussetzungen 
fehlen.
 
.Optimismus, der nicht 
enttäuscht werden will,
muß nüchterner, unvoreingenommener 
Prüfung
standhalten!
.Die bloße Illusionsfähigkeit, sich jeden er‐
wünschten Zustand, jedes gute Ergebnis, jede Ziel‐
Erreichung lebhaft 
vorstellen zu können, be‐
rechtigt gewiß noch nicht zum Optimismus!
.Es genügt auch durchaus nicht, daß wir ein uns
wünschbares Geschehen für 
gut halten.
.Immer bleibt die Art der 
wirklich erfüll‐
ten Voraussetzungen dafür bestimmend, 
was in
gesunder optimistischer Denkweise «herangedacht»
werden 
darf.
.Alles Andere darf vorerst 
noch nicht er‐
wartet werden, und wäre es auch nicht nur ein
«
wünschenswertes», sondern selbst ein
dringlich 
nötiges: ‒ ein heiß herbeigesehntes
notbehebendes Gutes.
.Hier muß sich aller Wille vielmehr darauf rich‐
ten, zuerst die 
Voraussetzungen zu schaffen,
die vernünftigem Optimismus Begründung bieten
 
können, das erwarten zu 
dürfen, was er als so
überaus 
not-
wendig erkennt. ‒ ‒
.Man wird aber niemals erkennen lernen, 
wel‐
cher Art diese Voraussetzungen sind, solange
man immer wieder seine Kräfte an Illusionen ver‐
zettelt, die jedes, noch unermeßlich weit entfernte,
erwünschte Geschehen schon in nächster Erreich‐
barkeit zeigen.
.Ein solcher 
Fernrohroptimismus, wie
ich diese verfehlte optimistische Denkweise nennen
möchte, betört nur durch ein Erwarten, das sich
immer aufs neue enttäuscht finden muß, und bringt
das erwartete Gute um nichts näher. Das alles
gilt sowohl für den 
Einzelnen, wie auch für
Gruppen von Einzelnen, und für 
ganze
Völker.
.Es ist ‒ trotz allem bitterem Pessimismus ‒
keineswegs zu wenig Optimismus in der Welt, aber
leider 
viel zu viel falscher, weil 
unbe‐
rechtigter Optimismus, vor dem man gar nicht
eindringlich genug warnen kann!
.Dieses sehend-besorgte Warnen ist besonders am
Platz in einer Zeit, die ihre Kräfte selbst 
über‐
bürdet hat, so daß es wahrhaftig dringlichste
Pflicht ist, nicht an einer der 
lebenförder‐
lichsten Kräfte 
Raubbau zu treiben.
.Und eine solche Kraft ist der nüchtern-sachliche,
durch tatsächlich Gegebenes berechtigte
Optimismus!
 
RÉSUMÉ
(Antwort auf eine Anfrage)
 
ALLES, was  ich je  geschrieben habe, ist künst‐
lerisch getragene Gestaltung meiner lebendigen
Erfahrung. Zum größeren Teil verdanke ich
diese Erfahrung Lebensgebieten, die in Europa
keinem meiner Mitmenschen offenstehen. Aber das
ist nur als «Quellenangabe» in Betracht zu ziehen,
um den Impuls zu kennen, der mich antreibt, mich
in meinen Büchern mitzuteilen.
.«Résumé» meiner Erfahrung? ‒ Daß alles Er‐
kennen, Glauben und Hypothesensetzen wertlos
bleibt, solange es die 
Lebensführung nicht
bis ins kleinste bestimmt! Was nicht zur 
Tat,
zum 
Handeln und 
Gestalten führt, ist nur
fruchtloses Spiel mit Gedanken und Gemütsan‐
wandlungen. Alles Verschwommene, nur «Unge‐
fähre» muß man auf sich beruhen lassen, und darf
nichts mehr in sich dulden, was nicht 
lebens‐
bestimmend werden will.
 
.Nur in dem, was als Lebens-
Äußerung von
uns Zeugnis gibt: ‒ nur in unserem 
Verhalten
uns selbst und der Mitwelt gegenüber ‒ können
wir uns selbst erkennen! Alles andere ist Selbst‐
betrug!
.So gewiß es in aller Ewigkeit keinen «Himmel
auf Erden» geben wird, so gewiß kann aber das
meiste Unheil, das heute noch die Menschen quält,
aus der Welt geschafft werden.
.Voraussetzung dafür ist: die immer mehr Men‐
schen erhellende Einsicht, daß 
nicht die zu
allem willige 
Vorstellungsfähigkeit die
Gemeinsamkeit, und damit uns selbst, bestimmt,
sondern nur die 
Tatwertigkeit eines jeden
einzelnen.
.Die Welt, die man sich selber schafft, fügt sich
nur zu gerne allen Launen ihres Schöpfers.
.Aber nur selten und nur in Seltenen entspricht
die 
selbstgeschaffene Welt auch wirklich
der 
Tatsachenwelt, die uns draußen umgibt
und unseren 
Wünschen ihren 
Willen ent‐
gegensetzt.
 
.Hier alle Ideologien durchschauen lernen ‒
hier seiner inneren Welt die äußere Aufgabe
setzen ‒ hier den Mitmenschen lieben lernen,
wie sich selbst: ‒ das allein führt zur Er‐
lösung!
DIE Zeiten der Glaubenseinheit in Europa haben
den starrköpfig oppositionellen Menschen nur
als zeitweilige 
Ausnahme gekannt, die wohl da
und dort gelegentlich allerhand Unruhe verbrei‐
tete, aber dann immer nach kurz bemessener Aktion
wieder im Gleichklang allgemeiner Meinung ver‐
schwinden mußte.
Seit der im Herzen Europas die früheren Bin‐
dungen allgemach lockernden und lösenden Zeit
der konfessionalen Reformationen des Gemein‐
schaftsglaubens aber, ist der triebhaft in sich selbst
zu irgendwelcher Opposition gedrängte Störer sei‐
ner Zeitgemeinsamkeit zu einer sich dauernd und
zähe am Leben haltenden 
Spezies vervielfältigt
worden. Man kann ihr in allen Lebensgebieten be‐
gegnen. Durchaus nicht nur im religiösen, im poli‐
tischen, im wissenschaftlichen und künstlerischen,
sondern ebenso auch im rein privaten Leben.
 
.Und diese Spezies hat sich auch keineswegs auf
die Länder der Reformation beschränkt, sondern
sich allmählich geradezu über die ganze, in irgend
einem Grade zivilisierte Menschheit verbreitet.
.Die letzten Jahrhunderte boten solcher Ver‐
breitung allen Vorschub.
.An wie vielem Elend die Allgemeinverbreitung
dieser Spezies im Kampfe dieser Jahrhunderte
schuldig oder mitschuldig wurde, läßt sich kaum
beschreiben.
.Aber es ist charakteristisch für die der Spe‐
zies Zugehörigen, daß ihnen jegliches Schuld‐
Bewußtsein fehlt, und jede 
Erkenntnis
der Gefahr, sich mit Schuld zu behaften.
.Der oppositionelle Mensch glaubt durchaus nicht
verantwortungslos zu handeln. Er fühlt sich stets
nur in Ausübung seines «guten Rechtes».
.Dieser allzusicheren Haltung gegenüber ist aber
nur leider folgendes zu sagen: ‒
.Der Oppositionstrieb ist einer der 
gefähr‐
lichsten aller 
eigensüchtigen Triebe des
irdischen Menschen!
 
.Nichts unterhöhlt den Boden, auf dem die
Menschen sich selber zur Gemeinsamkeit aufer‐
bauen sollen, tiefer, weitverzweigter und verhäng‐
nisvoller, als diese Lust am steten «
Nein»-sagen
um des Neinsagens willen!
.Man muß sich ganz klar darüber werden, daß
in diesem 
unter-tierischen, aber die höchsten
über-tierischen Kräfte lustgierig zerfressenden,
wuchersüchtigen Triebe, allem nicht selbstgesetz‐
ten Bestreben 
primär opponierend zu be‐
gegnen, das reale satanische Prinzip des Chaos:
‒ der 
Selbstzerstörungsdrang, das zu‐
Nichts-werden-wollen, sich auswirkt. ‒
.Der oppositionslüsterne Mensch wütet unbewußt
gegen sich selbst, indem er sich ins Äußere
projiziert ‒ in die Willensäußerung der Anderen,
gegen die er opponiert! Er würde sich selbst zu‐
grundeopponieren: ‒ seinem eigenen Dasein bis
zur Auflösung Widerpart halten, wenn ihm der
Selbsterhaltungstrieb seines irdischen Körpers
nicht doch noch gewachsen wäre.
.Jede andere Deutung ist Beschönigung und
bringt den Deutenden in Gefahr, sein eigenes, und
 
das Menschentum seines Mitmenschen unerahnt
schwer zu schädigen.
.Um diese, alles Erdenmenschliche aus dumpfen
Chaostiefen heraus bedrängende Bedrohung wuß‐
ten zu allen Zeiten die im ewigen Geiste Wissen‐
den, und darum suchten sie Schutz zu schaffen
durch priesterliche und despotische Satzung, so‐
lange ihnen äußerer Einfluß auf irdischmensch‐
liche Lebensordnung offengehalten war.
.Sehr vieles, was eine jüngere, vermeintlich
erreichbarer «grenzenloser» Freiheit süchtig ent‐
gegenfiebernde Menschheit für Ausgeburten will‐
kürlicher Herrscherlaunen hielt, war nur 
Schutz‐
verbauung gegen den Wühldrang menschheits‐
zerstörenden Verneinungstriebes, ‒ war 
geistig
geforderte Freiheits-Begrenzung, um 
dessen wil‐
len, was voreinst zur Entwicklung kommen 
sollte
und infolge solchen Schutzes dann auch zur Ent‐
wicklung 
kam.
.Auch Gegenwart und Zukunft werden auf
keinem Gebiet die geistige Gestaltung dessen,
was heutiger oder zukünftiger Zeit obliegt, er‐
stehen sehen, ohne wirklich sichernde 
Bändi‐
gung des zerstörungslüsternen Triebes zur Oppo‐
sition um des Opponierens willen, der alles Wer‐
dende unterwühlt und schon an den Wurzeln zer‐
nagt, um dem ihm hörigen Menschen die manisch
gesuchte, gehirnliche Wollust unbewußter, nach
außen gedrängter Selbstvernichtung zu verschaffen,
ohne ihn doch an Leib und Seele zu bedrohen.
.Dieser «Geist des Widerspruchs» darf aller‐
dings nicht in argwohngezüchteter Urteils-Leicht‐
fertigkeit gleich überall vermutet werden, wo viel‐
leicht nichts anderes vorliegt, als eine gewisse
Schwerblütigkeit, die nicht weiß, wie sie aus dem
Banne langgehegter Vorstellungen herauskommen
soll, und die um so heftiger sich im Widerspruch
austobt, je mehr sie sich ihrer Behinderung bewußt
ist.
.Fast jeder Mensch kennt diese Schwierigkeit des
Aufgebenmüssens liebgewordener Vorstellungen
von seiner eigenen Kinderzeit her. Es brauchte da
zuweilen unendliche Geduld von seiten der Er‐
zieher, bis der dann schon selbst fast Erwachsene
durch Selbsterziehung doch zum Herrn wurde
über die ihm angeborene scheinbare Unfähigkeit,
sich, wenn es sein müsse, einer liebgewordenen
Vorstellung entwinden zu können.
.In den jüngsten Lebensjahren tritt diese Unfähig‐
keit schon zutage im Kinde, dem die Mutter ein
gefährliches Spielzeug oder das unreife Obst fort‐
nehmen muß, wonach dann die bekannten Äuße‐
rungen kindlichen Unmuts einsetzen, die gar oft
auch die langmütigste Geduld der Erwachsenen auf
sehr harte Proben stellen.
.Später werden dann 
andere Bekundungen
des Unmuts laut, ‒ oft nur 
allzulaut in des
Wortes wörtlichster Bedeutung, ‒ wenn etwa ein
Ausflug auf den sich das Kind schon seit langem
freute, nicht ausgeführt werden kann, oder wenn
elterliches Verbot einer Freundschaft im Wege
steht, die dem Kinde glühend erwünscht erscheint,
weil es ja die ihm schädlichen daraus erwachsen‐
den Folgen noch nicht einsehen kann, ‒ und
schwerste seelische Konflikte entstehen endlich,
sobald Regungen der 
Liebe aufgegeben werden
sollen, weil ihr Erstarken zu nichts Gutem führen
würde.
.Alle diese Äußerungen innerer Schwierigkeit,
ein bereits die eigene Person bestimmendes Vor‐
stellungsbild plötzlich mit einem noch fremden
anderen zu vertauschen, haben nichts zu tun mit
 
jener Hypertrophie des Eigensinns, die den von
ihr Befallenen nicht mehr seiner selbst froh wer‐
den läßt, wenn er in der Außenwelt nichts findet,
dem er 
widersprechen könnte. 
Erst hier
haben wir den Typus des 
oppositionellen
Menschen vor uns: des Menschen, der sich gleich‐
sam automatisch dazu gedrängt fühlt, jeder Er‐
scheinung des Lebens, die seine Beharrungsliebe
und die Bequemlichkeit ausgeleierten Denkens
stört, ein «
Nein» und seinen lauten 
Wider‐
spruch entgegenzusetzen.
.Wer kennt ihn nicht, oder wem wäre er noch
nicht begegnet?
.Wo immer individuelle Meinung anderer indi‐
viduellen Meinung sich 
verbinden will zu
wahrer 
Einung, dort tritt er bald schleichend,
bald polternd als Widersacher auf. Im Grunde
fehlt ihm 
jede eigene Überzeugung, auch wenn
er andere scheinbar zu überzeugen sucht. Nicht,
daß sie die von ihm jeweils verfochtene Darstel‐
lung der Dinge zu bejahen vermögen, ist ihm wich‐
tig, sondern daß sein Widerspruch 
Gefolg‐
schaft findet. Wahrheit und Trug sind ihm in
gleicher Weise willkommen, wenn sie ihm nur
Argumente gewähren für seine unermüdliche
Opposition gegen alles, was Andere 
schaffen.
.Er selbst aber ist der 
Unschöpferische:
der seelisch 
Sterile, mit der hämischen Freude
an Allem, was wahrhaftem Schöpferischen die Ge‐
staltung erschwert. In seiner reinsten, unbeherrsch‐
testen Darstellung ist er der Schrecken aller Pro‐
duktiven innerhalb jeglicher menschlichen Gemein‐
samkeit.
.Aber weiß sich nun jeder, dem diese 
ausge‐
prägteste Form des ewigen Krittlers und Nein‐
sagers «auf die Nerven» geht, ganz frei von 
eige‐
ner, gelegentlicher Neigung zu zersetzender Oppo‐
sition? Ist nicht gar oft vielmehr schon ein auf‐
reizendes Wort, ja ein bloßes Mißverstehen, ge‐
nügend, um aufzustacheln zu eigensinnigem Wider‐
spruch, obwohl besonnene Überlegung keineswegs
die Gründe gelten lassen könnte, auf die sich solche
versteifte Opposition zu stützen sucht?!
.Jeder Einzelne hat einige Ursache, sich zu fra‐
gen, ob er nicht seinen Oppositionstrieb zuweilen
aus der ihm angemessenen 
Beherrschung ent‐
läßt und dadurch Einigungen verhindert, deren das
irdische Leben auf 
allen Gebieten 
dringend
bedarf, soll das Wertvollste am Menschen in
Erscheinung treten.
.Selbst dort, wo Opposition 
gerechtfertigt
erscheinen könnte, wirkt sie sich nur 
schädi‐
gend aus und bringt das 
mögliche Gute zur
Verkümmerung, während positives, ehrliches
Mitwirken früher oder später 
ohne Störung
zu 
korrigieren vermag, was anfänglich wohl‐
berechtigten Grund zur Opposition zu bieten
schien.
.An Tausenden von Beispielen läßt sich das Un‐
heil aufzeigen, das der 
unbeherrschte Oppo‐
sitionstrieb in unser irdisches Dasein brachte. Laßt
uns endlich auch dafür sorgen, daß am Beispiel
zu sehen sein wird, was geeinigter menschlicher
Wille bei straffer 
Beherrschung dieses un‐
glückseligen Triebes vermag!
.Jeder einzelne Mensch wird diese Beherrschung
in sich «
erlernen» müssen, denn viel zu sehr wurde
die vermeintliche 
Berechtigung, allem und
jedem 
eigene Opposition entgegensetzen zu
dürfen, im Lauf der letzten Jahrhunderte 
ver‐
herrlicht, als daß es äußerem Zwange noch
gelingen könnte, die zehrende Lust zu bändigen,
deren durch alle Sophismen der Beschönigung
gefesselter Sklave der oppositionelle Mensch dieser
Tage geworden ist.
Anm.: Unter Berücksichtigung der 2.Auflage von 1990.
Normaler Text ist in beiden Auflagen gleich, hell
unterlegter Text entspricht der erweiterten Fassung
der 2.Auflage, dunkel unterlegter Text wurde
in der 2.Auflage weggelassen.
NICHTS wäre mir erwünschter, als die Möglich‐
keit, jedem Einzelnen, ‒ auch jedem mir bis
dahin äußerlich noch «wildfremden» Menschen, ‒
briefliche Antwort zukommen lassen zu können
auf seinen ganz persönlichen Brief, den gerade
er mir zu schreiben hatte, angeregt durch das in
der vorigen Nummer der «Säule» erschienene
Gedicht: «
Geistige Verbundenheit».
.Aber nichts ist auch ferner dem Möglichen!
.Ich gestehe jedoch, daß ich mich lieber heute als
morgen in Lebenszuständen finden möchte, die mir
ein solches persönliches Eingehen auf die inneren
Nöte des Einzelnen erlauben würden, wobei dann
allerdings ein auserwähltes und mit nichts anderem
beschäftigtes Kollegium vertrautester und erprob‐
tester Schüler mir zur Seite stehen müßte.
 
.Eines einzelnen Menschen irdische Kräfte kön‐
nen allenfalls dazu ausreichen, die Einzelberichte
mit allen Waagen und Gewichten 
abzuwägen,
um dann die rein 
geistige Verantwortung für
Antwort und Ratschlag zu übernehmen, ‒ unmög‐
lich aber könnte ich zugleich der 
Formulier‐
rung des zu Sagenden mich widmen, die ja doch
nicht zu umgehen ist, auch wenn selbst alle Hilfs‐
mittel zur Verfügung stehen würden, mit denen
heutigentags, beispielsweise, etwa die Direktoren
großer wirtschaftlicher Unternehmen zu arbeiten
gewohnt sind.
.So, wie die Dinge liegen, muß ich wohl oder übel
mit meiner eigenen Kraft 
allein auszukommen
suchen.
.In Anbetracht dessen, daß ich 
außer aller,
meinen Büchern anvertrauten 
Lehre, ganz un‐
umgänglichen, rein 
geistigen Verpflichtungen
nachzukommen habe, die alle psychophysischen
Kräfte bis zur Erschöpfung in Anspruch nehmen,
dürfte es leicht verständlich sein, daß mir weder
Kraft noch Zeit zu 
brieflicher Unterweisung
bleibt.
.Das sollte selbst denen klar werden, die immer
wieder meinen, bei ihnen handle es sich um einen
 
«Sonderfall» 
und die mitgeschickten Briefmarken
gäben ein Anrecht auf persönliche Antwort.
.(Vor zwölf Jahren schon habe ich an
gleicher Stelle bekanntgegeben, daß eingesandte
Briefmarken oder Anteilscheine von mir nur mehr
den Armen zugewandt werden... )
.Bedingungslos freuen könnte man sich an der
treuherzigen Hilfsbereitschaft, die aus allen den
Ratschlägen spricht, die irgendein 
Heilverfah‐
ren aus dem weiten, aber durchaus nicht gleich‐
wertigen Gebiet der «Lebensreformer»-Praxis an‐
preisen. Wenn man nur nicht in allen diesen Brie‐
fen der doch etwas gar zu naiven Ansicht begeg‐
nen müßte, mir seien diese Heilmethoden sicherlich
noch unbekannt.
.Ich weiß gewiß, daß die so rettungslos überzeugten
Berater und Beraterinnen, deren Briefe ich vor mir
habe, mir nur Hilfe bringen wollen, und mir das
Allerbeste, dessen sie habhaft wurden, darzubieten
glauben. Darum sei Allen von Herzen gedankt.
.Aber zeugt es nicht auch von einer doch gar zu
engen Begrenzung der Kenntnis irdisch-leiblichen
Lebens, wenn in sonst recht vernünftigen Briefen
anpreisen und in denen immer wieder als
ganz selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß
es sich bei den mich so sehr in der Hilfelei‐
stung für Andere behindernden, und darum allein
erwähnten Leiden, doch wohl nur um Störungen
handeln könne, wie sie die täglichen Annoncen
irgendwelcher Heilmittel in das Blickfeld der Be‐
obachtung zu rücken suchen?! ‒ Weiß wirklich
die Mehrzahl der Menschen offenbar nichts von
körperlichen Qualen, die fernab von allen Funk‐
tionsstörungen ihre Ursache haben??! Hier darf
ich ruhig verraten, daß noch niemals ein Sterb‐
licher bei klarem Bewußtsein in das Erleben des
reinen, 
ewigen Geistes gelangte, ohne dem, was
am Erdenmenschen vergänglicher 
Tiernatur
ist, kaum ertragbares 
Leid zuzufügen... Die
Alten sagten sogar: «Wer Gott sieht, muß sterben!»
Darum ist es auch keineswegs eines jeden Men‐
schen Aufgabe, 
hier, während des erdentieri‐
schen Daseins, schon 
im ewigen Geiste be‐
wußt zu werden.
.Den Allermeisten wird es zum höchsten Segen
gereichen, wenn sie, auch nur 
ahnend, ihrer
Fähigkeit, 
dereinst in den ewigen Geist zu ge‐
langen, zuzeiten innewerden.
.Nun aber will ich hier auch antworten auf die
zahlreichen und zum Teil tief ergreifenden Briefe
aus denen mir die Sorge um das nachirdische
Schicksal der Seelen geliebter, oder doch ehedem
im Außenleben nahe verbundener, nun von der
Erde geschiedener Menschen entgegenhallt.
.Es ist für mich wahrhaftig befreiend und be‐
glückend, jedem Einzelnen, den es angeht, sagen
zu können, daß ihm jeglicher Grund fehlt, um das
Schicksal des von ihm bezeichneten, 
vor ihm
Heimgegangenen besorgt zu sein. Auch nicht aus
einem einzigen der hierher gehörigen Briefe blickte
mir ein nachirdisches Schicksal entgegen, das in
irgend einer Weise zu beklagen wäre!
.Das Leben im Zustande «jenseits» der erden‐
körperlichen Wahrnehmungsfähigkeit ist ja nun
freilich nicht so ganz dem übersichtlichen Bilde
des Hauptplatzes einer Kleinstadt am Markttage
zu vergleichen, allwo man dann nur ein paarmal
den Platz zu kreuzen braucht, um lieben alten
Bekannten, oder gesuchten Besuchern des Marktes
zu begegnen.
.Es ist vielmehr auch den überaus wenigen, der
«jenseitig» 
Wahrnehmbaren und dortselbst
klar 
Bewußten nur in den 
allerseltensten
Fällen möglich, eine von der Erde abgeschiedene
geistige Seele zu identifizieren, auch wenn auf
Erden der denkbar präziseste Konnex geschaffen
werden konnte, der ja zu solcher Identifikation
unerläßlich bleibt.
.Und selbst in solchen, überaus seltenen Fällen
fragt es sich sehr, ob der noch dem irdischen
Körper verhaftete Jenseitsbewußte von dem ge‐
suchten und endlich gesichert erkannten Erd‐
befreiten «gesehen» und erkannt zu werden ver‐
mag? ‒ Selbst dann, wenn das sehr nahe zu liegen
scheint, weil der Erdentrückte den ihn Aufsuchen‐
den auf Erden dem Aussehen nach genau kannte,
oder gar in engsten Herzensbeziehungen mit ihm
 
vereinigt war, bleibt solches Erkennen 
sehr er‐
schwert, weil es nicht nur davon abhängt, ob der
Gesuchte bereits in der Region «sehfähig» wurde,
in der sich der ihn Suchende geistig bewegt, son‐
dern auch davon, ob die «angesprochene» Seele
die rein geistige Gestaltung 
des sie Anspre‐
chenden zu identifizieren vermag, die kaum je‐
mals dem in der geistigen Seele verbliebenen, zu‐
erst noch sehr einseitig aufgefaßten Erinnerungs‐
bilde entspricht.
.Erst sehr viel später stellt sich die Fähigkeit
ein, von der ich in meinem «Buch vom Jenseits»
spreche, die dann jederzeit die erwünschte Identi‐
fikation mit aller Gewißheit gewährt. ‒
.Ich kann also den vielen ‒ mir nur allzuver‐
ständlichen ‒ Bitten, Beziehungen zwischen Ab‐
geschiedenen und ihren auf Erden in der äußeren
Sinnenwelt Zurückgebliebenen herzustellen, in
keinem Falle irgendwie nachkommen.
.Da überdies fast jeder, nicht bis zum Bersten
irdisch «verkrustete» Mensch in den Zeiten des
Schlafens für kürzere oder längere Spannen
jenseitsbewußt wird, kann jeder, noch im
Tierkörper Lebende 
durch seine liebende
Einstellung dem irdisch Entzogenen gegen‐
über, 
ohne jede menschlich-irdische Beihilfe in
solche Beziehung gelangen...
.Mir aber ist es nur ‒ bis auf 
verschwin‐
dende, und 
nicht von 
meinem Wollen
allein abhängige Ausnahmen ‒ möglich, nach
hergestelltem irdischen Konnex, den jede, nach
menschlich reiner Absicht wahrheitsgetreue brief‐
liche Schilderung des Heimgekehrten herbeizu‐
führen vermag, mit der Gewißheit der durch jen‐
seitiges Bewußtsein bedingten Intuition zu sagen,
ob ein jenseits angelangter Schicksalsablauf zu
Besorgnissen Anlaß geben kann oder nicht.
.In 
jeglichem Falle kann ich aber das wun‐
dervolle, aus tiefster Erkenntnis geborene Wort
der Bibel kaum eindringlich genug der Beachtung
empfehlen:
.«Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke,
für die Verstorbenen 
zu beten!» ‒ Das heißt
aber, ‒ 
richtig verstanden: ‒ 
an ihrer
Stelle zu beten, da sie es ja nicht mehr ver‐
mögen...
.Eindringlich warnen muß ich nun jedoch vor
der unsagbar törichten Annahme, als könne der
 
irdische Tod geliebter Menschen gleichsam wie
eine «Strafe» von Gott über die Zurückbleibenden
verhängt werden.
.Glücklicherweise ahnen die solches Vermuten‐
den nicht, welche Gotteslästerung sie aussprechen,
und wie sie sich selbst überheben, indem sie sich
für derart bedeutsame Faktoren im Bereich des
seelischen Schicksals eines ihrer Mitmenschen
halten! ‒
.Da ist nichts anderes zu raten, als daß jeder von
solchen Gedanken Bedrängte, noch 
irdisch
Lebenden die herzensreine Liebe zugutekommen
lasse, die er den ihm nun äußerlich Entrückten
nicht angedeihen ließ, solange sie für ihn noch
sichtbar waren!
.Es handelte sich wahrhaftig nicht nur um
Geldgier der Priester, wenn sie zu allen Zeiten
und in allen Religionen darauf hinzuwirken streb‐
ten, daß durch fromme Vergabungen zugunsten
noch irdisch Lebender ausgeglichen werde, was
bereits Heimgegangenen 
nicht gewährt worden
war. ‒
.«
Machet euch Freunde mittels des
ungerechten Mammons, 
damit sie,
wenn es mit euch zu Ende geht, 
euch
in die ewigen Heimstätten aufzuneh‐
men vermögen!»
.Wenn 
irgend ein Wort des Evangelisten als
wahres Wort des hohen, liebenden Meisters von
Nazareth, 
aus sich selbst heraus ge‐
sichert ist, so dieses!
.Seit den ältesten Zeiten erscheint es dem Men‐
schen als ein Vorzug der Götter oder ihrer Gesalb‐
ten, über zukünftiges Geschehen zum voraus Be‐
scheid zu wissen, und unerhörtester Schwindel
fand in der Menschheit festen Glauben, weil es
als gesicherte Gegebenheit galt, daß die Unsterb‐
lichen alles irdische Schicksal sicher vorauswissen
müßten, ‒ wobei die naive Annahme miteinbe‐
schlossen war, daß sie ihr Wissen auch den von
ihnen Bevorzugten unter den Sterblichen groß‐
mütig mitzuteilen pflegten.
.Eine noch so fromme Gottesvorstellung, 
ohne
das Attribut der «Allwissenheit», ‒ also auch des
genauen Vorauswissens kommender irdischer Er‐
eignisse ‒ erscheint selbst heute noch auch «auf‐
geklärtester» Theologie, gleichviel welcher Reli‐
 
gion, als abgeschmackte Blasphemie, ja schlechthin
als Absurdität, und aller Diskussion unwürdig.
.Tausend Künste hat sich der Mensch ersonnen
um seine Götter ein wenig zu überlisten, und trotz
aller immer wiederholten Verbote solchen «gott‐
versucherischen» Tuns, blüht es heute wie ehedem
unter den gottgefälligen Gläubigen, ‒ ja leider
auch in manchen heimlichen Gärtlein ihrer wohl‐
meinenden Seelenhirten.
.Sie alle wollen, bald in ernster Seelennot, bald
in recht läppischer Neugier, «
ein Zeichen» erhal‐
ten und versuchen nach ihrer Art es ihrem Gott
möglichst bequem zu machen, ein solches «Zei‐
chen» zu 
geben.
.Darf man es heute den Menschen nun übel‐
nehmen, wenn sie so scharf darauf aus sind, über
ihre und anderer Zukunft etwas vorauszuwissen?
‒ Auch Männer der Macht haben es ja nicht ver‐
schmäht, sich in Zeiten der Ungewißheit von recht
fragwürdigen Sibyllen die Zukunft verkünden zu
lassen. Warum sollten nicht «die Kleinen und Un‐
mündigen» gleichartige Regung verspüren, über
ihre Aussichten in der Zukunft ein Orakel zu ver‐
nehmen?! ‒
.So verstehe ich es denn auch nur zu gut, daß so
viele Leute glauben, 
wenn irgend einer, so
müsse doch 
ich haarklein wissen, wie sich die
Zukunft in engeren oder auch weiteren Bezirken
dieses kleinen Planeten gestalte.
.Ich muß aber diese armen Übergläubigen arg
enttäuschen, denn sie suchen 
nicht mich, son‐
dern irgend einen Scharlatan, der ihnen mit großer
Gebärde Dinge erzählt, von denen noch keiner
wirklich wußte oder wissen konnte, auch wenn er
der ihm vertrauenden Menge für einen todsicheren
Propheten galt.
.Himmelhoch über der hier angedeuteten Bauern‐
fängerei stehen natürlich die geschickten 
Arti‐
sten, die sich 
die Rolle des Hellsehers aus‐
erlesen haben, weil sie in ihr am wirkungsvollsten
die gewagtesten Stücklein ihrer Kunst zum besten
geben können.
.Als ich eines Abends mit einem der bewunde‐
rungswürdigsten und geschicktesten Künstler die‐
ser Art nach seiner von mir mit wahrhaft kind‐
licher Begeisterung und Freude genossenen Vor‐
stellung beisammen saß, wollte mir der Gute nun
alle seine «Tricks» aufs deutlichste erklären, und
 
war sehr verwundert, weil ich ihn schon zu Anfang
bat, mich in Unkenntnis zu lassen, da ich die
Freude am Unerklärlichen höher schätze, als das
Wissen darum, «wie es gemacht wird».
.Ich habe allerdings Produktionen indischer,
arabischer, kalmückischer, kirgisischer und india‐
nischer 
religiöser Zauberer gesehen, die sie
nur für mich allein, und unter allen, von mir ge‐
wünschten, strengen Kontrollen ausführten, wo‐
nach ich sehr ernst geworden war, so daß mir alle
Begeisterung, die ich für artistische Kunststücke
immer übrig habe, in der Kehle stecken blieb...
Alles das war mir zuzeiten unverlangt über den
Weg gelaufen. Ich weiß aber dadurch einiger‐
maßen zu 
unterscheiden!
.Was nun die Voraussicht zukünftigen Ge‐
schehens anlangt, so ist der Erdenmensch aus seiner
rein 
tierischen Organisation heraus derart ver‐
anlagt, daß wir allesamt ein sehr weitreichendes,
sicheres Vorgefühl der Zukunft haben könnten,
hätten unsere noch ganz aus der Tierheit leben‐
den, körperlichen Vorahnen vor Hunderttausen‐
den von Jahren, die nötige Übung ihrer Fähig‐
keiten nicht aufgegeben, als sie die ihnen um so
viel gesicherter erscheinende Möglichkeit an sich
entdeckten, das Zukünftige 
durch gedank‐
liche Folgerungen zu erschließen.
.Hierher gehört der Mythos vom «Paradiese», den
alle frühgeschichtliche Menschheit kennt!
.In einzelnen Menschennaturen, die noch bis zu
hohem Grade unter der Herrschaft der 
Tier‐
seele stehen, finden sich aber unter allen Rassen
zuweilen 
Rudimente ‒ Überbleibsel ‒ der
Organe erhalten, die vormals den Urzeitmenschen
«voraussichtig» gemacht hatten, und so 
kann es
wohl geschehen, daß irgendeine Großstadtpythia
ebenso gelegentlich Dinge vorausahnen kann, wie
ein weissagender Priester irgendeines exotischen
Kultes, oder auch nur ein gerissener Gaukler, der
seine ‒ keineswegs beherrschte! ‒ Fähigkeit da‐
zu nützt, das Geld Anderer in seine eigene Tasche
überzuleiten.
.Die 
Eitelkeit, die der Erdenmensch ja be‐
kanntlich mit seinen irdischen Mit-
Tieren teilt,
sorgt dafür, daß jede solche Weissagung zu einer
mehr oder minder geschickten Kombination wird,
in der sich das bestenfalls dunkel Erahnte durch‐
flochten findet von allerlei Mutmaßungen, wie sie
das Gehirn des Wahrsagers im gegebenen Fall
spontan produziert, und von recht simplen ver‐
standesmäßigen Schlüssen, die ihm von den auf
ihre Zukunft Neugierigen geradezu aufgedrängt
werden.
.Wer sich zum Wahrsager begibt, begibt sich
immer in Gefahr!
.Ich muß raten, 
diese Gefahr zu 
meiden,
denn aus ihr geht weder eine Festigung des Cha‐
rakters hervor, noch ist sie Bedingnis menschen‐
fördernder Tat! Wer in jedem Augenblick so han‐
delt, wie es ihm sein von jeder Fremdsuggestion
sorglich gereinigtes 
Gewissen empfiehlt, der
kann wahrhaftig 
jeglicher Zukunft 
unbe‐
sorgt entgegensehen.
.Zum Schluß will ich aber denn doch auch noch
Denen danken, die weder zu fragen kamen, noch
ihren Sorgen Ausdruck schaffen wollten, sondern
sich nur veranlaßt sahen, mir ein paar herzliche,
liebeerfüllte Worte zu sagen, weil ihnen längst das
Leben in der ewigen 
geistigen Seele, wie es
meine Schriften lehren, zur klaren Bestätigung der
Lehre Jesu wurde: ‒ daß der Mensch nicht lebt
«vom Brot allein», sondern «von jedem Wort, das
aus dem Munde Gottes kommt».
.Der «Mund Gottes» auf dieser Erde aber war
noch immer 
eines Menschen Mund, so, wie
auch der «Satan», dem der tief symbolische Bericht
das hier herangezogene Weisheitswort durch den
jungen Meister zu hören gibt, zu Erdenmenschen
noch niemals anders zu sprechen wußte, als durch
Menschenmund, ‒ es sei denn, er habe den
Menschen, zu dem er sprechen wollte, bereits
«besessen»...
.Es ist mir natürlich beglückend zu wissen, daß
es in allen Teilen der Welt so viele Menschen gibt,
die meine, in andere Sprachen nur recht schwer
zu übersetzenden Bücher, in der deutschen Ur‐
sprache zu lesen vermögen, auch wenn diese, vielen
Lesern von Hause aus recht fernliegende Sprache
mitunter, ‒ und besonders in meiner Gestaltungs‐
form, ‒ respektable Schwierigkeiten macht.
.Es ist jedoch eine rein verlagstechnische Angele‐
genheit, und ganz von mir unabhängig, ob sich alle 
die Wünsche der in fernen Erdteilen lebenden,
durch die gemeinsame Muttersprache mir ver‐
bundenen geistigen Schüler erfüllen lassen wer‐
den, daß ‒ wenigstens bestmögliche ‒ Übersetzun‐
gen meiner geistigen Lehrbücher in zum Teil sehr
entlegene Sprachen erfolgen möchten, weil die
erwähnten Schüler bei den der deutschen Spra‐
che nicht mächtigen Freunden in ihren Gastlän‐
dern Interesse für die von mir dargebotenen Leh‐
ren vermuten, oder bei gesprächsweiser Erörte‐
rung wahrgenommen haben.
.Ich muß der Lenkung 
ewigen Geistes, der alle
Auswirkung der durch mich geprägten Wortfor‐
mulierungen anvertraut ist, auch darin vertrauen,
daß sie jede nötige Übersetzung herbeiführen wird,
wenn sie den psychologischen Moment dafür ge‐
kommen weiß. Immer wieder aber muß ich dabei
in Erinnerung rufen, daß ein 
erschöpfendes
 
Eindringen in den Inhalt meiner, den Weg zum
ewigen Geiste weisenden Bücher nur dem möglich
wird, der sie 
in der Ursprache lesen kann,
auch wenn er das Deutsche dazu erst erlernen
müßte.
.Übersetzungen können nur Behelfe sein, um all‐
mählich auch aus dem Geist einer andern Sprache
heraus verstehen zu lernen, was ich in meiner
Muttersprache geformt habe!
.Allerletzt auch noch ein Wort über «
geistige
Hilfe»! ‒
.Es scheinen mir da reichlich phantastische
Begriffe umzugehen, ‒ genährt durch allerlei vor
fünfzig und mehr Jahren in Amerika modern
gewesene okkultistische Vulgärliteratur, die nun
endlich auch im alten Europa 
(durchaus nicht nur
in Deutschland) sich eingenistet hat.
.Was 
da alles «geistige Hilfe» genannt wird, hat
allerdings mit der aus dem 
ewigen Geiste ge‐
sandten 
über-«irdischen» Stärkung und Be‐
freiung der 
geistewigen Seele 
nicht das
allergeringste zu tun, von der 
allein die
Rede ist, wo immer ich über geistiges Hilfeleisten
zu sprechen habe.
.Wirkliche «geistige» Hilfe ist keine zuge‐
sandte «Gedankenkraft», keine mysteriöse Wir‐
kung irgend eines Gebetsmechanismus, keine Fern‐
hypnose, und keine Teufelsvertreibung durch kräf‐
tiglichen Höllenzwang, sondern ein Geschehen 
in
den Welten der Ursachen: ‒ ein Vor‐
gang, der nur dem verständlich ist, der ihn selber
herbeizuführen vermag.
.Alles was da geschieht, erfolgt ohne jedes äußere
Zutun, ‒ ja selbst ohne jegliche Mithilfe des
Denkens, ‒ in den Regionen des reinen 
ewigen,
von jeder Gehirnbetätigung absolut unabhängigen
göttlichen Geistes, ‒ verlangt aber von jedem noch
irdisch-tiermenschlicher Erscheinung Eingebore‐
nen, der das hier Nötige zu bewirken vermag, in
jedem Einzelfall äußerst heftige Erschütterungen
der irdischen Lebenskräfte, die zuweilen nur sehr
schwer zu regenerieren sind.
.Das 
Wissen um die erdverhaftete, geistige
Seele, der solche Hilfe gerade besonders 
nötig
ist, übt nur die Aufgabe eines Richtungsweisers
aus. Mit einem Vergleichsbild aus einem heute fast
aller Welt vertrauten Spezialgebiet der Elektro‐
technik könnte man auch sagen: ‒ das Wissen
um die hilfsbedürfende Seele dient nur dazu, die
 
richtige, ‒ hier 
geistige, ‒ «Welle» einzu‐
schalten.
.Der tierhafte Erdenkörper des Helfenden hat
hingegen etwa die Aufgabe einer mit unvorstell‐
baren «Hochspannungen» arbeitenden «Sendesta‐
tion».
.Symbol eines solchen nie versagenden und sich
stets wieder regenerierenden «Senders» ist der
starkbeleibte Buddha 
Chinas und 
Japans,
während die 
indischen Buddha-Darstellungen
fast ausnahmslos nur den auf seine Selbsterlösung
und geistige Erfreuung bedachten Erleuchteten
zeigen. ‒ ‒
.Damit möge nun meine zusammenfassende Ant‐
wort auf die mir zugekommenen Briefe beendet
sein. Ich glaube, daß jede Urheberin und jeder
Urheber den eigenen Brief in der ihm zugedach‐
ten Antwort wiedererkennen dürfte, finde mich
aber daneben zu der Annahme veranlaßt, daß
das, was ich zu antworten habe, auch für manchen
Leser Bedeutung gewinnen kann, der nicht an
mich geschrieben hat.
Anm.: Entspricht der 2.Auflage. "+" kennzeichnet e. Link zum Originalscan
WAS ich hier sagen werde, will in gleichem
Sinne verstanden sein, wie der an dieser
Stelle durchgeführte Versuch «Allen Antwort» zu‐
kommen zu lassen, die auf Grund einer vorherge‐
henden Nummer dieser Zeitschrift an mich ge‐
schrieben haben.
.Selbstverständliches sollte man ja nicht erst sa‐
gen müssen, aber die Briefe auf die ich mich hier
beziehen muß, zeigen mir mit bemühender Deut‐
lichkeit, daß doch recht vielen Leuten das 
an sich
Selbstverständliche leider noch wenig zu Bewußt‐
sein kam, was mir allerdings schon die Erfahrung
von über zwei Jahrzehnten öffentlichen Wirkens
reichlich bestätigt hat.
.Da sind vielleicht in erster Linie jene Allzunai‐
ven zu nennen, die es 
ihrerseits ohneweiteres für
ganz selbstverständlich halten, daß mir eine Art
«biblischer» Anrede gebühre, wie sie z. B. die eng‐
lische Sprache nur 
Gott gegenüber kennt, wie sie
aber daneben auch im Deutschen nur 
unter näch- 
+
sten Verwandten und Freunden üblich ist, wenn wir
hier von ihrem Gebrauch in bäuerlichen Gegen‐
den oder in Kaserne und Schützengraben abse‐
hen wollen, weil dort 
örtliche Verbundenheit die
Anrede in der zweiten Person fast zwangsläufig
herbeiführt.
.Gewiß weiß ich, 
was bei manchen, die mich nicht
auf die bürgerlich allgemein gebräuchliche Weise
anreden zu können glauben, letzte Ursache ihrer
Unsicherheit ist.
.Aber ich sehe gar keinen Grund gegeben, Sitte
und allgemein überkommenen guten Verkehrs‐
ton beiseite zu lassen, nur, weil man mit einem
Menschen spricht, der seiner selbst 
im lebendigen
ewigen Geiste bewußt ist, und aus seinem ihm zu‐
teilgewordenen 
Ur-
Teil heraus das seinen Mit‐
menschen Heilsame aufzuzeigen sucht. Zur Be‐
ruhigung mancher Überempfindsamen und
leicht Verletzlichen will ich hier die Tatsache er‐
wähnen, daß selbst zwischen den mir auf die gei‐
stig geheimnisvollste Weise vereinten Männern
gleichen geistigen Lebens und mir, niemals eine
Anredeform, die unserem deutschen «Du» ent‐
spräche, angängig wäre. Auch habe ich diese An‐
redeform gerade den mir am allernächsten ste‐
henden Freunden gegenüber ‒ von wenigen frü‐
heren Ausnahmen abgesehen ‒ bis auf den heuti‐
gen Tag vermieden, obwohl es sich da zum Teil
um Jugendfreunde handelt.
.Jenen merkwürdigen Zeitgenossen aber, die
sichtlich ihr «gutes Recht» darin sehen, jede weise
Konvention beiseite zu schieben, wenn sie nicht in
ihre überspannten Vorstellungsreihen paßt, muß
ich zu bedenken geben, daß ich unmöglich 
im ewi‐
gen Geiste zu leben vermöchte, wenn mir sein ge‐
setzgebundener Ausdruck in irdischer 
Form je‐
mals gleichgültig sein könnte.
 
.Wer die 
Form geringschätzen zu dürfen glaubt,
ist noch himmelweit von dem Wege entfernt, auf
dem er dereinst ‒ sei es im nachirdischen oder gar
schon im gegenwärtigen Leben ‒ in den 
Geist ge‐
langen könnte! Auch wenn der vermeintlich über
die Form Erhabene alle meine Schriften Satz für
Satz auswendig weiß und sich gerne meiner
Sprachweise zu bedienen pflegt.
Eine andere Selbstverständlichkeit, die ich nun
nachdrücklichst betonen muß, betrifft mein Ver‐
hältnis zu der hier vorliegenden Zeitschrift.
.Obwohl Herausgeber und Schriftleiter in jeder
Nummer genannt sind, scheint es doch nicht gar
wenige Leser zu geben, die 
mir eine Verantwor- 
+
tung für den Inhalt der Hefte aufbürden möch‐
ten.
.Hier habe ich ein für allemal zu sagen, daß mir
nicht der geringste Einfluß auf den Inhalt der
«Säule» 
zusteht und daß ich weit davon entfernt
bin, solchen Einfluß zu 
erstreben!
.Was in dieser Zeitschrift je zu lesen war, gegen‐
wärtig zu lesen ist, oder in Zukunft zu lesen sein
wird, ist strengstens abgegrenzt, 
nur insoweit meine
Meinung, als es sich um 
von mir mit Namen gezeich‐
nete Erörterungen handelt. 
Alles Übrige ‒ auch
wenn mein Name darin genannt werden mag,
auch wenn man sich ausdrücklich auf mich beru‐
fen zu dürfen glaubt oder Stellen aus meinen Bü‐
chern zitiert und sonstwie mitverwendet ‒ er‐
scheint lediglich unter persönlicher Verantwort‐
lichkeit der Verfasser und stellt 
deren eigene per‐
sönliche Meinung oder Auffassung dar.
.Ich kann da unmöglich das Amt eines Zensors
übernehmen, das mir von manchen Seiten so
dringlich nahegelegt wird, die sich besser und
richtiger an 
Verlag und 
Schriftleitung wenden soll‐
ten, wenn sie da und dort mit Beiträgen, die mei‐
ner Berichtigung keinesfalls unterliegen, nicht
einverstanden sind. Weder ist es meine Aufgabe,
noch meine Absicht, die mir zugemutete öffent‐
liche Kritik an den Ausführungen der einzelnen
Verfasser aufzunehmen. Ich bitte vielmehr die
Leser der «Säule», überzeugt zu sein, daß jeder
Mitarbeiter, der hier zu Worte kommt, nur 
aus
lauterster Gesinnung und 
ehrlichem Helferwillen
 
 
spricht, auch wenn zuweilen einer selbst nicht be‐
merken mag, daß seine Auffassung Folgerungen
zuläßt, die den von mir vertretenen Lehren fremd
sind und fremd bleiben müssen. Man sollte in
solchen Fällen zum mindesten doch die Ehrlich‐
keit in der Meinungsäußerung 
achten, auch wenn
man glaubt, daß ich 
nicht alles zu billigen ver‐
möge!
.Es wäre aber auch durchaus irrig, ein etwaiges
längeres Ausbleiben von Beiträgen aus meiner Fe‐
der im Sinne einer abfälligen Kritik auszudeuten.
.Was 
ich in diesen Heften darlege, ist immer
durch besondere, mir in direkter Linie berüh‐
rungsnahe gekommene Anlässe bedingt, und ge‐
langt hier zur Aussprache, weil das, was ich auf
solche Art jeweils zu sagen habe, von vielen hier
gesucht wird. Spreche ich mich über irgendwelche
Dinge, über die man vielleicht gerne meine Mei‐
nung hören möchte, aber 
nicht aus, so darf man
überzeugt sein, daß ich meine guten Gründe da‐
für habe. Es gibt Dinge über die so viel gespro‐
chen wird, daß es diesen Dingen wohltut, wenn
+
auch einmal, von längst genau präzisierter Stelle
her, darüber 
geschwiegen wird. Es gibt weiterhin
Dinge für die mir heute noch lange nicht die Zeit
gekommen ist, darüber zu reden. Und schließlich
gibt es auch Dinge über die zu sprechen ich mich
in keiner Weise berechtigt sehe, da sie weit außer‐
halb meiner, mir Gewißheit bietenden Erlebnis‐
bezirke liegen und mit dem, was ich dem Erden‐
menschen als 
ewiges Erleben vorbehalten weiß,
nicht in der mindesten Beziehung stehen.
.Ebenso kann ich aber auch nicht jede 
Mißdeu‐
tung meiner Lehrworte aufklären, sondern muß
es denen, die ihre eigene Meinung in meine Texte
hineininterpretieren, in aller Geduld überlassen,
selbst ihrer Irrtümer gewahr zu werden.
.Jeder muß 
für sich selber einstehen!
.Ich kann keinem seine eigene Verantwortung
abnehmen, und diese Verantwortung wächst ins
Unermeßliche durch jedes Wort, was 
vor der Öf‐
fentlichkeit ausgesprochen wird, ‒ mag diese Öf‐
fentlichkeit auch engste Grenzen aufweisen.
.Jedes öffentlich ausgesprochene Wort ist ein
Saatkorn aus dem eine mehr oder minder reiche
Ernte gleicher Art heranreift, und für diese Ernte
hat allein 
der Mensch vor der Ewigkeit einzuste‐
hen, der das 
Saatkorn ausgeworfen hatte.
Nachdem ich nunmehr über volle zwanzig Jahre
durch das geschriebene Wort Seelen zum Lichte
der Ewigkeit zu leiten trachte, weiß ich leider
auch aus vieler Erfahrung, wie 
wenig selbstver‐
ständlich es den meisten Menschen ist, das 
an sich
Selbstverständliche zu erfassen und danach zu
handeln.
.Was den Einzelnen in meinen Büchern 
wirklich
angeht, nimmt sich nur recht selten einer zu Her‐
zen. Wohl aber bezieht dieser und jener nur allzu‐
gerne auf 
sich, was ihm 
gänzlich unzugänglich ist
und bleiben wird, und was nur durch mich be‐
schrieben werden wollte, damit auch der Außen‐
stehende, dem die Voraussetzungen zu solchem
Erleben fehlen, dennoch begreifen lerne, wie das
ihn selbst zu Tat und Wirken Aufrufende, 
im ewigen
Geiste verankert ist.
.Und selbst in dem, sie wirklich aufs dringlichste
und nächste 
Angehenden suchen sich die Wenigen,
die danach fragen, noch immer lieber nur das ih‐
nen besonders Zusagende und Genehme aus,
während sie alles, was ihrer lieben Eitelkeit kleine
Beschwerden macht, nur für «Andere» niederge‐
schrieben glauben.
.Es gibt auch zu denken, daß ich auf meine Auf‐
forderung hin, außer den mir wirklich erwünsch- 
+
ten Briefen geliebter, mir bekannter Schüler, fast
nur von einer Anzahl schlichter Leute aus dem
Handwerk und der Landwirtschaft verbundenen
Berufen Briefe erhielt, an denen ich mich wirk‐
lich 
freuen konnte. ‒ Auch fand ich bei einigen die‐
ser sich mir Anvertrauenden bereits ein echtes
geistiges Erleben, wie man es vergeblich bei jenen
suchen würde, die sich möglichst deutlich als gei‐
stig besonders Begnadete einzuführen trachten
und nicht ahnen, daß sie sich mit jeder Silbe selbst
richten, da ihnen jegliches 
Zeichen des ewigen Gei‐
stes fehlt, der die Seinen allerdings 
wesentlich an‐
ders bestätigt, als jene phantastischen, von geist‐
licher Großmannssucht Überwältigten meinen. ‒
 
.Als durchaus 
nicht selbstverständlich empfinde
ich jedoch eine gewisse 
Wehleidigkeit und 
Selbst‐
bemitleidung, die manchen der an mich gelangten
Zuschriften ein kurioses Gespräge gibt. Men‐
schen, die meine Lehren kennen, sollten denn
doch wahrhaftig wissen, daß eine wirkliche 
geistige
Erneuerung ‒ wo immer in der Welt sie erstrebt
werden mag ‒ nur dann erreichbar ist, wenn
vordem das, was im Menschen rein 
tierisch bedingt
ist, 
sich selber beherrschen lernte! Das ist 
Vorausset‐
zung!
.Ohne 
diese Selbstverständlichkeit erfüllt zu ha‐
ben, ist noch 
kein einziger Erdenmensch in Wahr‐
heit seiner 
ewigen Geistesnatur bewußt geworden,
auch wenn er um alles wußte, was 
wirklich im ewi‐
gen Gottesgeist Lebendige aus dem geistigen Sein
zu künden hatten!
 
ES kann einem, der etwas von den geheimnis‐
vollen Schwingungen der Lautzeichen im Welt‐
äther weiß, nicht gleichgültig sein, ob in seinem
Namen ein «F» oder ein «Ph» vorkommt, auch
wenn das Doppelzeichen nicht anders ausgespro‐
chen wird, wie das einfache.
.Einiges von diesen Dingen wußte der in den
fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ver‐
storbene Stuttgarter Opernregisseur Krebs, weshalb
er sich denn auch «Kerning» nannte. Allerdings
tritt hier schon zutage, wie verschleiert sein dies‐
bezügliches Wissen war. Andernfalls hätte er nicht,
der Neigung seiner Zeit erliegend, sich den «spre‐
chenden» Namen «Kerning» gegeben, der zwar
eine Lautzeichenverbesserung gegenüber «KR»
und «BS» darstellt, aber zugleich doch besagen
wollte, daß der mystische Autor nicht den «Krebs‐
 
gang» gehe, sondern zum 
Kern der Dinge vor‐
dringe.
.Kernings leidige Neigung zu einer schrulligen
mystischen Romantik hat schon ihn selbst dazu
verleitet, seine wenigen Ahnungen in bezug auf
den Schwingungswert der Buchstaben zu wirren
Scheinerkenntnissen aufzubauschen.
.Seine freimaurerischen Schüler aber haben aus
dem, was er ihnen hinterlassen hatte, vollends eine
rein phantastische, jeder Wirklichkeitsbegründung
bare Lehre gemacht, deren Behauptungen und
gegebenenfalls zu erzielenden Folgen schon in das
Gebiet der Psychiatrie gehören, weshalb man nicht
genug vor der Lektüre solchen Schrifttums warnen
kann.
BRIEF
AN MEINE GEISTIGEN SCHÜLER
 
IHR hegt, wie aus so mancher, mir teuren Äuße‐
rung hervorgeht, voll Vertrauen den Wunsch,
daß ich noch möglichst lange bei Euch bleiben
möge ‒ hier in dieser uns alle umschließenden
Sichtbarkeit?
.Es ist Euch nicht einerlei, ob ich vollbringe, was
mir nur zu dieser Zeit meines 
erdenkörper‐
lichen Lebens geistig zu vollbringen möglich
wird, und Ihr wollt auch noch vernehmen, was ich
Euch in 
Zukunft noch zu 
sagen habe?
.Wenn dem so ist, dann muß ich Euch aber auch
darum bitten, mir die Vorbedingung schaffen zu
helfen, die zu alledem für mich unumgänglich
nötig ist.
Wären wir noch 
Urasiaten, und nicht die von
unserem Ursprungslande weit abgewanderten Be‐
wohner der kleinen, dem Kontinent Asien vor‐
 
geschobenen Halbinsel Europa, dann würde eine
jahrtausendealte und stets heiliggehaltene Tradi‐
tion Euch sagen, wie ein dem ewigen, substantiellen
Geistigen (
nicht etwa dem bloß 
Gedank‐
lichen!) zugewandter Mann, ‒ als was immer
er örtlich bezeichnet werden mag, ‒ vor äußeren
Störungen geschützt werden 
muß, um seinen,
allem Irdischen 
übergeordneten Verpflich‐
tungen leidlich nachkommen zu können.
.Und dabei handelt es sich innerhalb solcher Tra‐
dition nur um quasi «
subalterne» Zugelassene
in geistige Lebensbereiche, wenn nicht gar um
bloße Okkultisten, da die 
wirklich im ewigen
Geiste 
souveränen Menschen, soweit sie auch
gegenwärtig noch in asiatischen Bezirken leben,
weder 
persönlich, oder dem 
Namen nach,
noch 
indirekt durch ihre 
Lehre an die Öffent‐
lichkeit treten, weil sie das als 
abgrundtief
unter ihrer Würde liegend empfinden. Der
europäische Mensch ist ‒ in 
dieser Hin‐
sicht wenigstens ‒ weitaus bescheidener.
.Ich mache trotzdem keinen Hehl daraus, wie
meine Situation 
innerhalb des substan‐
tiellen, 
ewigkeitsbewußten Geistes
Gottes gelagert ist, aber meiner europäischen
menschlichen Erdenhaftigkeit entsprechend wider‐
strebt es mir, eine Rangstufe, wie sie mir zukommt,
zu 
betonen, weil mir jeder «Anspruch», der
erst «angemeldet» werden muß, von vornherein
lächerlich erscheint.
.Es ist auch nicht zu leugnen, daß in heutigen
Tagen innerhalb Europas weder Gefühl noch In‐
stinkt für die Distanz vorhanden sind, die einem,
dem 
Geistigen zugeteilten Menschen gegen‐
über in Betracht kommt.
.Der Europäer unserer Zeit ist allzusehr auf
geist-
ferne Gesichtspunkte eingestellt, und sein
Suchen vermittelt ihm bestenfalls nur 
solche
Einsichten, wie sie der Spannweite seines allzu‐
sicheren Blickes gerade noch zur Not sich er‐
öffnen können. Wie dürfte man von ihm 
mehr
erwarten, als 
er selbst von sich zu erwarten
vermag!
.Und dennoch weiß ich, daß auch der Europäer
zu der selbstverständlichen 
Höhe und 
Weit‐
räumigkeit asiatischer geistiger Einsicht ‒ wie
sie dort ist, wo sie wirklich 
besteht ‒ empor‐
wachsen kann, wenn er 
sich selbst nicht
versäumt, was allerdings die meisten Europäer
leider 
tun, und für die höchste Aufgabe ihres
Lebens zu halten scheinen.
.Man braucht aber 
niemals sich selbst zu
versäumen, ‒ nicht im denkbar aktivsten Leben,
noch im Ringen zwischen Leben und Tod, noch
im rauschendsten Lebensgenuß!
Es handelt sich also bei mir 
nicht um das Fern‐
halten äußerer Störungen, wie sie gewiß jeder
Gehirnarbeiter gerne von seiner Arbeitsstätte fern‐
gehalten sieht, damit er unbehindert in seinen
Gedankengängen sich ergehen kann.
.Solche Befreiung von äußerer Störung habe
ich noch 
niemals gebraucht!
.Auch inmitten einer tumultuösen Menschen‐
menge bin ich bei mir in der vollkommensten Ein‐
samkeit, und ich würde nichts verbessern, wollte
ich mich in eine weltabgeschiedene Einsiedelei
zurückziehen.
.Unerläßliche Vorbedingung für das wirksame
Einsetzen substantiell-geistiger Hilfe zugunsten
seiner Mitmenschen ist für den im ewigen Geiste
Lebendigen vielmehr, daß er unbedingt befreit
bleibt 
von Ansprüchen der äußeren
Konvention seiner Umwelt und seiner
Zeit, soweit diese Ansprüche das gleichzeitige
Verharren in der ununterbrochenen Bewegtheit
innerhalb des substantiellen ewigen Geistes un‐
möglich machen.
.Hierher gehört aller Äußerungszwang, dem nicht
anders entsprochen werden kann als durch zeit‐
weiliges 
Unterbrechen des dem Geistgeeinten
im ewigen substantiellen Geiste zugeteilten tätigen
Verhaltens.
.Religiöse Bildersprache weiß zu sagen, daß be‐
wußt im Geiste Lebendige ‒ mit welchen Namen
sie auch benannt, und wie immer sie vorgestellt
werden mögen ‒ unablässig «vor Gottes Thron»
ihr «Heilig, Heilig, Heilig» ertönen lassen, was
einigermaßen ästhetisch gerichteten Skeptikern
eher als Höllenstrafe erscheinen wollte, statt als
Bekundung ewiger Seligkeit. Aber in solcher bild‐
haften Lehre steckt nur die Wahrheit, daß das
bewußte Leben im ewigen Geiste ein unablässiges,
rhythmisch akzentuiertes 
Tun ist, und daß dieses
Tun die höchste Verherrlichung des ewigen Seins
darstellt, aber mit Hilfe irdischer Vergleiche nicht
zu umschreiben ist. Daß man dieses Tun als ein
Singen darzustellen suchte, ‒ wohl auch zu‐
weilen als 
Musizieren, ‒ zeigt immerhin deut‐
lich, daß solche gleichnishafte Rede von Menschen
stammt, die wahrhaftig aus dem ewigen Geiste
sprachen...
.Nun darf man nicht außeracht lassen, daß bei
einem im ewigen, substantiellen Geiste bewußt
Lebendigen der gleichzeitig noch als Mensch der
Erde lebt, eine den Marconi-Wellen vergleichbare
Verbindung beider Lebensbezirke besteht, deren
Aufnahmeapparatur im irdischen Körper der 
ge‐
samte Nervenkomplex dieses Körpers ist.
.Infolgedessen ist eine 
Störung dieser Verbin‐
dung auch dem 
ganzen irdischen Körper auf das
empfindlichste 
fühlbar, ja ein 
unvermute‐
tes plötzliches Losreißen kann auf der Stelle den
Tod des Körpers bewirken.
Während nun aber selbst der intensivste Gebrauch
aller körperlichen Sinnesorgane 
keinerlei Stö‐
rung der aufgezeigten schwingungsartigen Verbin‐
dung zu bewirken braucht (unter gewissen Um‐
ständen 
kann er sie jedoch bewirken ‒) wird
diese Verbindung sofort auf das empfindlichste
gestört, wenn sich das Gehirn gezwungen findet,
sprachliche Formulierungen für Ge‐
danken zu gestalten, die nur 
dem irdischen
Dasein zugehören. Das tritt im 
stärksten
Maße ein, wenn der im substantiellen Geiste voll‐
bewußt Lebende die irdische Aufgabe übernommen
hat, seinen Mitmenschen 
Lehre aus dem Leben
des ewigen Geistes zu vermitteln, wozu er sein
Gehirn in strenger Zügelung erziehen mußte, auf
direkte Ansprache aus dem ewigen Geiste sofort
und präzis zu reagieren. ‒ Meine Schüler werden
verstehen, daß ein solcherart auf eine ganz einzig‐
artige Reaktionsweise hin geschultes und abge‐
stimmtes Gehirn anderen Gefahren ausgesetzt ist,
als das Gehirn des Normalmenschen, der nichts
von den Möglichkeiten auch nur 
ahnt, die hier
in Betracht kommen und stets aktuell sind.
.Wenn in orientalischen Religionen der wirklich
oder auch nur vermeintlich aus dem Geiste Leh‐
rende stets von einem hierarchisch abgestuften
Hofstaat, wie von einem System hintereinander
aufgestellter Palisadenzäune umgeben war, damit
ihm nur ja nichts nahen konnte, was für seine
Verbindung mit seinem gleichzeitig bestehenden
wirklichen, ‒ oder auch nur gläubig zugeschrie‐
benen ‒ Leben im ewigen Geiste 
Störung
hätte bedeuten müssen, so war das nur folgerich‐
tige Auswirkung des allgemeinen Wissens um die
oben geschilderten Zusammenhänge des Geistigen
und Irdischen innerhalb einer entsprechend ge‐
arteten menschlichen Individualität. Was heute
noch an Spuren solcher Umzäunungen eines mit
mystischem Nimbus umglaubten Menschen da und
dort übrigblieb und weiter erhalten wird, ist es
nicht minder.
Nach alledem wird man nun vielleicht doch zu
einigem Verständnis dafür kommen, daß mir, der
ich niemals «ein fauler Briefschreiber» war, heute
jede Nötigung, einen Brief zu schreiben, zur Qual
geworden ist. Mag auch der Adressat mir überaus
nahestehen! Mag auch das, was brieflich zu be‐
handeln ist, mich im Tiefsten ergreifen!
.Das ist für einen verbundenheitsfreudigen Men‐
schen, dem jeder, der ihm jemals seelisch wirklich
nahe kam, nun auch immerdar gegenwärtig bleibt,
recht schwer erträglich, und es fehlt ja auch wahr‐
haftig nicht an immer aufs neue wiederholten Ver‐
suchen meinerseits, «wider den Stachel zu löcken»,
und trotz aller geistnaturgegebenen Verbote, oft
lang schon versäumte Korrespondenz wieder auf‐
zunehmen. Zum Teil auch aus ganz egoistischen
Gründen, denn es gibt recht viele, mir geistig
nahestehende Menschen, nach deren Briefen ich
mich geradezu «sehne», so daß mir im irdischen
Leben vieles fehlt, wenn Nachricht von ihnen zu
lange ausbleibt. Ich kann aber niemand zumuten,
mir in kontinuierlicher Aufeinanderfolge zu
schreiben, wenn meine Antwortbriefe, die viel‐
leicht nicht minder erwartet werden, immerfort
ausbleiben, ‒ mögen die Gründe dafür auch gegen
jede Verdächtigung in Hinsicht auf «Schreibfaul‐
heit» vor allen Einsichtigen geschützt sein.
.Ernsthaft beunruhigend aber kann mich das
Ausbleiben von brieflicher Nachricht berühren,
wenn ich aus irgend einem Grunde zu der An‐
nahme berechtigt bin, daß ich vielleicht geistig zu
helfen vermöchte, wäre mir nur die derzeitige
Situation des Freundes offenbar.
.Aus solchen Empfindungen heraus spricht mein
im Heft 4, 1933 der «Säule» dargebrachtes Ge‐
dicht: «Geistige Verbundenheit». Es war an die
Allernächsten, der mir persönlich oder auf eine
außergewöhnliche Weise auch nur brieflich be‐
kannten Freunde und geistigen Schüler gerichtet,
weil mir nur deren persönliche seelische und
äußere Verhältnisse vorläufig hinreichend vertraut
sind, daß ich sie, um des Einsatzes geistiger Hilfe
willen, genügend zu beurteilen vermag. Fataler‐
weise hat mir zwar dieses Gedicht eine Flut von
Zuschriften gebracht, die nur in Bewegung gesetzt
wurde durch die irrige Meinung, es mangele mir
an Gelegenheit zur Korrespondenz. ‒ Aber von
diesen wenig erfreulichen Bekundungen anmaß‐
licher, zum Teil schon kaum noch erträglicher, für
alles mögliche, Zauberhilfe heischenden Überheb‐
lichkeit weit abgesehen, haben auch andere bis da‐
hin mir noch nicht bekannte Menschen sich auf‐
gefordert gefühlt, mir zu schreiben, deren brief‐
liche Bekanntschaft gemacht zu haben, ich gewiß
niemals unterschätzen werde. Hochgebildete, gei‐
stig Schaffende, aber auch ganz einfache Leute
sind dabei, und manche wissen mir Wundersames
aus ihrem inneren Leben zu berichten, ohne viel
daraus zu machen, obwohl sie nicht verbergen
können, daß der Atem ewigen Geistes sie berührte,
ohne daß sie es, im kirchlich anerzogenen «Bewußt‐
sein» ihrer vermeintlichen Sündhaftigkeit, für
wahr halten wollten.
.Jedem einzelnen, dieser mir mit dem Siegel des
Geistes neu Nahegetretenen möchte ich eine recht
persönliche Antwort schreiben, und sie wurde in
Gedanken schon geschrieben, als ich seinen Brief
las.
.Wenn aber die hier gemeinten ‒ Frauen wie
Männer ‒ mit der ihnen sichtlich gegebenen Ein‐
fühlungsfähigkeit nun die mir wirklich nicht leicht
gefallenen Darstellungen der mein Erdenleben um‐
fangenden Sonderbedingnisse empfindend sich klar
gemacht haben werden, dürften sie gewiß auch ver‐
stehen, daß ihre vertrauend gegebenen Worte gut
bei mir verwahrt bleiben, auch wenn ich nicht
darauf brieflich zu antworten vermag.
.Ich werde auch weiterhin versuchen, auf die mir
zukommenden Briefe auf ähnliche Weise wie hier,
in der «
Säule» zu antworten, bedacht darauf,
daß möglichst 
vielen Lesern, mit solcher Ge‐
meinsamkeitsantwort Aufschluß und Klärung zu‐
kommt.
.In 
dieser Weise vermag ich zu antworten,
ohne mein Wirken im ewigen Geiste unterbrechen
zu müssen, was bei 
persönlichen Briefen an
Einzelne 
ganz unvermeidlich wäre, und zu‐
 
letzt fraglos zur Zerstörung meines irdisch gege‐
benen Daseins führen müßte, das Ihr alle, geliebte
Freunde, noch so lange als erdbedingt möglich, er‐
halten sehen wollt, ‒ zugleich aber dem Wider‐
sprechendes von mir erwartend...
.Mir selbst, der ich mich 
niemals in meinem
Erdenleben zu «
schonen» suchte, vielmehr von
den Tagen meiner Kindheit an die Gefahr verwege‐
nerweise aufsuchte, wo sie am größten war, ist
irgendwelche Besorgnis in bezug auf Erhaltung
meines irdischen Lebens wirklich von Hause aus
fremd, und mein bewußtes, taterfülltes Leben im
ewigen substantiellen Geiste rückte jeden derarti‐
gen Gedanken womöglich noch ferner. Wenn ich
dennoch Euren mir zugedachten Wünschen meine
Mitwirkung zusagen muß, so geschieht dies, weil
ich vom Geiste her weiß, was noch auf Erden für
mich zu tun ist, da es nach meinem Tode in vielen
Jahrhunderten keinen Menschen innerhalb der
Westwelt geben wird, der Eignung in sich zu tragen
vermöchte, es vollbringen zu können, aus den
Kulturkreisen des Morgenlandes aber 
niemals
mehr einer dem Abendlande erfahrbar werden
wird.
BRIEF
AN MEINE GEISTIGEN SCHÜLER
 
WENN ich die beiden Jahrzehnte meines Leh‐
rens aus der Wirklichkeit ewigen göttlichen
Geistes überblicke, sehe ich eine Auswirkung der
durch mich verkündeten Lehren vor mir, die vom
Blickpunkt des lichten heiligen Geistes Gottes her
als ein leuchtendes Feuer unvergänglicher Freude
erscheint, ‒ in erdenmenschlichem Erfühlen er‐
lebt aber zur umfassendsten Dankbarkeit gegenüber
Denen nötigt, die mir echte geistige Schüler ge‐
worden sind.
.Niemals hätte ich vordem erwartet, daß mein
helfendes Lehren so viel Entgegenstreben aus dem
Innersten, so viel warme, fühlende, wollende Auf‐
nahme bei meinen Mitmenschen vorfinden: ‒ daß
es so vielem lebendig durchglühten seelischen
Suchen begegnen würde.
.Ich kann nur immer wieder 
danken für die
Bereitwilligkeit, den durch mich empfangenen
 
Anweisungen nachzuleben, und wollend dem ge‐
zeigten Ziele zuzustreben!
.Dennoch aber begegne ich neben allem seelisch
wurzelstarken Wollen immer wieder auch einer
Art Sehnsucht 
nach zauberhaftem Ge‐
schehen, die durch mich endlich ihrer Erfül‐
lung gewiß zu werden vermeint, ‒ die ich aber
nur herbster 
Ent-
Täuschung zuführen muß.
Wer dieses Herausreißen aus einer wohligen Täu‐
schung nicht verträgt, der hat in meiner geistigen
Nähe nichts zu suchen!
.Was ich im Nachfolgenden sage, setzt daher eine
wesentlich 
andere Seelenhaltung voraus. Ich
rede hier nur zu Menschen, die ein inneres 
Recht
haben, sich als meine geistigen Schüler zu fühlen,
auch wenn sie noch zuweilen erdmenschlichen Nei‐
gungen zu weit nachgeben, oder in Gefahr geraten
können, Irrtümern nachzuhängen, die ganz gewiß
nicht durch mich genährt werden, aber seit alter
Zeit durch törichten Aberglauben heftig in Kraft
sind.
.Allem anderen voraus denke ich hier an die bei‐
nahe nicht auszurottende Sucht, die ewige Wirk‐
lichkeit, wie sie 
im göttlichen substantiel‐
len Geiste allein durch Vermittlung der
Seele zu empfinden ist, auf irdisch-physische ‒ ja
physikalische ‒ Weise erleben zu wollen.
.Selbst dort, wo man einiger Einsicht wahrlich
gewiß sein sollte, spukt der Wahn, es müsse mög‐
lich sein, das polar Entgegengesetzte in 
gleichem
Polstand erfahren zu können: ‒ also das absolut
Positive als ein ausgeprägt Negatives wahrzu‐
nehmen.
.Ursache dieser Ahnungslosigkeit gegenüber dem
allein Möglichen ist die Überwucherung des
Vorstellungsbereiches durch Vorstellungen die
lediglich Produkte der physischen Sinne darstellen,
‒ und die solcherweise verlorene Fähigkeit, sub‐
stantiell Göttlich-Geistiges ‒ das 
niemals phy‐
sisch-sinnlich zu erreichen ist, wenn es auch im
Physisch-Sinnlichen sich darzustellen vermag ‒
als Vorstellung dem bewußten Erleben nahezu‐
bringen.
.Wir können aber weder in der physisch-sinn‐
lichen noch in der substantiellen göttlich geistigen
Welt irgend eine Erfahrung richtig deuten, wenn
wir nicht fähig sind, dem zu Erfahrenden das ihm
gemäße Bild 
vor-zustellen. ‒
 
.All unser Erkennen ist ein 
Vergleichen des
schon 
Erfahrenen, oder noch als Erfahrung
Gesuchten, mit dem von uns 
vor der Erfah‐
rung vorgestellten 
Bilde. Nur in diesem 
Ver‐
gleich erfahren wir, was an unserer Vorstellung
der Wirklichkeit entsprach und was nicht. Nur
durch 
solches Erfahren werden wir der Wirk‐
lichkeit endlich 
gewiß!
.Ist aber unser Vermögen, auch substantielles
Göttlich-Geistiges vorstellen zu können, durch die
Gewohnheit, nur 
physisch-
sinnlich Erweisbares
vorzustellen, allmählich 
kraftlos geworden, so
werden wir des substantiellen Göttlich-Geistigen,
das uns erlebensnahe kommt, nicht einmal 
ge‐
wahr, und unmöglich wird uns seine Erfahrung
und Deutung werden.
.Es handelt sich also darum, die Fähigkeit: das
ewige substantielle Göttlich-Geistige vorstellen zu
können, aus aller Ueberwucherung herauszuholen
und zu neuem Leben zu erwecken. Fast in jedem
meiner Verkündungsbücher nimmt diese Befreiung
und Erweckung darum beinahe mehr Wortgestal‐
tung für sich in Anspruch als die Verkündung der
Wirklichkeit substantiellen ewigen Lebens selbst,
und ich hätte mir mein Werk wesentlich verein‐
 
fachen können, wenn der ewige göttliche Geist
auch 
ohne vorgängige Vorstellung: ‒ etwa durch
bloße Selbstversenkung oder durch Anbetung des
Unerkennbaren, ‒ der Erfahrung zugänglich wer‐
den könnte. ‒
.Nicht von ungefähr findet der Schüler in meinen
Büchern jede nur mögliche 
Sonderart der Vor‐
stellungsfähigkeit aufgerufen, denn diese Fähigkeit
gelangt nur dann erneut zum Leben, wenn das ihr
am ehesten Vernehmbare sie erweckt.
.Dieses am ehesten Vernehmbare wird aber für
jede einzelne Seele 
ein Anderes sein, und man
darf das Erwecken der Fähigkeit, ewiges Göttlich‐
Geistiges wieder 
vorstellen zu können, wahr‐
haftig nicht mit dem Gebaren sogenannter «Geistes‐
lehrer» verwechseln, die ihre Schüler mit allen
okkultistischen Zwangseinflüssen dahin bringen
wollen, Gesichte zu «schauen», die lediglich das
Produkt verstandesmäßiger Spekulationen des
durch Geltungsbedürfnis und persönliche Selbst‐
übersteigerung vom ewigen Geiste Gottes herme‐
tisch isolierten, ahnungslosen «Geheimlehrers»
sind.
.Anderseits aber ist die Erklärung dafür, warum
in den Völkern der Länder des Sonnenaufgangs weit
mehr echte Erfahrungsfähigkeit für das ewige Gei‐
stige gefunden wird als innerhalb der westlichen
Welt, durchaus nur in der traditionsmäßig lebendig
erhaltenen Fähigkeit, Geistig-Göttliches 
vorstel‐
len zu können gegeben, und keineswegs etwa in
einer, für das Erfahren des Geistigen besser ge‐
eigneten Veranlagung oder gar in einer besonderen
Eignung der von diesen Völkern bewohnten Land‐
striche zu suchen.
.Man scheut sich zuerst, eine solche Binsenwahr‐
heit niederzuschreiben, ‒ aber leider ist es bitter
notwendig, will man die phantastischen Meinungen
aus der Welt geschafft sehen, die immer noch durch
allzu romantisch-schwärmerische Menschen des
Westens in den ihnen zugänglichen Kreisen ver‐
breitet werden.
.Für die 
christlichen Mystiker des Mit‐
telalters ‒ und zwar für 
alle, ohne 
jede Aus‐
nahme! ‒ trifft die oben auf die Völker des Ostens
bezogene Erklärung jedoch 
nur zum Teil zu,
denn die noch vorhanden gewesene Fähigkeit, sub‐
stantielles Göttlich-Geistiges 
vorstellen zu kön‐
 
neu, erfährt in der Mystik (einerlei welcher reli‐
giösen Färbung!) einen ahnungslos getriebenen
Mißbrauch, ‒ und außerdem wurde gerade
in der mittelalterlichen 
christlichen Mystik
nur zu oft das urwesentlich im ewigen substantiel‐
len Geiste Erfahrene bloß Ausgangspunkt rein ge‐
danklicher «Spekulation», so daß man in vielen
Fällen ‒ besonders bei 
Meister Eckehard ‒
eher von christlich mystischer 
Philosophie zu
reden hätte.
.Wer nun aber nach den von mir so reichlich ge‐
gebenen Anweisungen handelt, um auf die für ihn
mögliche Art, die Fähigkeit zum Vorstellen des
ewigen, substantiellen Göttlich-Geistigen wiederzu‐
erlangen, der darf gewiß nicht erwarten, daß sein
erster Erfolg ihm sofort die Bildung von Vorstel‐
lungen ermöglichen würde, wie sie für das Erfah‐
ren 
höchster, substantiell-geistig gezeugter le‐
bendiger Wirklichkeit unerläßlich sind.
.Ich spreche von dem «
Wiedererlangen» der hier
erwähnten Fähigkeit, weil jeder mit gesundem irdi‐
schem Organismus geborene Erdenmensch sie in
den Zeiten seiner frühen, zum Bewußtsein erwach‐
ten Kindheit in mehr oder weniger ausgebildetem
Maße 
besaß, bis sie ihm dann infolge des immer
stärker auf ihn einstürmenden Zwanges, sich durch
die physisch-sinnlich wahrgenommene 
Außen‐
welt bedingte Vorstellungen zu bilden, allmählich
abhanden kam.
.Hier ist der 
tiefste Sinn des geheimnisvollen
Wortes gegeben:
.«
So ihr nicht werdet wie die Kinder,
könnt ihr nicht in das Reich Gottes
eingehen!»
.Den 
Kindern ist noch das Himmelreich 
of‐
fen, und sie erfassen davon, was ihrer Fassungs‐
kraft erlangbar ist, weil sie noch die Fähigkeit be‐
sitzen, von der Außenwelt unbehelligte Vorstel‐
lungen des substantiellen ewigen Geistigen bilden
zu können, frei nach ihrer Art!
.Wer diese Fähigkeit aber wiedererlangen will
und darum die ihm von mir erteilten Anweisungen
nach seiner Eigenart zu befolgen sucht, der wird
sich darüber klar werden müssen, daß dem 
freien
und dem 
Willen unterstellten Bilden von Vor‐
stellungen ewiger göttlich-geistiger substantieller
Wirklichkeit, das 
nicht willkürliche Erwachen
der benötigten Kräfte vorausgeht.
.Er wird sich also auf dem besten Wege zu seinem
Ziele sehen dürfen, wenn sich ihm, ‒ sei es etwa
morgens vor dem ersten Augenaufschlag, oder im
Halbschlaf, oder auch in offener Tageswachheit, ‒
Vorstellungen ohne sein bewußtes Zutun bilden,
die von einem Gefühlsinhalt erfüllt sind, wie ihn
keine der bewußt selbstgewollten 
physisch‐
sinnlich bedingten Vorstellungen aufweist.
.Jeder, der es erfährt, weiß sofort, daß es sich
um etwas dem irdischen gewohnten Vorstellungs‐
bereich 
hoch Entrücktes handelt, ‒ auch
wenn er sich selbst, aus Angst vor Selbsttäuschung,
nicht glauben mag.
.Diese Angst, am Ende sehen zu müssen, daß man
einer Selbsttäuschung erlegen sei, wird in vielen
Fällen auch noch genährt durch ein Verstandes‐
bewußtsein, das immer erneut Anstoß nimmt an der
formalen Simplizität der bewußt gewor‐
denen Vorstellung.
.Aber 
gerade diese Naivität der Form‐
bildung weist aufs deutlichste der plötzlich und
vom Willen unabhängig entstandenen Vorstellung
ihren hohen Rang zu!
 
.Die 
ersten, solcherart spontan gebildeten Vor‐
stellungen substantieller geistiger Wirklichkeit kön‐
nen der Form nach unmöglich bedeutsamer und
vielfältiger sein, als es die 
letzten, längst ver‐
gessenen aus früher Kinderzeit waren!
.So unbedeutend aber auch die 
formale Ge‐
staltung der Vorstellung sein mag, so reich erfüllt
kann sie sein mit Beziehungen zur ewigen geistigen
Wirklichkeit, und so bedeutungsvoll kann für den
Wahrnehmenden die göttlich-geistige Bekundung
werden, die er vorerst auf so seltsam primitive Art
erhält...
.Aus solcher ersten Vorstellungsform, die unse‐
rem überreizten und an die Kompliziertheit irdisch‐
sinnlicher Vorstellungen gewöhnten Gehirn gar
leicht als allzu simpel erscheinen will, werden dann
später freilich auch überaus 
reiche Vorstellungs‐
bilder erstehen. Niemals aber werden die Elemente,
aus denen sie sich in all ihrem Formenreichtum
organisch entfalten, 
gehirnlich-
verstandes‐
mäßig deutbar sein, denn sie entstammen dem
ewigen «Reiche der 
einfachsten Zeichen»:
‒ dem «Lande der 
Wirklichkeit».
 
.Ewig unerfüllbar muß aber auch das törichte
Verlangen bleiben, Göttlich-Geistiges gar
in der gleichen, physikalisch bestimmten Art
erfahren zu wollen, in der wir die Dinge der uns
von Geburt an zur verstandesmäßigen Deu‐
tung gegebenen, physischen Sinnen zugänglichen
und physikalisch zerlegbaren, körperlichen Au‐
ßenwelt erfahren!
BRIEF
AN MEINE GEISTIGEN SCHÜLER
 
IN den letzten Monaten mehren sich wieder recht
auffällig allerlei aus meinem Schülerkreis stam‐
mende Vorschläge: «was zu tun 
wäre, was man
selbst tun möchte, falls ich die Zustimmung gäbe,
und was 
von mir getan werden «
könnte», um
meine Schriften auch Menschen nahezuhringen, die
sie noch nicht kennen, oder von denen man wenig‐
stens 
annimmt, daß ihnen diese Lehrbücher gei‐
stigen Lebens noch nicht nahe gekommen seien.
.Daß alle diese Anregungen vom denkbar besten
Wollen getragen werden, bedarf kaum noch der Er‐
wähnung.
.Man weiß, welchen segensreichen Einfluß man
selbst der Begegnung mit den durch mich verkün‐
deten Lehren dankt, und möchte sie darum auch
anderen Menschen zugänglich sehen, von denen
man annimmt, sie müßten diesen Lehren ‒ wenn
 
sie nur Kenntnis davon erhalten würden ‒ mit
glühender Bereitschaft entgegenkommen.
.Es scheint da gegenwärtig ein von vielen meiner
Schüler heiß gefühlter Wunsch sich zu einem al‐
lenthalben durch die Gehirne schweifenden Vor‐
stellungsbild verdichtet zu haben, von dem nun die
schon geradezu beängstigend zahlreichen Impulse
ausgehen, die jeder Einzelne als nur 
in sich al‐
lein entstanden empfindet, wodurch er sich als‐
dann verpflichtet fühlt, mich auf die ihm so be‐
deutungsvoll erscheinenden Möglichkeiten drin‐
gend aufmerksam zu machen.
.Mich aber stimmt diese lebhafte und geradezu
freudige Unruhe meiner Schüler recht traurig,
denn ich muß aus ihr ersehen, in wie geringem
Grade so manches haften bleibt, was ich längst ein
für allemal in allen verankert glaubte, die meine
Bücher kennen.
.Nicht nur die zahlreichen Hinweise darauf, daß
ich 
im Ewigen lebe, und dem Zeitatom, das die
Dauer meines leiblichen Daseins ausmacht, nur die
Beachtung schenken kann, die seiner Einzelbedeu‐
tung in dem mir geistig offenbaren Ganzen zu‐
kommt, scheinen den freudig, aber inkonsequent
auf «Unverhofftes» Hoffenden nicht mehr recht
gegenwärtig zu sein, ‒ sondern auch die ausdrück‐
lich ihren Fehlhoffnungen 
wehrenden Sätze,
die in dem Buche «
Der Weg meiner Schü‐
ler», Seite 19 bis 25, zu finden sind, allwo doch
unter anderem deutlich gesagt ist: «
Wer also in
diesen Dingen richtig handeln will,
der überlasse es den geistigen Mäch‐
ten, 
in deren Obhut meine Bücher ste‐
hen, 
wem sie zugeleitet werden sollen.»
.Es ist, als hätte ich alles dort Erörterte niemals
niedergeschrieben!
.Aber wenn ich nicht das bereits so ausführlich
Gesagte hier Wort für Wort wiederholen will, so
bleibt mir nichts anderes übrig, als alle so wohl‐
meinenden Schüler und Freunde zu bitten, doch
die eben bezeichnete Stelle des Buches noch ein‐
mal anzusehen.
.Dort steht deutlich zu lesen, 
warum ich von
ihren, in jeder Hinsicht doch Gutes bezweckenden
Anregungen 
keinen Gebrauch machen darf,
wenn ich nicht das von mir in der Arbeit eines
Lebensalters Geförderte selbst aus törichter Eil‐
sucht unnötig hemmen will, was mir doch niemand
zumuten wollen wird.
.Zu Eile oder Beschleunigung ist aber auch nicht
der mindeste Grund gegeben.
.Was ich in meinen Schriften niedergeschrieben
habe, 
kann zwar gewiß 
auch heute von dafür
geeigneten Menschen aufgenommen werden, ‒
wird aber von diesen 
keinesfalls so erfaßt, wie
von der Menschheit einer zukünftigen Zeit, die
den psychologischen Moment zeitigen
wird, der das Verlangen nach den verkündeten
Lehren allenthalben dann in jedes Bewußtsein
bringt, das sie braucht.
.Was ich bereits geschrieben habe, und noch ge‐
schrieben haben werde, oder hinterlasse, wenn es
mit meinem leiblichen Erdensein zur Rüste geht,
ist ja nicht «für den Tag» sondern 
für alle
kommenden Zeiten geschrieben.
.Es kann ganz unmöglich seinen, 
ihm gemäßen
psychologischen Moment mit Dingen 
zugleich
haben, für die dieser bereits 
in der Gegenwart
gekommen ist, ‒ und was 
jetzt von Menschen
der Zeit durchlebt wird, muß ebenso wie alles an‐
dere bereits Vergangene, Vergangenheit geworden
sein, bevor das 
Kommende zu seiner Zeit er‐
scheint.
.Hier ist jede Besorgnis, daß etwas versäumt wer‐
den, oder gar verlorengehen könnte, ganz über‐
flüssig!
.Aber auch jeder Versuch, das Kommende 
eher
herbeizuziehen, ist überflüssig und wird das geist‐
gesetzte Geschehen um keinen Augenblick zu be‐
schleunigen vermögen.
.Wer heute bereits erfassen 
kann, was in den von
mir dargebotenen Lehren gegeben ist, den werden
sie mit aller Bestimmtheit an dem für ihn bestimm‐
ten Tage erreichen, ‒ 
ohne jede absichtliche
Nachhilfe.
.Die Bücher dieser Lehren sind öffentlich erschie‐
nen, allgemein zugänglich, und daher auf die gleiche
Weise erreichbar wie irgend ein Handwerkszeug
des alltäglichen Lebens. Wer sie bereits brauchen
kann, der findet sie. Man braucht wirklich keine
Angst zu haben, daß sie heute noch irgend einem
Menschen, der die Sprache spricht, in der sie ge‐
schrieben sind, entgehen könnten!
.Es sind ja daneben auch bereits zahlreiche geistig
Suchende 
anderer Muttersprache in allen Welt‐
teilen beim Studium meiner Schriften und der Be‐
folgung ihrer Lehren anzutreffen. Einzelne dieser
räumlich so fernen Schüler wußten mir von wahr‐
haft seltsamen «Zu-fällen» zu berichten, denen sie
es zu verdanken hatten, daß die Bücher ihnen zu‐
gefallen waren, ‒ zum Teil in der deutschen Ori‐
ginalausgabe, zum Teil in den bis heute vorliegen‐
den Uebersetzungen.
.Wer reif ist 
gefunden zu werden, der 
wird
gefunden, wo immer er zu finden ist.
.Darum bitte ich meine Schüler und Freunde in‐
ständigst, ganz ohne Sorge sein zu wollen hinsicht‐
lich jener Menschen, denen sie das eine oder andere
meiner Bücher, oder gar gleich alle, lieber heute
als morgen nahegebracht sehen möchten! Und ich
bitte in gleicher Weise darum, alle etwa in der Seele
auftauchenden, mir zugedachten Vorschläge zu ir‐
gend einer über die normale, verlagsmäßig usuelle
Ankündigung hinausgehenden Propagierung mei‐
ner Schriften, ‒ wieder ins Unbewußte sinken zu
lassen! Dort sind sie zweifellos am besten aufge‐
hoben.
 
.Es hat mich überdies auch noch 
kein einzi‐
ger Vorschlag erreicht, der nicht 
lange vorher
schon befolgt gewesen 
wäre, hätte ich ihn befol‐
gen können. Alles was mir da ziemlich spät «nahe‐
gelegt» werden soll, ist ja wahrhaftig ohnehin schon
‒ recht naheliegend...
.Darum ist es aber noch durchaus nicht auch den
geistigen Gesetzen entsprechend, aus denen ich
lebe, und die 
allein für alle Auswirkung der in
meinen Schriften durch mich formulierten welt‐
zeitalten Lehren das Maß geben.
.Einen 
anderen Maßstab zur Beurteilung des‐
sen, was mit dem Meinen geschehen darf oder nicht,
kann ich aber unter keinen Umständen gelten las‐
sen, und noch viel weniger gar selbst gebrauchen!
.Ich bin nicht in der bequemen Lage, alles gut‐
heißen zu können, was von Anderen für gut gehal‐
ten wird, weil es ihnen, von 
ihrem Einsichts‐
punkte her, als «gut» 
erscheint.
.Es gibt gar manches, was ich gerne gutheißen
würde, wenn mir das aus geistiger Einsicht her nicht
versagt wäre.
 
.Ich bin und bleibe bestimmt durch meine eigene
geistgegebene Einsicht, und darf nichts «gel‐
ten» lassen, was im Reiche des ewigen Geistes die
Gültigkeit, die es sich selber zumißt, ‒ leider ent‐
behrt.
.Man wird also, wenn man Menschen oder Men‐
schengruppen innerhalb des mir geistig zugehören‐
den Bereiches finden möchte, zuerst sich fragen
müssen, ob ich ihnen den Zugang zu diesen Berei‐
chen offen halten kann?
.Man wird sich klar darüber werden müssen, daß
hier nichts von einer erdbedingten Sympathie oder
Antipathie abhängig ist, sondern nur von der ver‐
pflichtenden Gewalt geistiger Gesetze.
.Hat man aber einmal die hier in Betracht kom‐
menden Faktoren von einem, auch nur einiger‐
maßen unverzerrte Perspektive gewährenden Ein‐
sichtspunkte her erfaßt, dann wird man kaum mehr
Unmögliches von dem Einsatz meiner Kräfte er‐
warten.
.Dann wird man aber auch die Hoffnung zu Grabe
getragen haben, als könne sich jemals das von Natur
aus Inkommensurable zusammenfinden, so sehr
 
man auch solches Begegnen als wünschbar betrach‐
ten und herbeisehnen mag.
.Die Menschen eines jeden Zeitalters sind in
ihrem Wollen, Denken, Fühlen und Empfinden zu‐
gleich 
Erfüller und 
Vorbereiter.
.Beide Funktionen sind gesetzmäßig naturbe‐
dingt, und es wäre keine geringe Torheit, von einer
Generation die Erfüllung 
dessen zu erwarten,
was sie 
vorzubereiten berufen ist, während
sie das erfüllen muß, wozu frühere Zeitphasen die
Vorbereitung hinterlassen hatten!
ALLES irdisch Erlebbare erreicht 
dort seinen
höchsten Wert, wo es Symbol wird: Formbild
innerer Lebenszustände.
.Nicht nur 
außen erlebbar gibt es somit 
Nacht
und 
Tag!
.«Nacht» und «Tag» sind in jedem Erdenmen‐
schen, und jeder trägt in sich Entscheidungsgewalt
über die Verteilung ihrer Macht.
.Weh' ihm, wenn er dieser Gewalt 
entsagt, und
es kommen läßt, wie es kommen mag: ‒ wie Nacht
und Tag sich in ihm bekämpfen wollen, ohne 
sei‐
nem Willen sich zu fügen!
.«Fügen» meint hier: ‒ der durch den Willen
des Menschen gewählten Ordnung sich einbeziehen
und die Form erfüllen, die durch solche innere
Ordnung dargeboten ist.
 
.Die Nacht muß im Menschen ihren 
Gebieter
erkennen, wenn sie ihn nicht verwüsten, und zum
Kampfplatz ihrer eigenen, dem Tage entgegen‐
strebenden Willensauswirkungen werden lassen
soll.
.Die Nacht vernichtet Jeden, der sie nicht 
be‐
zwingt.
.Des Menschen 
geistbestimmter, tages‐
wacher Wille aber wirkt in ihm das Wunder der
Wandlung des nächtigen 
Tieres zum lichtklaren
Gottesgleichnisbild.
.Wen darf es wundern, daß sich das Tier, das den
Menschen dieser Erde ohnehin als Fronvogt emp‐
findet, gegen solche Wandlung 
wehrt!?
.Wen darf es wundern, wenn die Nacht, als des
Tieres Genossin, erst alle ihre Schrecken zeigt, be‐
vor sie dem Tage sich endlich ergeben muß!
.Wem das 
Licht zum Formbild ewiger eigener
Seins-Sicherheit geworden ist, der kann die Nacht
nur noch als 
dienende Macht in sich dulden.
.Ich kenne die Nacht, wie sie wenige kennen! ‒
Wie nur sehr wenige sie kennen lernen, ward sie
mir lebendige Erfahrung.
 
.Ich weiß alle ihre jemals von Menschen erlebten
heiligen Schauder und überwältigenden Beglük‐
kungen, ihre weltenweite Größe und Höhe, ihre
fromm verzehrende Inbrunst und göttlich bacchan‐
tische Brunst, ‒ ich weiß aber auch um ihre Tük‐
ken und Fallen, um ihre gierende Gemeinheit und
niedrige Geducktheit, ihre Besudelungssucht ge‐
genüber allem, was hell und heiter ist, um ihre gif‐
tigen Dünste und ihre schwirrenden schwarzen
Strahlungen, die allem Verderben wollen, was nur
in lichter Klarheit zu sich selber kommen kann.
.Es muß vieles in harter Selbstzucht aus der un‐
geordneten, triebhaften Sehnsucht des irdisch füh‐
lenden, leicht zu verführenden Herzens für die
Dauer ausgerottet werden, wenn das Böse, das Be‐
lügende, das Zersetzende und Zerfressende, ‒
kurz: das Lebensfeindliche der Nacht, bezwungen
werden soll.
.Aber die Nacht bleibt dennoch 
Bedingnis des
Tages, wie der Tag Bedingnis der Nacht, und das
darf Vielen zu wahrem Troste gereichen, die sich
bedrückt fühlen durch noch währende Nacht...
.Auch die 
längste Nacht muß dem 
Tage wei‐
chen, der aus ihr hervorgeht um sie einst zu über‐
lichten!
 
GUTE Erziehung» ist in vielen Fällen nichts
anderes als eine eingelernte Technik des Ver‐
haltens zu seinen Nebenmenschen.
.Man sollte Kinder nicht «erziehen» wollen, son‐
dern sie anleiten, sich 
selbst zu erziehen.
.Erziehung faßt die Aufgabe der Menschenfor‐
mung von 
außen an. Selbsterziehung formt von
innen heraus.
.Erziehung erreicht nur dann ihr Ziel, wenn sie
zu Selbsterziehung führt.
.Das ganze irdische Menschenleben ist ein un‐
unterbrochener Aufruf zur Selbsterziehung. Wer
diesem Appell nicht entspricht, dem muß der Sinn
seines Lebens notwendigerweise zum Unsinn wer‐
den.
 
.Aeußerungen mangelnder Selbsterziehung sind
ebenso wenig zu «verzeihen», wie Mücken- und
Wespenstiche, die man zwar gewiß als Belästigung
empfindet, aber nicht als Objekte einer möglichen
Verzeihung.
Anm.: Zwischen den beiden Auflagen gibt es hinsichtlich Hervorvorhebung und Zeilenende
manchmal geringe Unterschiede, also zwischen Text (zweite Auflage) und Scan der Buchseite (erste Auflage).
Durch Anmerkungen wird darauf hingewiesen.
Laß eitle Toren sich um Götter zanken
Und um die Wahrheit, die sie ihnen geben! ‒
Wenn aller Götterlehren Götter längst versanken,
Wirst Du in Dir noch aus der Gottheit leben!
 
Einst war auch ich vom Dunkel noch
                  umgeben,
Da kam zu mir das Licht,
Und ‒ ich ward Licht...
So fand ich in mir selbst der Gottheit Leben.
Vorher ‒ erkannte ich mich selbst
                  noch nicht. ‒ ‒ ‒
 
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Im Sternenlicht
Und im Staube der Erde
Regt sich die gleiche
Lebendige Kraft,
Die auch in Dir
Und mir
Und allen,
Sich selber sich
Zum Bilde schafft. ‒
Du bist in Dir
Aus ihr geboren;
Du lebst,
Weil Du sie selber bist!
Dir ist das Leben
Nie verloren,
Weil sie in Dir
Das Leben ist. ‒ ‒
 
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Die uns verlassen mußten
        Sind uns nicht verloren:
Sie wurden nur zu einem neuen Leben
        Neu geboren.
Wir finden sie dereinst,
        So wie wir hier sie fanden;
Ihr «Tod» war nur die Lösung
        Aus des Leibes Banden.
Das enge Haus der Sinne
        Faßt «den Menschen» nicht:
Er ist ein König ‒
        Und sein Reich ist Licht!
 
«Begreifen»
Heißt: mit jenen 
unsichtbaren
Urorganen
Die sich
Amoebengleich
Das Menschenhirn
Zu 
schaffen weiß
Bisher noch Unfaßliches
Nunmehr 
erfassen:
Greifen
Wie man mit Fingern greift, ‒
Umschließend 
fühlen, ‒
Durch Betasten
Kennenlernen!
Es ist «begreiflich»,
Daß ihr 
ungern nur
Begreifen werdet,
Was euch,
Wenn es begriffen wäre,
Eure Tagesträume
Stören müßte...
Und dennoch
Werdet ihr begreifen lernen
 
Müssen,
Wollt ihr nicht immerfort
Zu dem, was 
ist,
Im Zwiespalt stehen, ‒
Immerfort
Nur Traumgespenstern glauben,
Die euch den Blick verstellen
Auf die Wirklichkeit!
Es liegt 
an euch allein
Ob ihr begreifen 
könnt,
Denn jene unsichtbaren
Greiforgane der Gehirne
Bilden sich nur dann
Dem zu Begreifenden entgegen
Um es zu erfassen,
Wenn euer Wille 
Wahrheit wissen
Will!
 
 
Was du warst,
Bist du ‒ gewesen;
Was du bist,
Das bleibst du nicht...
Erst, wenn du von dir genesen,
Blickst du dir ins Angesicht!
 
Glaubt nicht, geliebte Freunde,
Daß mein Wort die Vielen meine,
Von denen zwölf ein Dutzend sind
Und tausend eine Schar!
Auch wenn ich Euch
Aus allen Völkern eine,
So kommt doch keiner zu mir,
Der nicht ewig bei mir war!
 
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Schwer wird es Euch, geliebte Freunde,
Zu ertragen, was ich leiden muß!
Schwer wird es Euch auch, zu verstehen,
Daß mir hohe Geisteshilfe,
Ohne die mein Erdenkörper,
Längst nicht mehr im Leben wäre,
Doch nicht dienen kann zur Leidbefreiung,
Weil 
solche Hilfe Hemmung meiner
                  
Selbstkraft würde.
Ihr wißt jedoch, daß ich zu sagen kam:
«
Alles Leid ist Lüge!»
Darum, geliebte Freunde,
Muß das Leid von mir «
entwertet» werden!
Wohl kenne ich Wege, um geistgesichert
Allem Leide «aus dem Wege» zu gehen, ‒
Aber 
diese Wege sind 
die meinen nicht!
Ich muß 
erfahren,
Was an körperlichem Leid
Für mich erfahrbar ist,
Sonst könnte ich niemals
Im Leid die 
Lüge bannen,
Die ich 
niederringen muß,
 
Will ich für Euch und Andere
Das Leid «entwerten»...
Freut Euch, geliebte Freunde!
Freut Euch mit jedem Tage,
Den ich in körperlichen Leiden
Euch gegenwärtig bleibe: ‒
Erdgebunden im Erdenleibe
Wie Ihr!
 
Aerger als alle leibliche Plage
Ist mir die Häufung hellklarer Tage,
Die meinem Leben verlorengehen,
Weil sie mich ohne die Kräfte sehen,
Das, was der Geist mir gibt, zu gestalten,
Und das Verschwebende festzuhalten,
Das alle geistigen Räume erfüllt
Und sich nur blitzhellem Schauen enthüllt...
Strahlender Wanderer, walle ich weiter, ‒
Ewige sind meine steten Begleiter, ‒
Ewiges ist meines Alltags Erleben, ‒
Doch es läßt sich nicht weitergeben!
Schmerzmüde wehrt sich irdisches Denken,
Mir die Gedankenformen zu schenken,
Denen ich anvertrauen müßte,
Was ich dem Denken zu geben wüßte.
 
Gönnt mir Ruhe der Gedanken,
Liebe Freunde,
Aber ‒ laßt mich nicht zu selten
Von Euch hören!
Ruhe, wie ich sie vonnöten habe,
Gibt mir nur die Nachricht,
Die mich stetig unterrichtet,
Wie es Euch ergeht! ‒
Im Seelischen und Leiblichen! ‒
Was mir mein eigenes Erschauen sagt,
Bleibt streng in jenen Grenzen,
Die der ewigkeitsgezeugte Geist sich zog.
Wenn Ihr mir nichts von Euch berichtet,
Weiß ich Anderes nicht von Euch!
Ich aber möchte alles von Euch wissen,
Was Ihr um Euch selber wißt!
Wahrhaftig nicht aus Gier nach Neuigkeiten,
Sondern nur allein, damit ich weiß,
Wo jeweils Geisteshilfe nötig ist!
Die aber werdet Ihr empfangen,
Auch wenn Ihr ‒ notgedrungen ‒
Keine Zeile meiner Hand,
Und nichts, was ich in Worte formte,
Von mir empfangen werdet!
 
Wenn ich im Morgenlande leben würde,
Wüsste man,
Daß ich zwar alles aufzunehmen willig bin,
Was meine Freunde mir zu senden trachten,
Daß ich jedoch bei aller Anteilnahme
Bleiben muß in dem, was «meines Vaters» ist...
Abendländische Lebensweise
Weiß solches «Bleiben» sehr zu behindern.
Der Mensch des Abendlandes ahnt nicht,
Wo die Grenzen liegen,
Die Irdisches von Ewiglichem scheiden...
Doch auch im Abendlande
Läßt sich nicht umgehen,
Was ewiges Gesetz gebietet,
Wo immer einer derer lebt,
Die Ewiges dem Irdischen vereinen!
 
Der Mann, der von «Wundern»
.wirklich was weiß,
Geht nur über's Wasser ‒
.auf 
Brücken und 
Eis.
Auch auf 
Schiffsplanken
.mag er sich heiter ergehn,
Doch 
nie wird er sich
.ein Mirakel erflehn!
 
Nicht um einen Schatz zu heben,
Den man könnte kunstvoll schleifen,
Wagt' ich oft genug das Leben
Irgend einen Stein zu greifen,
Wenn in südlichem Gefilde
An der Wege Felsenrinnen
Mir sich zeigte Steingebilde,
Nur beschwerlich zu gewinnen.
Liebe ich auch Edelsteine,
Goldgefaßt und wohlgeschliffen,
Hat mich doch auch oft die Reine
Eines Kieselsteins ergriffen.
Gingen Tausende die Straße,
Die den armen Stein verlachten,
Hob ich doch ihn aus dem Grase
Ihn voll Ehrfurcht zu betrachten.
Steine soll man nie verachten!
Liegen sie auch jetzt im Kote
Bleibt doch jeder Gottes Bote:
Hingestreut auf allen Wegen
Bergen sie noch Kraft und Segen.
 
Lasse, o Sucher,
Dem Hindu All-Brahma, ‒
Buddha und Padmasambhâva
dem Lama, ‒
Glaube dem Moslim:
«Allah il Allah», ‒
Ehre das Kreuz
Und das heilige Buch!
Achte bei Allen
Das gläubige Suchen!
Was aber alle
Nicht finden, ‒
Das such'!
 
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Du, Mensch der Erde,
Bist 
nicht «Gott»!
Doch, magst du auch
Der ärgste Frevler sein,
So bist du doch aus Gottes 
Art: ‒
Aus Gottes Mutterschoß und Samen, ‒
Und birgst in dir verborgen
Gottes 
Namen.
Wirst du einst dieses Namens wahrhaft inne,
So öffnen sich dir ungeahnte Sinne: ‒
Du lernst dich selbst in Gottes «Namen» 
nennen.
Und in dir selber deinen  
erkennen. ‒
Dann bist du allem Nichtigen entwunden,
Und deine Seele hat sich heimgefunden. ‒
 
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Verachtet euer 
Irren nicht,
Ihr Wanderer zum Licht!
Ihr würdet niemals euer irdisches Erkennen
In der 
Wahrheit wissen,
Wäre vordem nicht durch euer Irren
Euch das 
Maß gewiß geworden,
An dem Wahrheit zu 
ermessen ist!
Vornehmlich aber darf euch allen
Euer Irrenkönnen 
gut gegründet gelten,
Weil es aus 
Gott: ‒
Der 
un-bedingten 
Wahrheit ‒ stammt,
Die sich in ihren 
zeit-bedingten Welten
Selbst die 
Möglichkeit des Irrens 
schuf,
Um Irrendes auf wunderbaren Wegen
Immer wieder in sich zu 
erreichen, ‒
Folgend eigenem myriadenfachen Ruf. ‒ ‒
 
Suche der Seele Tröstung
.nicht bei Andern, ‒
Im Wahn befangen:
.Trost sei zu «erwandern»!
Trost ist nicht nahe,
.Trost nicht fern zu finden,
Solang noch Grimm und Groll
.die Seele binden!
Will sie nicht aus sich selbst
.getröstet werden,
Wird ihr gewiß kein Trost
.zuteil auf Erden! ‒ ‒
 
Das, was die Dichter ‒ müde matter Streite....
.unter sich wohl «Friede» nennen,
Das ist der Friede,
.so wie 
ich ihn bringe,
.wahrlich 
nicht!
Wollt ihr auf Erden schon
.zu 
meinem Frieden kommen,
So suchet 
in euch selber
.mich ‒ in lauterklarstem Licht ‒ !
Selbst dort, wo wahntoll
.blutbefleckte Leiber
.und verstörte Erdenseelen kämpfen,
Spricht noch 
mein Friede 
frei
.vor ewigem Gericht!
 
 
Ihr heiterfrohen Berge
Wein- und Baum-begrünt,
Die ihr in herben Bogen bald,
Und bald wie Felsenburgen
Meinen See umsiedelt, ‒
Ihr kennt ihn lange schon,
Den Wanderer, der schauend
Euch umschreitet,
Und seines Auges lichte Blicke
Weit im Schauen weitet,
Wenn er euch wiederum und wieder
Ueberwandert,
Damit er eure Gipfel, eure Schrunden
Zärtlich zart betaste,
Nachdem er ‒ fern auf seiner Lagerstatt
Mit seinem Auge euch berührend ‒
Sehnend euch umfaßte!
 
Anm.: Entsprechend der 2.Auflage
Lange sah ich euch nicht mehr:
Lichte aus Lichtem gewonnen!
Reine aus Reinstem geronnen!
Ihr Säulen des Parthenon! ‒
Lichthelle bergend im Innern,
Von außen her honig-gelb
Patina übersponnen.
Lange schon sah ich nicht nächtlich
Das Mondlicht euch übergießen,
Und euer eigenes Leuchten
In seine Helle zerfließen! ‒
Wann aber wollte wohl einer
Euch, Lichte, jemals vergessen,
Der, euren Klängen ergeben,
Zu euren Füßen gesessen?!
 
OBWOHL alles, was nötig sein kann, um ei‐
nen Menschen zu rubrizieren, längst dort
verzeichnet steht, wo man nach derlei Dingen, so‐
weit sie Bücherautoren betreffen, zu suchen
pflegt, dürfte ich doch selbst am besten über mich
Bescheid wissen. Das wäre mir aber noch lange
kein Grund dafür, von mir selbst hier zu reden,
wenn nicht Schweigen zu allem, was als Legende
umläuft, als Billigung ausgelegt werden könnte.
.Daß ich nicht ein «chinesischer Dichter» bin, als
den man mich allen Ernstes in einer Wiener Zei‐
tung feierte ‒ und Gustav Meyrink, der einst ein
Vorwort zu meinem «Buch vom lebendigen Gott»
geschrieben hat, daneben als «Entdecker» dieses
Zeitgenossen aus dem Reiche der Mitte ‒, hätte
dem freundlichen Rezensenten ein Blick in den
«Kürschner»* allerdings sagen können.
* Kürschners Deutscher Literatur-Kalender, Berlin und Leipzig
 
.Bedenklicher wird schon die Lesart, ich sei von
«buddhistischen Mönchen» erzogen und «von Fa‐
kiren ausgebildet» worden.
.Dagegen läßt es sich immerhin verstehen, wenn
Buchrezensenten mit wichtiger Betonung ver‐
künden, daß ihr Wissen um meinen deutschen
Familiennamen: Schneiderfranken ihr günstiges
Urteil weiter nicht behindern könne.
.Dem allem gegenüber glaube ich doch die
Pflicht zu haben, einmal auszusprechen, daß ich
meinen Namen Bô Yin Râ mit mindestens der
gleichen Berechtigung trage, wie ein anderer
etwa sein Adelsprädikat. Es handelt sich hier nicht
um ein frei gewähltes «Pseudonym», sondern um
den Namen, der mir einst von Menschen gegeben
wurde, denen ich enger als allen anderen ‒ ja en‐
ger selbst als meiner Familie ‒ verbunden bin, so
daß er denn auch ohne jeden weiteren Zusatz in
meinen wichtigsten behördlichen Papieren ganz
in gleicher Weise wie der Familienname er‐
scheint.
.Wie jene Menschen in mein Leben traten, habe
ich selbst in meinem Buch der Gespräche mit aller
hier erlaubten Deutlichkeit erzählt. Ich spreche
dort gewiss von asiatischen Ariern und Mongolen,
 
aber weder von «Fakiren» noch von «buddhisti‐
schen Mönchen»!
.Ich sprach in meinen Büchern so oft von der
Art dieser geistigen Vereinigung, daß ich hier
wohl mich damit begnügen darf, zu sagen: ‒ es
handelt sich keineswegs um die Vertreter irgend‐
einer östlichen Religion, Theo- oder Philosophie,
sondern um nichts Geringeres als den seit der Ur‐
zeit stets verborgenen und streng gehüteten gei‐
stigen Tempel, der, von Weisen aller Zeiten stets
vermutet, aber nur von Seltenen gekannt, in Ver‐
bindung mit allen geistigen Strömungen in der
Menschheitsgeschichte stand, soweit sie, über die‐
ses Erdenleben hinaus, die Rätsel der Ewigkeit zu
erforschen suchten.
.Daß ich ein Glied dieses geistigen Kreises
wurde, ist wahrlich nicht mein Verdienst. Ich
hatte nie den sonderbaren Ehrgeiz, ein «Heiliger»
zu sein und wäre auch als ein solcher keinesfalls
diesem Kreise nahegekommen. Mit ihm verbun‐
den aber ward mir die Pflicht, in diesen Tagen al‐
len Suchenden zu künden von dem, was sich mir
auf eine Art enthüllte, die jenseits von allem intel‐
lektuellen Erschließen ist. So entstanden die Bü‐
cher, die meinen Namen tragen und die ich nur
unter 
diesem Namen geben durfte, da wahrlich
meine bürgerliche Herkunft nichts damit zu tun
hat, daß ich sichere Kunde von den Dingen brin‐
gen kann, die in diesen Schriften behandelt wer‐
den.
.Literarischer Ehrgeiz lag mir von Anfang an
fern, und Broterwerb brachte mir seit Jahrzehn‐
ten eine andere Tätigkeit, die sich genugsam auch
heute warmer Anteilnahme erfreut.
.Wenn ich auch dort, wo es 
nicht unerläßlich ge‐
boten ist, mit dem mir gewordenen Namen
zeichne, so drückt dies nichts anderes aus, als daß
ich mich ihm weit enger als meinem Familienna‐
men verbunden weiß, was wieder Folge innerer
Einheit ist, die in dem nur eigene Geistesart nach
uralten Lautwertgesetzen bezeichnenden Namen
allein sich selbst erkennt.
.Denen, die auch um meine äußere Herkunft
wissen wollen, aber sei gesagt, daß ich vom Vater
wie von der Mutter her aus alter, christlicher Bau‐
ernfamilie Mitteldeutschlands stamme.
.Ich wünschte aber, daß die Tausende, die
meine Bücher lesen, mehr nach dem Inhalt als
nach dem Autor fragten.
IM «Talisverlag» (Verlag Magische Blätter) ist
jetzt ein sehr schöner Neudruck des Bulwer‐
schen Romans «
Zanoni» herausgekommen, einge‐
leitet und mit einem aufschlußreichen Nachwort
versehen durch den Münchner Dichter 
Hans
Christoph Ade*, den man wohl heute als besten
Kenner und Deuter des seltsamen Bulwerschen
Romans ansprechen muß.
.Man erwarte nun hier keine Buchrezension!
.Ich wiederhole, was ich vielen Einzelnen, ‒ Ver‐
legern und Autoren, ‒ stets wieder sagen mußte:
daß es im Rahmen der mir gebotenen Zeit völlig
unmöglich ist, Bücher zu 
lesen und noch weniger,
sie zu 
rezensieren, daß ich aber auch keineswegs
meine Aufgabe darin sehe, dies zu tun.
So muß ich auch hier nun die Rezension einer 
an‐
deren Feder überlassen, so sehr es mich 
reizen
* szt. Redaktor der «Magischen Blätter», Leipzig.
 
könnte, sie zu schreiben, denn es ist durchaus nur
sehr Erfreuliches über diese Neuausgabe und ihre
Bearbeitung zu sagen; besonders aber muß ich
der 
Deutung, am Schluß meine freudigste Aner‐
kennung zollen.
.Das Buch war eine äußerst angenehme Überra‐
schung für mich, obwohl ich aus Ankündungen
von seiner Vorbereitung wußte, und wenn ich
nun sein Erscheinen zum Anlaß nehme, einiges
zu sagen, so handelt es sich mir darum, 
unzählige
Briefe, die ich 
sicher jetzt wieder 
erhalten würde,
aber dem Einzelnen 
nicht beantworten könnte, 
im
voraus von mir 
abzuhalten, wobei mich hoffentlich
die 
Post der verschiedensten Länder nun nicht für
den so entstehenden Ausfall haftbar machen
wird.
Ich gestehe also gleich zum Anfang, daß ich dem
«Schlüssel» den Hans Christoph Ade dem «Za‐
noni» mitgibt, an keiner Stelle etwas zuzufügen
hätte.
.Ich kann auch nur dem Bearbeiter Zustim‐
mung geben, wenn er deutlich darauf hinweist,
daß dieser Roman kein 
Lehrbuch der Magie und
noch viel weniger etwa die ‒ wenn auch verhüllte
Darstellung einer außerhalb der Phantasie des
Dichters von ihm erlebten 
Wirklichkeit ist, ganz ge‐
wiß auch keine 
Lehre darbieten will, die 
zur Erlan‐
gung geistiger Erkenntnis führen könnte.
Es ist nötig, das ausdrücklich zu betonen, wie es
auch immer wieder nötig ist, daraufhinzuweisen,
daß 
Bulwer selbst weder ein «
Rosenkreuzer» war,
noch zu solchen in Beziehung stand, wie es denn
überhaupt keinen mißbrauchteren Namen gibt
als den der «Rosenkreuzer», die einstmals eine
sehr harmlose Aufklärergesellschaft waren, durch die
Zeitverhältnisse gezwungen, sich im 
Geheimen nur
zu etablieren, und die da doch gar sehr bedenk‐
lich ihre Häupter schütteln würden, könnten sie
heute hören, was 
Phantastik und 
Wundersucht, mit
kategorischer Bestimmtheit, ihnen alles nachzu‐
sagen weiß. ‒ ‒
.So wie aber heute nun sich alle möglichen Ver‐
einigungen «
Rosenkreuzer» nennen, oder gar be‐
haupten, deren «
Schriften» zu besitzen, wenn sie
im Antiquariatsbuchhandel ein paar wunderlich
okkulte Schmöker, angefüllt mit krausen Wortge‐
bilden und absonderlich gebildeten Emblemen
aufgestöbert haben, ‒ so war es auch ganz im Stile
der Zeit, wenn sich 
Lord Lytton Bulwer eine 
Fiction
für seinen Roman erfand, in der die armen «Ro‐
senkreuzer» etwas 
etikettieren mußten, was 
ohne
solches Namensschild 
Erklärungen erfordert
hätte, die der Autor niemals geben konnte.
Wie 
Ade, in klarer Erkenntnis der Zusammen‐
hänge, es sehr deutlich darlegt, war 
Bulwer zwar
in 
vielen Dingen 
gut unterrichtet, von denen freilich
die «Rosenkreuzer» wenig wußten, und die auch
gar zu weit von ihren, heute längst in allgemeiner
Übung stehenden Methoden, die Natur in ihre
Elemente aufzulösen, abgelegen waren, ‒ aber
Bulwers Wissen war ihm erst aus 
dritter Hand ge‐
worden, und Allzuvieles blieb ihm noch ver‐
schleiert, so daß ihm schließlich all sein Wissen
und Erleben nur noch abrundbar erschien 
in
künstlerischer Darstellung.
Es verbirgt sich hinter dem so wenig romanhaf‐
ten Roman «
Zanoni», wie hinter der «
seltsamen Ge‐
schichte» des «schwarzen Magiers» Margrave, weit
mehr an wahrlich überaus bitterer 
Resignation, als
der nichtunterrichtete Leser dieser Werke ahnen
mag! ‒ ‒
.Auch 
Lord Lytton Bulwer hatte, wie so mancher
andere, 
gesucht, und das Gesuchte 
nicht gefunden,
da er sich nicht 
genügen hatte lassen an 
dem, was
ihm 
gegeben worden war, und so auf 
falsche Fährte
geriet, auf der ihn seine 
erste Führung dann 
verlas‐
sen mußte...
.Die 
Tragik eines Menschenlebens erhebt sich ‒ nur
leicht verhüllt ‒ hinter Bulwers zwei so sehr 
ge‐
heimnisvollen Dichterwerken, die aus der 
überrei‐
chen Produktion dieses genialen Schriftstellers
und Staatsmannes, der übrigens auch des 
Deut‐
schen vollendet mächtig war und nie seine Sympa‐
thie für Deutschland verleugnet hat, recht son‐
derbar herausragen. ‒
.Die Originalausgabe seines «
Zanoni» zitiert auf
dem Blatt vor der Einleitung ein heute unbe‐
kanntes Wort: «
Kurz, 
ich konnte weder Kopf noch
Schwanz daran anbringen». (Der Graf von Gabalis)
als Motto.
.Dieses Wort aber ist hier 
mehr als seine scherz‐
haft klingende Form vermuten läßt! ‒
.Hier ist ein 
Selbstbekenntnis Bulwers ausgespro‐
chen, ‒ das Selbstbekenntnis eines Menschen, der
berechtigt war, die 
ersten Weihen zu empfangen
und sich dann 
selbst um dieses Recht 
betrogen
hatte, so daß ihm von allem, was man ihm bereits
gegeben haben mochte, nur ein 
Torso übrig blieb,
aus dessen Anblick immer neue 
Qual erwuchs,
weil er 
nicht zu vollenden war! ‒ ‒ ‒
In kurzen, dürren Worten gesagt: ‒ Bulwer war
indirekt einst, und 
durch einen Mittelsmann, in den
Führungsbereich der «
Leuchtenden des Urlichtes»
gelangt, hatte sich aber später durch 
andere Ein‐
flüsse 
irreführen und von Menschen, denen 
seine
erste Führung 
fremd war, zur 
Ausübung experimen‐
teller, 
niederer Magie verleiten lassen, so daß seine
erste Führung ihn fallen lassen 
mußte. ‒
.Wahrlich, 
kein Einzelfall, ‒ aber dennoch hier 
be‐
sonders bedeutungsvoll, da der 
künstlerische Nieder‐
schlag dieses Erlebens vorliegt!
.Bedeutungsvoll vor allem, weil hier ein 
Dichter
nicht nur einen Stoff behandelt, den er von 
Ande‐
ren hat, sondern seinem 
eigenen Erleben künstleri‐
sche Form zu geben sucht, und weil 
unendlich viel
aus seiner Darstellung 
zu lernen ist, wenn man sie
recht verstehen will! ‒ ‒
.Und darum ist die durch 
Ade besorgte und von
manchem allzubehindernden, 
zeitbedingten Bal‐
last in kluger Weise befreite, leicht lesbare Neu‐
ausgabe des «
Zanoni» so sehr zu begrüßen, ganz
abgesehen von der 
durchaus auf sicherer Fährte
schreitenden Deutung, die Bulwers Werk zum er‐
stenmale 
so sehen lehrt wie es gesehen werden
muß, soll es nicht zum «Steinbruch» für die wil‐
 
den 
Groteskbauten irrer 
Phantasterei erniedrigt wer‐
den! ‒ ‒ ‒
.Allen aber, die nach der Lektüre dieses immer
wieder neuen Buches, das man 
des öfteren lesen
muß, um seine Winke zu verstehen, nun an mich
schreiben möchten, um Gewißheit zu erhalten, ob
sie auch «
die Symbolik recht verstanden» hätten, muß
ich hier sagen, daß mir 
Anderes zu tun obliegt, als
ihnen einen 
Kommentar zu geben, so daß sie Ant‐
wort 
nicht erwarten dürfen.
.Wie 
Ades Nachwort sie so richtig belehrt,
kommt es bei diesem Buche 
keineswegs auf die 
Ent‐
hüllung der Symbole an!
.Bulwer gebrauchte die Symbolwelt die er sich
geschaffen hatte, viel zu 
souverain, als daß es nicht
sofort den 
ärgsten Irrtum fördern würde, wollte
man sie einheitlich zu «
deuten» suchen. ‒
.Sie ist ihm auch nicht dazu da, «Bedeutungen»
zu schaffen!
.Als wahrhaft großer Mensch bewahrte er auch
nach der Abirrung von seinem Wege, 
dem, was er
einst 
erlebend zu empfinden sich gewürdigt sah, die
höchste 
Ehrfurcht, so daß es seine stete Sorge blieb,
Erlebtes zu 
gestalten und dennoch zu 
verhüten, daß
etwa ein Symbol in klarer Weise 
deutbar werden
könnte, da er aus 
eigener Erfahrung wußte, daß
nicht jeder für den Weg zur Wahrheit schon 
berei‐
tet ist, und außerdem die 
Grenzen respektierte, die
ihm von früherher gezogen waren. ‒
.So schafft er sich Symbole, die das 
Sensations‐
bedürfnis derer zu befriedigen vermögen, die
doch 
nicht fähig wären, 
jenen Weg zu gehen, den er
selbst im Irrtumswahn dereinst 
verlassen hatte...
.Und in der Einleitung läßt er den seltsamen Ge‐
währsmann, den er sich erfand um die 
Fiktion zu
stützen, daß er nur 
fremde Handschrift übersetze,
von dem Werke sagen: 
«Es ist eine Wahrheit 
für die, welche es 
verstehen
können, und ein 
Unsinn für 
solche, die es 
nicht kön‐
nen.» ‒ ‒ ‒
Also hat es auch 
gar keinen Zweck, bei mir anzufra‐
gen, ob man sich in der «
Deutung» der Symbolik
Bulwers irre, oder nicht!
.Entweder, man 
gehört zu jenen, die aus diesem
Buche 
Wahrheit schöpfen, oder man wird nur 
Un‐
sinn fördern, indem man durch versuchte «
Deu‐
tung» der Symbolik 
das zu finden hofft, was nur
durch Verstehen der 
Gestaltung des Erlebens fühl‐
bar werden kann. ‒ ‒ ‒
Sehr oft ist überdies im Buche reichlich von Din‐
gen die Rede, die sehr geheimnisvoll 
erscheinen,
und doch nur 
um des künstlerischen Spieles willen
eingeflochten wurden, während an 
anderen Stel‐
len 
scheinbar völlig unbedeutendes Geschehen 
tiefe
Weisheit in sich birgt. ‒
.Wer hier belehrt sein will, der lasse sich nicht
von der 
Neugier plagen, ob dies und jenes sich auf
wirkliches Geschehen gründe, oder was es als 
Symbol
bedeute!
Er halte fest, daß ‒ wie auch 
Ade klar erkannte
und in seinem Nachwort darlegt ‒ «
Zanoni» und
«
Mejnour» zwei 
Typen, ‒ oder wenn man will, zwei
Auswirkungsformen, ‒ im Symbol, als 
Handelnde zu
zeigen suchen, die 
jederzeit und 
stetig eng verbun‐
den, in der Vereinung aller «
Leuchtenden des Ur‐
lichts» wirken.
.«
Zanoni» repräsentiert den mehr zur 
Milde nei‐
genden, alles 
miterfühlenden Pol, «
Mejnour» dage‐
gen den Pol des strengen 
Gesetzes, der sich vom
Erdenmenschlichen isolieren 
muß, und nur durch
den anderen wirkenden Pol 
der Milde und des Er‐
barmens noch mit der Menschheit in Verbindung
bleibt.
 
.Gewiss sind 
beide Pole im Buche 
nicht immer ganz
richtig gezeichnet, aber im 
Wesentlichen bleiben sie
stets gut bestimmt und erkennbar.
.In 
Glyndon aber ist der 
Suchende dargestellt, der
sich 
zuviel vertraut und sich aus eigenem Willen
aus der schützenden Nähe des Poles der 
Milde in
den überstrengen Bereich des Poles harter 
Gesetz‐
lichkeit begibt, allwo er die Probe nicht besteht,
sich vom niederen Magischen anlocken läßt und
schließlich dadurch alle weitere Führung 
verliert.
Da Bulwer über die wahre Natur Zanonis und
Mejnours, ‒ auch als 
Einzelgestalten ihrer Art be‐
trachtet, ‒ nicht sprechen 
durfte, ohne 
Eidbruch zu
begehen, so sucht er ihre Sonderstellung 
auf eine
phantastische Weise darzustellen um sie dem Leser
empfindbar zu machen.
.Sehr vieles bleibt daher 
reine Allegorie, oder
deckt sich 
nur dann noch, wenn man es quasi «
rück‐
übersetzt», in gewisser 
veränderter Form mit der
Wirklichkeit.
.Wirklich 
wichtig aber bleibt dem Autor stets nur
das 
Erleben, zu dem er seinen Leser durch Er‐
weckung des Mitempfindens zwingt! ‒
 
.Er will nur als 
Gestalter wirken, 
nicht als 
Lehren‐
der.
.Alles, was er etwa 
lehrend sagen zu müssen
glaubt, faßt er in kurze Zitate, die er jeweils den
Kapiteln mit auf den Weg zum Leser gibt.
Ich wünschte, daß 
recht viele dieser Leser 
nicht eher
ruhen möchten, als bis sie das Buch sich restlos 
zu
eigen machen konnten!
.Es glaube aber keiner, daß ich die Verpflich‐
tung hätte, oder auch nur gesonnen sei, ihn, über
das hier Gesagte hinaus, noch in Einzelheiten zu
belehren!
.Der Roman «
Zanoni» ist ein Buch, das 
aufrütteln
und 
erwecken kann, und, wenn es recht verstanden
wird, auch die 
Gefahren meiden lehrt.
.An 
Hand des Buches aber 
letzte Wahrheit aufzu‐
zeigen, hieße 
die Wahrheit wie das Buch mißbrauchen,
und wäre ein Versuch am untauglichen Objekt! ‒
.Und nun: ‒
.Nimm und lies!
 
ES geht hier um ein 
Buch, aber 
nicht in der Ab‐
sicht, dieses Buch zu 
rezensieren, denn dazu
müßte ich selbst Religionshistoriker sein, wie sein
Verfasser.
.Es geht um ein Buch, das ich allen Lesern mei‐
ner eigenen Bücher in die Hände wünsche!
.Besonders aber denen, die am «Schriftwort» 
lei‐
den, seitdem sie nicht mehr 
jene Form der «Wahr‐
heit» in den Evangelien gesichert finden, die ih‐
nen heute stenographisch aufgenommene Parla‐
mentsberichte und Gerichtsverhandlungsakten
etwa darzubieten haben...
.Das Buch, dem ich hier Zeugnis geben muß,
weil ich als 
Schuld empfinden würde, nicht von sei‐
ner Existenz zu sprechen, ist mir selbst vor wenig
Wochen erst bekannt geworden.
.«
Jesus, 
wie sie ihn sahen» nennt 
Carl Albrecht Ber‐
noulli, als Autor, dieses lebendige lebenwirkende
Werk!
 
.Als ich zum erstenmal den Titel las, war mir
zwar wohlbewußt, daß eine religionshistorische
Forscherarbeit vorliegen müsse, deren Daten
man 
vertrauen könne, wie man nur dort vertraut,
wo man bereits Bestätigung empfing.
.Vor vielen Jahren hatte ich solche Bestätigung
bereits erhalten, als eben Bernoullis Darstellung
der Freundschaft zwischen dem ihm selbst nah
befreundeten 
Franz Overbeck und 
Friedrich Nietz‐
sche erschienen war, und mein Vertrauen konnte
sich nur vertiefen durch den Einblick in das drei‐
bändige Werk über 
J.
J. 
Bachofen, dem vor einigen
Jahren Bernoulli, als genialer Plastiker des Wor‐
tes, ein Denkmal schuf unter dem Titel «
Urreligion
und antike Symbole».
.Wer diese Dinge dergestalt zu deuten wußte,
wie 
Carl Albrecht Bernoulli, der hatte auch gewiß
außerordentliches zu sagen, wenn er über die
drei ersten Evangelien und den Jesus ihrer Schil‐
derung schrieb.
.Jedwede Erwartung aber wurde weit übertrof‐
fen, als mir das neue Werk dann endlich 
vor Augen
kam...
.Ich wiederhole, daß ich mich nicht berufen
fühle, dieses Buch über «Jesus, wie sie ihn sahen»
vom 
religionshistorischen Standpunkt aus zu würdi‐
 
gen, auch wenn ich nicht leugnen darf, doch im‐
merhin ziemlich ausreichend beraten zu sein
über den Stand der Textklarstellung des «Neuen
Testamentes» durch unvoreingenommene For‐
scherarbeit.
.Mir ist das Buch des großen Basler Gelehrten
als Werk der 
Darstellung so überaus bedeutungs‐
voll, daß ich Verpflichtung fühle, eindringlichst
darauf hinzuweisen.
.Ich kenne kein literarisches Bildnis des «größ‐
ten Liebenden», das ihm 
auch nur entfernt so «
ähn‐
lich» wäre wie die plastische Gestaltung, die Ber‐
noulli aus dem sorglichst gereinigten Bildhauer‐
ton der Synoptikertexte erwachsen ließ!
.Da ich ja hier zu Menschen rede, die bereits aus
meinen Schriften wissen können, welche Weise
des Vergleichens mir eröffnet ist, so brauche ich
wohl nicht aufs neue darzulegen, was mein Urteil
sichert, gilt es ein 
Bild des Meisters von Nazareth
an der 
Wirklichkeit zu messen...
.Wohl aber muß ich vor dem Irrtum warnen, als
könne Forscherarbeit und geniale Intuition aus
dem in Evangelientexten eingestreuten, leidlich
sicher auf Bericht Mitlebender hinweisenden Le‐
gendenschatz jemals ein Jesusbild gestalten, das
in 
allen seinen Zügen sich mit der Gestalt des Man‐
nes decken würde, der vormaleinst im alten Palä‐
stina lehrte, litt und als Gemarterter am Kreuze
starb, wonach man ihm dann selber seine Tempel
baute.
.Es ist schon 
Unschätzbares aufgestellt, vermag
hier Forschung und Gestaltungskraft ein Bild zu
schaffen, das in gewissen psychologisch wichtigen
Zügen 
Ähnlichkeit erreicht!
.«
In die Sphäre des Geheimnisses kann die Forschung
nicht vordringen...» sind Bernoullis eigene, Gren‐
zenklarheit schaffende Worte.
.Es liegen uns nur alte «
Lehr»-Kunden, aber kei‐
neswegs wirkliche «Ur»-Kunden vor, so daß es zu‐
erst unsäglicher, mühereicher Kleinarbeit vieler
Forschender bedurfte, um nur das Wenige zu si‐
chern, was vielleicht Anspruch erheben kann, als
Nachhall 
ursprünglicher Kunde zu gelten.
.Bernoulli prüft nun mit äußerster Vorsicht das
schon von Anderen gesichtete Wortmaterial aufs
neue, immer sorgsam untersuchend, ob nicht da
oder dort ein Satz die ‒ wenn auch reichlich aus‐
gebleichte ‒ 
Ursprungsfarbe trage.
.So sichert er nicht nur seinem Bildnerstoff die
Dauer, sondern gibt auch dem Leser, der stets sol‐
cher Nachprüfung beiwohnt, selbst gewisse Ur‐
teilsmöglichkeiten an die Hand.
.Zudem sind die Stellen der alten Texte stets in
der gesichertsten Übersetzung deutlich im Druck
hervorgehoben und immer zugleich auch die
minder wichtigen Verse vermerkt, für den, der
sie selbst vergleichen will.
.«
Jesus, 
wie sie ihn sahen», ist durchaus das Buch
eines an 
strengste Wissenschaftlichkeit gewöhnten
Geistes, obwohl es etwas völlig anderes ist als
«trockene Wissenschaft».
.Auch der keineswegs «wissenschaftlich» Gebil‐
dete wird von den Seiten dieses Buches kaum los‐
kommen können, so krafterfüllt und lebenerre‐
gend wird auf ihn eingesprochen, und wenn ihm
schon wirklich da und dort ein Fachwort der Ge‐
lehrsamkeit noch unbekannt ist, dann braucht er
nur weiterzulesen, um es durch den gegebenen
Zusammenhang verstehen zu lernen.
.Aber kein Leser darf vergessen, daß sich der
Forscher nur 
an das im Schriftwort Gegebene zu hal‐
ten hat, so daß denn auch hier nur gezeigt werden
kann, was der Wissenschaft 
zugänglich ist und je‐
derzeit 
nachprüfbar.
.Aus diesem Material allein darf der 
Künstler im
Gelehrten dann das Bild vergangenen Lebens ge‐
stalten, so wie es sich seiner Gestaltungskraft er‐
gibt.
.Carl Albrecht Bernoulli ist nicht nur 
Historiker
und 
souveräner Wortgestalter, sondern auch siche‐
rer 
Psychologe, der in allen Sondergebieten dieser
Spezialwissenschaft die benötigten Schächte und
Stollen genauestens kennt, und so begibt es sich
denn hier, daß der Historiker gleichsam mit der
Wünschelrute sucht, bis er die Goldverstecke auf‐
gefunden hat, die dann der Psychologe sorgsam
auszuwerten weiß, um endlich dem 
Künstler, der
er gleicherweise ist, vorzulegen, was Material zu
plastischer, rekonstruierender Gestaltung wer‐
den kann.
.Es ist allen notwendig, dieses überaus bedeut‐
same Buch zu lesen, denen bisher noch die
Brücke fehlen mag zwischen dem in der Kindheit
schon vernommenen «Wort der Schrift» und den
Mitteilungen über Jesu Leben, Wirken und Tod,
die ich in meiner Aufhellung des vierten Evange‐
liums («Die Weisheit des Johannes») seinerzeit ge‐
geben habe.
.Carl Albrecht Bernoulli hält sich allein an die
drei ersten Evangelien und an das, was er in den
 
dort als möglichst gesichert geltenden 
Textworten
intuitiv erkennt.
.Bei mir ist vom 
vierten Evangelium die Rede,
und ich gebe Mitteilung von dem, was die 
Schau‐
ungskraft der Seele mir enthüllt, ohne dafür nach ir‐
gendeinem wissenschaftlich überprüfbaren Beleg
zu suchen, da solcher Nachweis hier naturbedingt
unmöglich ist.
.Dennoch wird der Leser beider Bücher leicht
entdecken, wie nahe das aus der Gelehrten 
For‐
scherarbeit genial gestaltete, urtümlich lebensvolle
Jesusbild 
Bernoullis, dem aller Menschenmeinung
überhobenen Bestand der 
Wirklichkeit sich an‐
gleicht, der nun einmal der Wissenschaft leider
entzogen bleibt und nur dem schauenden Erle‐
ben Weniger sich offenbart.
.Ich weiß gewiß, daß man mir allerorten danken
wird für diesen Hinweis auf ein Buch, das keiner
wieder missen möchte, dem es Besitz und inneres
Erleben wurde.
ALS Ende 1917 Gustav Meyrinks phantasti‐
scher Roman «
Walpurgisnacht» erschienen
war, wurde ich von allen Seiten mit Briefen be‐
stürmt, in denen man großer Befremdung dar‐
über Ausdruck gab, daß in einem Kapitel des Ro‐
mans, in stark betonter Weise, Äußerungen zu fin‐
den seien, die doch, trotz dem phantastischen
Rahmen, allzudeutlich ihr Herkommen aus mei‐
nen, 
einige Jahre vorher veröffentlichten Einzel‐
bändchen: «
Das Licht vom Himavat» und «
Der Wille
zur Freude» verrieten.
.Ähnlicher Unmut scheint sich auch jetzt wieder
einzustellen, nachdem in einem Nachruf für Gu‐
stav Meyrink, im letzten Heft der «Säule», gerade
die hier in Betracht kommenden Textstellen des
erwähnten Romans besonders hervorgehoben
worden waren.
.Da ich aber unmöglich zulassen kann, daß üble
Mutmaßungen, die ich zu entkräften vermag,
dem Namen Gustav Meyrinks zu nahe treten,
 
während ich andererseits mich nicht in der Lage
sehe, 
in privater Korrespondenz die unberechtigten
Meinungen zu berichtigen, so bleibt mir nichts
anderes übrig, als hier vor den gleichen Lesern,
die durch die Zitate des Nachrufs zu irrtümlichen
Annahmen gelangten, die Zusammenhänge auf‐
zuklären.
Veranlaßt durch die Lektüre meiner oben ge‐
nannten Schriften hatte mich Meyrink im Früh‐
jahr 1917 an meinem damaligen Wohnort, der
etwa zehn Stunden Schnellzugsfahrt von dem sei‐
nen entfernt lag, aufgesucht, und wir waren uns
in mehrtägigen intensiven Gesprächen über den
Inhalt meiner Schriften menschlich freundschaft‐
lich nahegekommen.
.Die Folge war, daß ich ihm, 
auf seinen Wunsch
hin, gerne das Recht einräumte, alles, was ihm aus
diesen Gesprächen in der Erinnerung haften
bleibe, sowie auch alles, was in meinen Schriften
niedergelegt sei, unbedenklich 
als literarisches
«
Material» zu verwerten, wenn es ihm in seinen da‐
mals beabsichtigten und nur zum Teil später aus‐
geführten neuen Romangestaltungen, von denen
er mir viel erzählte, gerade besonders gelegen
käme.
.Sein erster, seit unserem Bekanntwerden, noch
zu Ende des gleichen Jahres, erschienener Ro‐
man war «
Walpurgisnacht».
.In dem Kapitel «
Im Spiegel» läßt er den unheim‐
lichen Somnambulen «Zrcadlo» auftreten, aus
dem zuerst «
das innerste Ich» des Kaiserlichen Leib‐
arztes Flugbeil, diesem, während der Befragung
des in Trance Befangenen, entgegenspricht, und
die in dem kürzlich erschienenen Nachruf zitier‐
ten Gedanken über die 
Freude äußert, die ja deut‐
lich genug meine Abhandlung «
Der Wille zur
Freude» als Anregungsquelle verraten.
.Später spricht dann aus dem Somnambulen
eine 
andere Stimme, die sich als die eines gleich‐
zeitig lebenden Weisen, eines «
Mandschu» zu er‐
kennen gibt, und allerlei Dinge über das «
Ich»
sagt, die ebenso deutlich auf meine Schrift: «
Das
Licht vom Himavat» bezogen sind, weit mehr noch
aber Reminiszenzen an das im damaligen Früh‐
jahr zwischen Meyrink und mir 
Gesprochene dar‐
stellen.
.Meyrink war durchaus zur 
Verwendung des
«Stoffes», um den es sich künstlerisch für ihn han‐
delte, 
berechtigt, aber 
die Art der künstlerischen
Verwendung gerade des von mir zu ihm 
Gespro‐
chenen erschien mir nachgerade 
etwas zu sehr «freie
 
Interpretation», so daß ich ihn alsbald bat, doch
lieber zukünftig auf mich als «literarische Stoff‐
quelle» 
verzichten zu wollen.
.Meines Wissens ist dann auch keine Zeile mehr
in Meyrinks weiterem Schaffen entstanden, deren
Anregung irgendwie auf mich zurückgeführt
werden dürfte, wie ja auch andererseits die Ro‐
mane «
Der Golem» und «
Das grüne Gesicht» längst
erschienen waren, bevor ich Meyrink zum ersten‐
mal sah.
In späteren Jahren hat sich übrigens Meyrink
mir gegenüber mehrfach sehr entschieden dahin
ausgesprochen, daß er «nicht im Traum» daran
denke, die in seinen okkulten Romanen behan‐
delten Lehren und Erlebnisse selbst als richtig
oder als erlebensmöglich anzusehen, obwohl er
für alles in seiner Bibliothek literarische Belege,
zum Teil sehr seltener Art, besitze. «Als Roman‐
schriftsteller» behalte er sich jedoch vor, 
das Mate‐
rial zu verarbeiten, das ihn «besonders reize», wo‐
bei er jede 
eigene Verantwortung für die aus litera‐
rischen Quellen entnommenen und von ihm
künstlerisch dargestellten Lehren 
ablehne. Seiner
Auffassung nach sei es jedoch «
einfach künstlerische
Forderung», daß der Autor eines Romans oder
einer Erzählung den Eindruck erwecken müsse,
als sei er selber überzeugt von den Dingen, die
sein Stoffgebiet ausmachen. Ihm falle es leicht,
diese Forderung zu erfüllen, da er ja tatsächlich
von der 
Existenz einer, dem Menschen normaler‐
weise unzugänglichen, okkulten Welt überzeugt
sei, deren Einflüsse er oft sogar beim Schreiben
seiner Sätze spüre.
.Man wird dem Gesamtwerk des dahingegange‐
nen Dichters nur dann gerecht, wenn man die in
seinen Romanen und Erzählungen stofflich mit‐
verwendeten 
Lehren nur auf die Gestalten bezieht,
denen er diese Lehren in den Mund legt. Er selbst
aber wollte sich niemals etwa als Lehrer okkulter
oder mystischer Anschauungen, sondern als
freier 
Künstler beurteilt sehen, dem jede Stoff‐
benützung erlaubt ist, durch die er in künstleri‐
scher Gestaltung sein Werk bereichern kann.
.Die in seinem künstlerischen Schaffen deutlich
erkennbare 
Tendenz ist bei Meyrink in seinem 
gan‐
zen dichterischen Werk 
die gleiche: ‒ Aufstochern
der Gedankenwelt des «Spießers» aller Schichten,
Klassen und Kasten, den er in den früheren Er‐
zählungen ingrimmig 
verhöhnt, während in den
okkult-phantastischen Romanen der ganze frag‐
würdige 
Unterbau einer allzuselbstgewissen dün‐
kelbeladenen Weltanschauung in grellen Blink‐
lichtern bespiegelt wird.
.Allen, die Meyrinks dichterische Stärke so we‐
nig erfaßt haben, daß sie ihm, ‒ dem phantasie‐
reichsten Menschen der mir je begegnet ist, ‒ zu‐
trauen können, er sei zu heimlichen Anleihen bei
Anderen genötigt gewesen, kann ich mit jeder
Gewißheit sagen, daß seine stets übererregte
Phantasie wahrlich um Erfindungen niemals ver‐
legen war. Wenn er dennoch immer Ausschau
hielt nach ungewöhnlichem Tatsachenmaterial
und nach Bestätigung seiner Ahnungen im Zeug‐
nis solcher Menschen, bei denen er ein unge‐
wöhnliches Erleben vermuten durfte, so waren es
rein 
künstlerische Gründe, die ihn dazu bestimm‐
ten, und nur 
künstlerische Empfindung konnte für
ihn maßgebend sein, wenn er Berichte über nicht
alltägliches Erleben auf seine Art in sein Schaffen
verwob.
.Daß die Beziehungen zwischen Meyrink und
mir, wie bekannt, allmählich in eine gewisse Ent‐
fremdung übergingen, war gleichsam automa‐
tisch eintretende Folge der übergroßen Verschie‐
denheit in der beiderseitigen Auffassung geistiger
Dinge, die ihm nur Gegenstand künstlerischer
Bearbeitung blieben, während ich ihnen nie an‐
ders als unter höchster Ehrfurcht nahen kann, da
sie mir ja 
erfahrungsgewiß sind.
 
Auszüge aus dem Briefverkehr um 1920 
->hier OO
(nicht i.d. Nachlese enthalten - nicht verifizierbar!) 
OO
ENDE