WEGWEISER
gegründet 1816
KOBER`SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG AG
BERN
Bô Yin Râ ist der Autorenname von
Joseph Anton Schneiderfranken
2. Auflage
Unveränderter Nachdruck
der 1928 erschienenen Erstausgabe
©
1971 Kober'sche Verlagsbuchhandlung AG, Bern
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung
in fremde Sprachen und der Verbreitung in Rundfunk und
Fernsehen
Druck: Graphische Anstalt Schüler AG, Biel
 
.Letztes Laub löste herbstlicher Sturm 
OO
von erstarrten Ästen.
.Welk und gelb, oder rostbraun und 
OO
rascheldürr, deckt es weithinverweht den 
OO
Weg.
.Was einst im Frühling zu grünem Leuch‐ 
OO
ten sproßte, was kühlen Schatten bot in 
OO
schwüler, mittäglicher Sommersonnenhitze, 
OO
das liegt nun abgestorben und zertreten auf 
OO
der feuchten Erde:
‒ Beute des Moders und der Fäulnis Fraß! 
OO
.Das ist die bange, nebeltrübe Zeit der 
OO
Sonnenferne!
.Das ist das große Sterben der Natur! ‒ ‒ 
OO
.So sagen die empfindsamen Dichter und 
OO
trauern dem entschwundenen Sommer nach. 
OO
 
.Aber: ist wirklich alles Leben nun er‐ 
OO
storben?
.Sind wirklich die Äste so starr und leb‐ 
OO
los geworden, seit sie ihre Blätter lassen 
OO
mußten? ‒
.Hebe deinen Blick vom Boden und bleibe 
OO
nicht im Banne der Verwesung, dann wirst 
OO
du allerorten schon die treibenden Knospen 
OO
gewahren, und dort der Haselnußstrauch trägt 
OO
gar schon die ersten, noch unerschlossenen 
OO
Blütengehänge!
.Kaum ist die Frucht geerntet und das 
OO
letzte Blatt gefallen, da zeigt sich schon Ver‐ 
OO
heißung neuen Grünens, neuen Blühens, 
OO
neuer Frühlingsherrlichkeit.
.Würde jetzt eine kurze Reihe warmer 
OO
Sonnentage kommen, dann könntest du als‐ 
OO
bald das erste junge Grün an jedem Busch 
OO
entdecken.
 
.Noch aber sind eisige Stürme zu erwarten, 
OO
so daß es gut ist, wenn vorerst die treibende 
OO
Knospe noch umpanzert bleibt. Das Leben 
OO
in ihr braucht noch Schutz.
.Doch: ‒ kaum ist der Schnee zu Wasser 
OO
geworden und in die Furchen der Felder 
OO
versickert, so regt sich auch, was jetzt noch, 
OO
fast mit Gewalt, in der Knospe zurückge‐ 
OO
halten wird.
.Alljährlich willst du wieder aufs neue 
OO
so recht geruhsam den Frühling einziehen 
OO
sehen, und immer wieder überrascht er dich 
OO
mit seinem jungen Grün fast über Nacht.
.Ein paar Sonnentage nach einem warmen 
OO
Regen, und an jedem Ästchen ist bereits 
OO
das neue Laub.
.Für eine dir gar zu lange währende Zeit 
OO
muß das Leben alle Kraft gebrauchen, sich 
OO
selbst zurückzuhalten um seine Gebilde vor 
OO
der Zerstörung zu schützen.
 
.Dann aber befreit es sich von allen Ban‐ 
OO
den und leuchtend sproßt Gestaltetes all‐ 
OO
überall hervor...
.Gewahrst du nicht, wie hier Natur dich 
OO
belehrt?!
.Auch du bist wahrlich nicht immer in 
OO
Lichtesnähe.
.Auch du hast deine Gezeiten, deren Ab‐ 
OO
lauf dein eigener Lebensrhythmus bestimmt. 
OO
.Kaum glaubtest du alles errungen und 
OO
fühltest dich nur allzugesichert in deiner 
OO
prangenden Kraft, ‒ da überkam dich plötz‐ 
OO
lich ein Ermatten, das mit jedem Tage dir 
OO
mehr von deiner Zuversicht nahm, und end‐ 
OO
lich liegt alles, was deinen Stolz verursacht 
OO
hatte, vor dir am Boden...
.Nun glaubst du alles Leben in dir er‐ 
OO
storben, und eitle Torheit meinst du zu 
OO
vernehmen, wenn man dir sagt, daß deine 
OO
 
Ermattung die gewisseste Verheißung neuer 
OO
Lebenswirksamkeit in sich birgt.
.Noch kennst du deine Gezeiten nicht 
OO
und willst nicht begreifen, daß auch 
dein 
OO
Geist nur 
in rhythmischem Wechsel 
OO
sich auswirken kann. ‒
.Auch in den Tagen deiner größten Lichtes‐ 
OO
ferne ist das Leben in dir wirksam.
.Das Kommende wird in dir vorbereitet, 
OO
auch wenn du nicht darum weißt...
.Siehe: auch du wirst wieder dem Lichte 
OO
so nahe sein wie ehedem!
.Du wirst dich entfalten zu neuer Pracht, 
OO
nachdem du deine stillen Zeiten jeweils in 
OO
Geduld ertragen hast! ‒
.Laß' dich nicht betören, traurig und 
OO
dumpf, düsteren Trübsalsträumen Sinn und 
OO
Sehnen zu überlassen, wie einer, der nichts 
OO
mehr zu hoffen hat!
 
.Sei deiner stets sich erneuernden Kraft 
OO
bewußt, und glaube an dich selbst!
.Du schaffst dein Schicksal in deinen 
OO
stillsten Stunden, und in den Tagen deiner 
OO
weitesten Lichtesferne bilden sich in dir 
OO
die Keime, denen dann ein neuer Früh‐ 
OO
ling sichtbarliche Form verleiht! ‒ ‒
.Lerne dir selbst vertrauen und vertreibe 
OO
alle Unrast aus deiner Seele, damit die 
OO
Stille in dir gestalten kann, was weiter 
OO
werden soll!
 
.Der Grad der Wahrheitserkenntnis eines 
OO
Menschen wird bestimmt durch seine 
Er‐ 
OO
lebnisse; durch die 
Intensität seines Er‐ 
OO
lebens, ‒ 
nicht aber durch die 
Erschei‐ 
OO
nungen, die dieses Erleben 
auslösen.
.So einfach und leicht begreiflich diese 
OO
Tatsache auch ist, so wenig wird sie begriffen. 
OO
.Man begegnet allerorten einer maßlosen 
OO
Überschätzung des 
Phänomens, während 
OO
die 
Erlebnisfähigkeit in den allermeisten 
OO
Fällen derart 
verkümmert ist, daß es erst 
OO
besonderer Sensationen, unerhörter äußerer 
OO
Anregungen bedarf um sie vorübergehend 
OO
noch zu erwecken.
.Wer darf sich wundern, daß dann auch 
OO
die so erzielten „
Erlebnisse” der vermin‐ 
OO
derten 
Fähigkeit zum Erlebenkönnen ent‐ 
OO
sprechen?!
 
.Was man „erlebt”, ist nur noch 
Schaum 
OO
der Oberfläche, da die Fähigkeit fehlt, 
OO
tiefer in die Erscheinung einzudringen, mag 
OO
sie auch mit der Lanzette scheinbar bis ins 
OO
Innerste zerlegt und unter dem Mikroskop 
OO
bis zu den feinsten Fasern erforscht werden. 
OO
.Auch wenn die physikalischen Bedin‐ 
OO
gungen der Erscheinung genauestens nach 
OO
exakter Forschungsmethode erkannt sind, 
OO
bleibt dennoch ein letztes, auf solche Weise 
OO
niemals Erkennbares: ‒ die „
Seele” der 
OO
Erscheinung, die nur erkannt werden kann, 
OO
wenn die Erlebnisfähigkeit derart entwickelt 
OO
ist, daß sie auch auf Anstöße reagiert, die 
OO
den physischen Sinnen 
völlig unwahr‐ 
OO
nehmbar bleiben.
.Für solches Erkennen ist es belanglos, ob 
OO
man die Erscheinung bis auf ihre innersten 
OO
Fasern seziert, oder sie in der Gesamtheit 
OO
ihrer Formkomplexe auf sich wirken läßt, 
OO
ohne sie erst mechanisch, sei es auch durch 
OO
 
die Mechanik des Denkens, in ihre einzel‐ 
OO
nen Teile aufzulösen.
.Es besteht an sich durchaus keine Be‐ 
OO
dingtheit der Tiefe und Bedeutung des 
OO
Erlebens durch die Umfänglichkeit, oder 
OO
die mechanische Wucht in der eine 
Er‐ 
OO
scheinung wahrgenommen wird!
.Ein Feuerwerk kann das Auge blenden, 
OO
und mit ungeheurem Geprassel und Ge‐ 
OO
knatter enden, ‒ dennoch kann ein win‐ 
OO
ziger Glühwurm im Dunkel sommernächt‐ 
OO
lichen Waldes Anlaß zu einem weit tieferen 
OO
Erlebnis werden als es jemals die Künste 
OO
des Pyrotechnikers in uns hervorzurufen 
OO
vermöchten...
.So ist es mit 
aller Erscheinung, möge 
OO
sie nun durch das Auge, das Ohr, oder einen 
OO
anderen physischen Sinn von uns „aufge‐ 
OO
faßt” werden!
 
.Gewiß kann die Majestät ragender Hoch‐ 
OO
gebirgsgipfel, oder die tosende Wildheit an‐ 
OO
stürmender Meeresbrandung Ursache tiefen 
OO
und starken Erlebens werden, aber auch 
OO
Allerkleinstes und 
scheinbar Unbe‐ 
OO
deutendstes kann gewaltiges Erlebnis 
OO
wecken.
.Unzählige Menschen, ‒ und wahrlich 
OO
nicht die seelisch kältesten, ‒ sind dauernd 
OO
in der 
Erwartung eines ungeheuren Er‐ 
OO
lebens, das ihre innersten Tiefen erschüttern 
OO
könne, ‒ und weil alle Sehnsucht dieses 
OO
Erleben nicht herbeiziehen kann, hasten 
OO
sie unstet suchend von Erscheinung zu Er‐ 
OO
scheinung, befangen im Wahn, das erhoffte 
OO
Erleben müsse zu 
erreichen sein, fände 
OO
man nur die gewaltige 
Erscheinung, die 
OO
durch ihre Ungeheuerlichkeit die Seele über‐ 
OO
wältigen könne.
.So bleibt ihnen schließlich kein Wunder 
OO
der Natur mehr fremd und alle Erdteile 
OO
 
werden ihnen vertraut, aber die Sehnsucht 
OO
der Seele bleibt dennoch ungestillt.
.Andere wieder suchen die große Erfül‐ 
OO
lung in den Bereichen der Kunst, der Wissen‐ 
OO
schaft, oder des abstrakten Denkens, ‒ und 
OO
wieder andere, besonders in heutigen Tagen, 
OO
erwarten alles Heil von den „Wundern der 
OO
Technik”, wenn sie nicht gar die sportliche 
OO
„Sensation” und den Kitzel verwegenen 
OO
Spiels um Leben oder Tod, als Opfer einer 
OO
Selbsthypnose, für das mit allen Kräften 
OO
ersehnte 
Erlebnis halten.
.Keiner denkt daran, daß alle die zeit‐ 
OO
weiligen 
Erregungen, die er sich solcherart 
OO
verschafft, ‒ mögen sie ihm nun auf Höhen 
OO
oder in den Niederungen der Erscheinungs‐ 
OO
welt zuteil werden, ‒ nur 
Betäubung, 
OO
ja 
Betrug an der eigenen 
Seele sind, die 
OO
nach 
wie vor ihr Recht verlangt, 
das Glück 
OO
des Erlebens zu empfinden in dem sie 
OO
ihrer selbst bewußt zu werden vermag. 
OO
 
.Solches Erleben aber kann jeder 
in 
OO
seinem allernächsten Umkreis zur Ge‐ 
OO
nüge finden, und 
weiß er es zu finden, 
OO
dann wird ihm alle Sucht nach fernem Un‐ 
OO
bekannten töricht, aller Nervenkitzel den 
OO
er andere als „Erlebnis” preisen hört, nur 
OO
als bedenkliches 
Surrogat echten Erlebens 
OO
erscheinen.
.Doch ‒ wie schon zu Anfang gesagt 
OO
‒ setzt 
wirkliches Erleben: Erlebnis‐ 
OO
Fähigkeit voraus.
.In jedem Menschen ist, latent, diese 
OO
Fähigkeit vorhanden, aber keiner wird sie 
OO
zu gebrauchen wissen, der sie nicht bis zu 
OO
einem gewissen Grade in sich 
entfaltet 
OO
hat, und solche Entfaltung ist das Werk 
OO
steter Übung.
.Erlebnis erfordert äußerste 
Konzen‐ 
OO
tration: ‒ Einstellung allen Aufnahme‐ 
OO
willens auf jeweils einen einzigen Punkt, 
OO
‒ und stete Bereitschaft, sich bei 
gege‐ 
OO
 
benem Anstoß sogleich in solcher Konzen‐ 
OO
tration zu „
sammeln”.
.Wer dagegen stets nach „
Zerstreuung” 
OO
Ausschau hält, der wird ganz gewiß nicht 
OO
seine Erlebnisfähigkeit entfalten!
.Er jagt nur von Phänomen zu Phänomen, 
OO
unersättlich wie ein Sklave berauschender 
OO
Gifte, um bestenfalls am Ende seiner Tage 
OO
einzusehen, daß alles was er je getrieben 
OO
hat „eitel” war, ‒ um dann in bitterer Re‐ 
OO
signation zu enden. ‒
.Man soll das Erlebnis auch niemals 
OO
suchen, ‒ noch soll man es als eine Feier‐ 
OO
tagsgabe betrachten.
.Das echte Erlebnis kommt stets 
unge‐ 
OO
sucht und läßt sich am leichtesten 
mitten 
OO
im Alltag finden.
.Plötzlich entdeckt man es auf Wegen, 
OO
die man gewiß nicht ging um ein 
Erlebnis 
OO
zu suchen, ‒ doch wenn man sich auf‐ 
OO
 
macht mit großer Vorbereitung, wird man 
OO
sicherlich zuletzt nach Hause kommen, 
OO
leeren Herzens und voll Traurigkeit...
.Das gilt vor allem auch für jegliches 
OO
Erlebnis das da Kunde bringen kann von 
OO
einer Welt des wesenhaften Geistes.
.Nicht in der irdischen 
Erscheinung, 
OO
wohl aber im 
Erlebnis vermag der erd‐ 
OO
gebundene Mensch das Geistige zu fassen, 
OO
und doch bedarf auch 
dieses Erleben der 
OO
Auslösung durch Formen und Ereignisse 
OO
die zur Erscheinungswelt gehören, ja das 
OO
Geistige selbst ist 
innere Erscheinungswelt 
OO
und läßt nur als solche sich im Innern der 
OO
Seele fassen. ‒
.Wo aber 
äußere Erscheinung, die den 
OO
Erdensinnen faßbar wird, sich aufzu‐ 
OO
drängen sucht als Bote aus der reinen 
OO
Geisteswelt, dort sei man stets auf seiner 
OO
Hut, denn seltener als Diamanten in dem 
OO
Ufersand des Meeres sind jene Kräftekon‐ 
OO
 
stellationen, die das Geistige den 
Erden‐ 
OO
sinnen faßbar werden lassen im 
Phäno‐ 
OO
men, und unter allen Millionen Menschen 
OO
auf der Erde sind nur zu jeder Zeit 
so 
OO
wenige, 
daß sie in einer engen Stube 
OO
sich versammeln könnten, von denen 
OO
solches Phänomen sich fassen 
läßt. ‒
.Wer aber 
Geistiges, und sei es auch 
OO
nur 
einmal, in seiner Seele 
innerstem 
OO
Erleben faßte, der 
verlangt nicht mehr, 
OO
daß es im Phänomen der Außenwelt sich 
OO
offenbare, denn ihm ward eine Offenbarung 
OO
jener Art, die manchen Schauenden so 
OO
sehr beglückte, daß er vermeinte, alle Aus‐ 
OO
senwelt sei nichts als Schein und Trug, 
OO
verglichen mit der hellen Wirklichkeit die 
OO
er in sich erfahren hatte. ‒
.Ist es schon Torheit, zu glauben, man 
OO
habe die äußere Erscheinungswelt durch‐ 
OO
drungen, weil man ihre kleinsten Teile 
OO
seinen Sinnen faßbar machte, ‒ ihre Wir‐ 
OO
 
kungsmöglichkeiten aufzuspüren suchte und 
OO
im Denken sich ein Gleichnis schuf in dem 
OO
man sie nun zu besitzen wähnt, so ist es 
OO
erst recht unsagbar töricht, verlangt man 
OO
gar, daß sich die Welt des 
Geistes auf 
OO
solche Weise in der sichtbarlichen Erschei‐ 
OO
nungswelt finden lasse, und schließt man 
OO
mit kindlichem Eigensinn: ‒ da sie 
so 
OO
nicht zu finden sei, so sei sie auch auf 
OO
andere Weise nicht erreichbar.
.Nicht minder töricht aber ist auch die 
OO
Forderung eines Beweises für das Vor‐ 
OO
handensein geistiger Kräfte, durch Mani‐ 
OO
festationen die den 
Erdensinnen faßbar 
OO
werden.
.Wer noch in solchen Irrgärten der 
Ge‐ 
OO
dankenwelt gefangen ist, der ahnt noch 
OO
nicht aus weitester Ferne was „wesenhaften 
OO
Geistes” 
Art und Gestaltung ist, ja, er 
OO
hält wohl gar 
den Teil der 
Gedanken‐ 
OO
Welt dessen Dasein er 
fühlt, obwohl es 
OO
sich ihm noch nicht erschließt: ‒ den Teil, 
OO
 
der 
außerhalb des ihn umfangenden Irr‐ 
OO
gartens ist, ‒ für den ewigen, substantiellen 
OO
Geist!
.So hören denn auch manche, daß die 
OO
Welt des wesenhaften Geistes nur im 
Er‐ 
OO
lebnis sich offenbart, und wähnen, dieses 
OO
Erlebnis längst zu kennen, als das Erleben 
OO
ihres hirngebundenen 
Denkens.
.Das 
Erlebnis aber, von dem ich hier 
OO
rede, hat 
nicht das mindeste mit dem 
OO
Denken zu tun, und die Welt des wahr‐ 
OO
haftigen, wirklichen 
Geistes ist 
himmel‐ 
OO
hoch erhaben 
über allen Wundern der 
OO
Gedankenwelt! ‒
.So aber, wie jedes Gebiet menschlichen 
OO
Erkennens dem sich aufschließt, der die 
OO
Bedingungen zu seiner Erschließung erfüllt, 
OO
so wird auch ein Mensch der seine 
Fähig‐ 
OO
keit innerlich zu erleben, an allen Erlebnis‐ 
OO
möglichkeiten der äußeren Erscheinungswelt 
OO
 
schult, allmählich dahin gelangen, 
durch 
OO
die 
Erscheinung den Anstoß zu jenem 
OO
Erleben zu erhalten, das ihm die Welt 
OO
des wesenhaften 
Geistes offenbart.
.Nur im 
Erlebnis seiner eigenen 
Seele 
OO
wird er sie 
erfassen, ‒ jene Welt, die 
OO
jenseits der Sinne und jenseits des 
OO
Denkens ist! ‒
.Dann aber erst wird ihm auch alle Er‐ 
OO
scheinung das innere 
Sein enthüllen, als 
OO
dessen Abglanz sie er-
scheint...
.Dann erst wird der Erlebende 
sein 
OO
eigenes Dasein zu deuten wissen, und 
OO
was bis dahin dunkel war, wird aufleuchten 
OO
in ewigem Licht! ‒ ‒ ‒
 
.Es ist ein wesentlich Anderes, ob ich eine 
OO
Sache im klaren Lichte des Geistes nur für 
OO
mich selbst zu 
erkennen vermag, oder ob 
OO
mir auch die Gabe geschenkt ist, das so 
OO
Erkannte 
lehrend zu 
vermitteln.
.Abgründig tief kann meine Erkenntnis 
OO
ankern, und dennoch kann es mir versagt 
OO
sein, aus solcher Tiefe die Schätze zu 
heben, 
OO
die ich alldorten verborgen 
weiß...
.Ich kann aber auch das in der Tiefe 
OO
Entdeckte längst gehoben haben und den‐ 
OO
noch der Kunst nicht kundig sein, ihm 
den 
OO
strahlenden Glanz zu geben, der seiner 
OO
würdig wäre, so daß der Anderen ohnehin 
OO
mißtrauenstrüber Blick gewiß nicht der 
OO
Schätze Wert und Bedeutung erfassen würde.. 
OO
.Das ist Binsenweisheit, die jeder zu er‐ 
OO
greifen vermag, und die Erfahrung des All‐ 
OO
 
tags schafft hier wahrlich mehr Bestätigung 
OO
als nötig wäre!
.Aber es sitzt ein gar lehrhafter Trieb in 
OO
vielen Menschen, der sie immer wieder 
OO
vergessen läßt, sich selbst zu fragen, 
von 
OO
welcher Artung der Gegenstand sein darf, 
OO
den sie noch lehrend weitergeben dürfen. ‒ 
OO
.Mancher könnte 
Segen bringen, lehrte 
OO
er nur 
das, was er zu lehren 
vermag, 
OO
jedoch die leidige Sucht, auch Dinge lehren 
OO
zu wollen, die er nicht lehren 
kann, läßt 
OO
ihn zu einem Werkzeug des 
Unheils werden. 
OO
.In 
irdischen Dingen ist solcher Lehr‐ 
OO
sucht immerhin Zaun und Riegel vorge‐ 
OO
schoben, und die von einem Unberufenen 
OO
Belehrten merken nur zu bald, daß sie töricht 
OO
vertrauten, wo sie hätten verlachen sollen... 
OO
.Dort aber, wo die äußere Erscheinung 
OO
keine Korrektur des falsch Erkannten bietet, 
OO
kann der Trieb, die anderen zu belehren, 
OO
Unheil über Unheil türmen, und es mag 
OO
 
lange währen, bis der seinem Lehrtrieb Frö‐ 
OO
nende erkennt, was er verschuldet hat, ob‐ 
OO
wohl er sich stets guten Willens wußte. ‒ 
OO
.So gibt es auch unter denen, die zum 
OO
Licht des reinen, wesenhaften 
Geistes 
OO
streben, leider nur Allzuviele, die kaum 
OO
ihr erstes dürftiges Erkennen erlebten und 
OO
schon sich nicht halten können, alsbald und 
OO
unverlangt davon zu reden.
.Kaum hat der erste Strahl der Klarheit 
OO
sie gestreift, so eilen sie durch alle Gassen, 
OO
bis sie einen Menschen finden, der sich auf 
OO
Grund des so spärlich Erkannten nun von 
OO
ihnen 
belehren läßt. ‒
.Anwälte des 
Geistes glauben sie schon 
OO
zu sein, und sind nur arme Hörige ihrer 
OO
Eitelkeit!
.Wagt dann der durch solche Lehre Be‐ 
OO
glückte gar noch 
Einspruch, da er sich 
OO
aus 
eigener Erkenntnis 
weit belehrter 
OO
 
als sein Lehrer weiß, so offenbart sich dieser 
OO
meist in seiner ganzen kümmerlichen Ar‐ 
OO
mut, ohne es zu wollen, denn es ist ihm 
OO
unerfindlich, daß ein Anderer, den er 
tief 
OO
unter sich zu sehen wähnt, Erkenntnis 
OO
haben könne, die ihm selbst noch fehlt... 
OO
.Gemeinsam allen Lehrsuchtkranken ist 
OO
die hohe Meinung, die sie von sich selber 
OO
haben! ‒
.Was sie vielleicht in Wahrheit schon 
OO
erkennen, benützen sie um sich ein Piede‐ 
OO
stal zu bauen, auf dem sie sich schon 
OO
„
höherstehend” fühlen können als die 
OO
Andern, und wenn sie reden, senken sie 
OO
alsdann die Augenlider, um „
herabzu‐ 
OO
sehen” aus erträumter Geisteshöhe...
.Sie ahnen nicht, wie sie sich 
selbst 
OO
das 
Urteil schaffen: ‒ daß sie zwar „
be‐ 
OO
rufen” waren, aber nun um ihres Dünkels 
OO
willen 
ausgeschieden werden müssen aus 
OO
 
der Zahl 
der wirklich „
Zählenden”, die 
OO
unbeirrbar weise Wahl der Ewigkeit sich 
OO
„
auserwählt”! ‒ ‒ ‒
.Sie ahnen nicht, daß ihre Lehrsucht 
OO
ihnen zum 
Verhängnis wird, so daß sie 
OO
niemals aus der ersten Dürftigkeit zur 
OO
lichten 
Fülle der Erkenntnis hingelangen 
OO
können, die nur 
denen sich erschließt, die 
OO
erst den Mund zur Lehre öffnen, wenn es 
OO
geistiges Gebot erheischt, und die 
selbst 
OO
dann nur unter Zagen und Erbeben 
OO
ihrem inneren Erkennen Wortgewänder 
OO
wirken, stets bewußt der fast untragbaren 
OO
Verantwortung, die jeder auf sich nehmen 
OO
muß, der Geistiges zu 
lehren unternimmt! 
OO
‒ ‒
.Ach, daß doch in allen, die so gerne 
OO
sich als 
Lehrende berufen fühlen möchten, 
OO
nur 
ein Weniges wäre von dem 
Bewußt‐ 
OO
sein der Verantwortung, wie es in denen 
OO
lebt, die Geistiges lehren 
müssen! ‒
 
.Wer auch nur 
ahnend fühlt, was es 
OO
hier zu verantworten gilt, der wird sich 
OO
gewiß nicht so vermessen, daß er Andere 
OO
lehren möchte, bevor er selber 
in der 
OO
untrüglichen Fülle der Erkenntnis steht! 
OO
.Es gibt keinen Tag in meinem Leben, 
OO
an den ich mit solchem Erschauern denken 
OO
müßte, wie an jenen, der mir die Pflicht, 
OO
zu lehren, auferlegte. ‒ ‒ ‒
.Wahrlich: ‒ es war ein gar schweres 
OO
Erleben, an mir selbst erfahren zu müssen, 
OO
wie anders es ist, für 
sich selbst in lichter 
OO
Erkenntnis zu stehen, und was es dann 
OO
heißen will, das Erkannte 
in Worte der 
OO
Lehre zu kleiden! ‒ ‒
.Nur allzunahe lag damals die Versuchung, 
OO
zu beten: ‒ „
Herr, 
lege mir diese Last 
OO
nicht auf! ‒ 
Erbarme Dich und suche 
OO
Dir einen anderen Knecht!” ‒ ‒
 
.Aber solches Gebet wäre 
Lästerung ge‐ 
OO
wesen und geistige 
Selbstvernichtung... 
OO
.Nicht einem aus denen, die jemals 
OO
als Berufene vom Geiste sprachen, ist 
OO
diese furchtbare Stunde erspart geblieben. ‒ 
OO
.Wer aber wirklich vom Geiste reden 
OO
darf, weil er 
aus eigener Erfahrung 
OO
reden 
kann, der vermag kaum zu fassen, 
OO
daß es Menschen gibt, die leichthin über 
OO
kaum Erkanntes sprechen, ‒ vorlaut 
OO
sprechen, ohne Not und Zwang. ‒ ‒
.Schicksalhafte Nötigung bleibt je‐ 
OO
dem, der aus dem Geiste lehren muß, jedes 
OO
Wort der Lehre, obwohl er weiß, daß er 
OO
voreinst sich selbst zu solchem Schicksal 
OO
dargeboten hatte, als er noch nicht wußte 
OO
um die Qual, die ihm aus erdenhafter Hem‐ 
OO
mung werden würde...
.Man steht an einem urtiefen Brunnen 
OO
und hält einen winzigen Becher in der 
OO
 
Hand um zu schöpfen, auf daß man den 
OO
Verschmachtenden zu trinken geben könne. 
OO
.Wohl quillt der Trank aus unergründ‐ 
OO
barer Tiefe, aber ‒ 
wie wenig ist das, 
OO
was der winzige Becher 
faßt, gemessen an 
OO
dem nie versiegenden Überfluß, der immer‐ 
OO
fort tausendfach ersetzt, was der Quelle ent‐ 
OO
nommen wurde! ‒
.Keiner erlebt so sehr das Gefühl seiner 
OO
menschlichen Ohnmacht, wie der, dem es 
OO
Pflicht ward, aus diesem Brunnen zu 
OO
schöpfen, und der mit 
Eimern schöpfen 
OO
möchte, aber auf ein Schöpfgefäß verwiesen 
OO
ist, das 
kaum mehr in sich aufnehmen 
OO
kann als eine 
hohle Hand. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 
OO
.Was aber soll man von denen dann 
OO
halten, die vielleicht 
ein Tröpflein des 
OO
lebendigen Wassers benetzte, und die sich als‐ 
OO
dann gebärden, als hätten sie 
den Brunnen 
OO
ausgeschöpft!?!
 
.Es ist menschlich verzeihlich, wenn einer, 
OO
der zu seiner ersten kleinen Erkenntnis 
OO
kam, so überwältigt von seinem Erleben 
OO
ist, daß er nun glaubt, er könne nichts 
OO
Besseres tun, als auch Anderen mitzuteilen, 
OO
was er erkannte, oder zu erkennen meint. 
OO
.Dennoch ist solches Verhalten nicht nur 
OO
Torheit, sondern 
Schuld, weil es die 
Ehr‐ 
OO
furcht vor dem Ewigen vermissen läßt, 
OO
denn jeder, der bei Sinnen ist, muß sich 
OO
zu sagen wissen, daß auch 
unerhörtes Er‐ 
OO
leben geistigen Erkennens ihn nicht mit 
OO
einemmale in die Fülle der Erkenntnis ver‐ 
OO
setzen kann, ‒ daß er nicht berufen ist, 
OO
zu 
lehren, solange er selbst noch der Lehre 
OO
bedarf. ‒
.Wohl darf er den Anderen sagen: ‒ 
OO
„Seht, 
so habe ich es von denen ver‐ 
OO
nommen, 
die mich lehrten, und 
einiges 
OO
davon ward durch 
Erkenntnis mir 
be‐ 
OO
stätigt!” ‒ aber wenn er nicht mit Schuld 
OO
sich schwer beladen will, dann muß er auch 
OO
 
die Demut in sich finden, zu bekennen: 
OO
‒ „Dieses und auch jenes weiß ich zwar, so 
OO
wie man Dinge wissen kann, die man 
von 
OO
einem Anderen hört, allein, 
mir selber 
OO
ist das alles noch erlebensfremd!” ‒ ‒ ‒ 
OO
.Niemals darf sein spärliches Erkennen 
OO
ihn verleiten, nun den Anschein zu er‐ 
OO
wecken, als sei auch 
Anderes, das er nur 
OO
aus der 
Lehre kennt, in seinem Innersten 
OO
bereits durch eigenes 
Erleben aufgenommen 
OO
worden, auch wenn er längst der festen Über‐ 
OO
zeugung ist, daß dieses nur aus Menschen‐ 
OO
mund Vernommene 
die gleiche Wahr‐ 
OO
heit in sich birgt, wie das, was er in sich 
OO
erkennen und erleben durfte! ‒ ‒
.Er würde sonst nur sein Erkennen 
OO
hemmen und zuletzt 
unmöglich werden 
OO
lassen, denn alles, was er sich vor anderen 
OO
als Erkenntnis seines eigenen Innern 
OO
zuspricht, noch 
bevor er es erkennend in 
OO
sich selbst 
erlebte, wird dem wirklichen 
OO
Erkennen 
unerreichbar bleiben...
 
.Unzählige, die einer Wahrheitslehre folg‐ 
OO
ten und auf dem besten Wege zur Erkenntnis 
OO
waren, haben so sich 
um ihr wirkliches 
OO
Erkennen selbst betrogen, weil sie sich 
OO
nicht enthalten konnten, Anderen den An‐ 
OO
schein zu vermitteln, als 
hätten sie bereits 
OO
im Innersten erkannt, was die als wahr er‐ 
OO
fühlte Lehre sie vorerst erkennen 
lehren 
OO
wollte. ‒ ‒ ‒
.Die Lehre, die in dieser Zeit nunmehr 
OO
mein Wort erneut der Welt vermittelt, er‐ 
OO
reichte vor Jahrtausenden schon Seelen, die 
OO
zuletzt sie 
in sich selbst bestätigt fanden, 
OO
durch das eigene Erleben.
.Sie soll 
auch heute wieder solche 
OO
Menschen finden, und sie 
fand bereits nicht 
OO
wenige, die in sich selbst 
erlebten, was 
OO
meine Worte als erlebensmöglich künden. 
OO
.Obwohl nun aber alles, was ich lehre, 
OO
Gemeinschaftsgut und wohlerprobtes Wis‐ 
OO
 
sen aller derer ist, die jemals in der 
Fülle 
OO
des Erkennens waren, wie derer, die in 
OO
kommenden Jahrtausenden aus 
gleicher 
OO
Fülle lehren können, mußte ich doch erst 
OO
selbst in dieser Erkenntnis stehen, bevor 
OO
ich aus ihr reden durfte. Es ist aber noch 
OO
nichts gewonnen, wenn man nur vernimmt, 
OO
was 
meine eigene Erkenntnis ist, solange 
OO
man nicht willens ist, Bestätigung dafür 
OO
auch 
in sich selbst zu suchen. ‒
.Auch was die 
Schüler dieser Lehre, die 
OO
sie in sich selbst bestätigt 
fanden, nun 
OO
etwa vermitteln können, bleibt nur sehr 
OO
bedingten Wertes, solange man sich nicht 
OO
bestrebt, auch 
in sich selbst Gewißheit 
OO
zu erlangen.
.Die Art und Weise aber, wie die einzelne 
OO
Seele solche Gewißheit 
erlangt, ist gar sehr 
OO
verschieden, weshalb denn auch mein 
OO
Wort sich stets aufs neue müht, gesondert 
OO
aller Möglichkeiten zu gedenken.
 
.Hier ist der Grund dafür zu suchen, 
OO
daß ich die Lehre stets in einer anderen 
OO
Form in Abhandlungen gebe, die in der 
OO
Einheit eines kleinen Buches immer das zu‐ 
OO
sammenschließen, was 
besonderer Seelen‐ 
OO
artung Hilfe bringen soll. ‒
.Gewiß wird 
Jeder nun aus 
jedem 
OO
dieser kleinen Bücher mancherlei entneh‐ 
OO
men können, was ihn angeht, allein es wird 
OO
auch Jeder die 
für ihn in Sonderheit 
OO
bestimmten Lehrkomplexe finden, so daß 
OO
er dann aus meinen Worten leicht erfühlen 
OO
kann, was 
seiner Seelen-Art gemäß ist, ‒ 
OO
was er von sich 
fordern muß, und was 
OO
er wohl von sich 
erwarten darf.
.Es ist jedoch 
nicht ratsam, ‒ wenn 
OO
es auch dem Urteilsfähigen kaum schaden 
OO
wird ‒ den Inhalt dieser Buch-Einheiten 
OO
wahllos in ein anderes Gefüge einzuordnen. 
OO
.Ich will, daß man als 
Einheit zu er‐ 
OO
fassen suche, was ich schon äußerlich als 
OO
 
Einheit gab, und nicht die Worte 
eines 
OO
Buches 
willkürlich mit den Worten eines 
OO
anderen mische!
.Nur so wie ich die Abhandlungen an‐ 
OO
einanderfügte, wollen sie gelesen und be‐ 
OO
trachtet werden.
.Das will nicht heißen, daß man nicht 
OO
dennoch manchen Ausspruch finden könne, 
OO
der mit anderen aus meinen 
anderen 
OO
Büchern sich vereinen ließe, ‒ ja, es könnte 
OO
sein, daß sich hier eine reiche Sammlung 
OO
bieten würde, wollte man vereinen, 
was 
OO
sich dem Sinn nach wirklich anein‐ 
OO
anderschließt.*) 
OO
.Ich will nur warnen vor der Neigung, 
OO
Sätze und Gedankenreihen, die in 
einem 
OO
Buche wohlbegründet ihren Platz gefunden 
OO
haben, 
willkürlich dem Zusammenhange 
OO
zu entreißen, um sie 
ähnlichen Bekun‐ 
OO
dungen des 
anderen Buches gleichzusetzen, 
OO
 
.*) Mittlerweile ist dies geschehen. Siehe: Rudolf Schott OO
„Brevier des Werkes von Bô Yin Râ”!
in dem sie einen nicht von mir ge‐ 
OO
wollten Sinn erhalten könnten.
.Es würde sich dann 
sicher nicht um 
OO
„Widersprüche” handeln, denn wie 
könnten 
OO
Widersprüche 
möglich sein, wo jedes Wort 
OO
aus 
gleicher Wirklichkeitserkenntnis fließt, 
OO
‒ doch wäre Gefahr gegeben, daß als Wider‐ 
OO
spruch 
empfunden werden könnte, was 
OO
nur 
von anderem Gesichtspunkt her 
OO
gesehen ist.
.Letztlich aber bleibt das wichtigste Er‐ 
OO
fordernis für jeden Menschen der sich 
OO
meiner Lebenslehre widmet, daß er nach 
OO
ihren Anweisungen 
handelt...
.Dann wird ihm aus der Lehre der Weg 
OO
zum 
Leben im urewigen 
Licht, und 
OO
höchstes Erkennen in der 
Liebe. ‒ ‒
.So aber, wie man nicht 
lehren soll, 
OO
was man selbst noch nicht 
erkannte, so 
OO
soll man auch nicht schon zu „
erkennen” 
OO
 
glauben, was man erst nur 
in der Theorie 
OO
erfaßte, und was dann noch weit entfernt 
OO
ist von 
praktischer Bestätigung!
.Wie kannst du wissen, ob du 
Wahrheit 
OO
weitergibst, solange das, was du zu geben 
OO
hast, sich 
dir noch nicht 
als wahr er‐ 
OO
wiesen hat?! ‒
.Nicht, 
daß ich also lehre, darf dir als 
OO
Bestätigung der Wahrheit meiner Lehre 
OO
gelten, sondern 
was ich lehre, muß sich in 
OO
deiner Erfahrung 
bewährt haben, als 
un‐ 
OO
anfechtbare Wahrheitserkenntnis!
.Dann erst darfst 
du weitergeben, was 
OO
vordem 
ich dir gegeben habe! ‒ ‒ ‒
 
.Daß nicht jeder, der gute Augen hat, 
OO
auch „sehen” kann, haben die Maler all‐ 
OO
mählich den Menschen beigebracht, die sich 
OO
für ihre Kunst interessieren.
.Man hat gehört, man müsse erst sehen 
OO
„
lernen”, wolle man wie die Maler sehen 
OO
können, um dann zu verstehen, daß Wiesen 
OO
nicht unter allen Umständen 
grün, ‒ daß 
OO
Eichbäume auch zuweilen blau zu malen 
OO
seien...
.Es handelt sich hier um die Erkenntnis, 
OO
daß es 
nicht genügt, gesunde Augen zu 
OO
haben, um auch richtig „
sehen” zu können, 
OO
sondern daß 
künstlerisches Sehen 
er‐ 
OO
lernt und 
geübt sein will.
.Ist es aber mit dem rechten 
Lesen nicht 
OO
ebenso?! ‒
 
.Jeder, der in der Schule die Bedeutung 
OO
der Buchstabenzeichen erfaßt hat und so 
OO
nach und nach zum „Lieben Leser” einer 
OO
Zeitung heranwuchs, bildet sich felsenfest 
OO
ein, er könne „lesen”, und wenn du es 
OO
ihm nicht glaubst, dann liest er dir was 
OO
du nur hören magst im schönsten Pathos 
OO
vor, um es dir zu beweisen.
.Ob er aber wirklich „
lesen” kann, 
OO
weißt du dann immer noch nicht!
.Du hast dich nur überzeugt, daß er Buch‐ 
OO
stabenzeichen und ihre Kombination zu 
OO
Worten oder Sätzen richtig durch Mundlaute 
OO
auszudrücken vermag.
.„
Lesen” ist aber denn doch noch 
etwas 
OO
anderes!
.Von einem der behauptet, „
lesen” zu 
OO
können, darfst und mußt du getrost ver‐ 
OO
langen, daß er nicht nur Buchstabenzeichen 
OO
ins Mundgerechte übersetzen und dir bei‐ 
OO
läufig den Sinn der Worte, korrekt nach 
OO
 
dem Wörterbuch, zu Verstande bringen, oder 
OO
die Sätze grammatikalisch analysieren kann, 
OO
‒ sondern daß er 
vor allem „versteht”, 
OO
was der Verfasser des Geschriebenen mit 
OO
Buchstaben, Worten und Sätzen anderen 
OO
Gehirnen 
übermitteln wollte. ‒ ‒
.Das aber wird sich oft gar nicht so leicht 
OO
aus dem gerade gelesenen Satz 
allein ersehen 
OO
lassen, sondern der Leser wird das Schrift‐ 
OO
stück an den 
verschiedensten Punkten 
OO
nach der Meinung des einen Satzes befragen 
OO
müssen, um zur Sicherheit im Verstehen 
OO
zu gelangen, ‒ und 
ein andermal wieder 
OO
wird der, der wirklich „lesen” 
kann, so‐ 
OO
fort wissen, daß er von allen anderen Sätzen 
OO
absehen muß, will er zum richtigen Ver‐ 
OO
stehen eines in sich selbst beschlossenen 
OO
Satzes kommen.
.„
Lesenkönnen” verlangt als Voraus‐ 
OO
setzung ein möglichst hochentwickeltes 
Ein‐ 
OO
fühlungsvermögen.
 
.Nicht nur der ehrliche Wille, 
den Autor 
OO
(und 
nicht sich selbst) zu vernehmen, 
OO
muß vorhanden sein, sondern zugleich auch 
OO
die Fähigkeit, 
sich in die Gedanken‐ 
OO
gänge des Autors zu versetzen, und so 
OO
dann gleichsam an 
seinem Denken 
teil‐ 
OO
zunehmen.
.Handelt ein Schriftwerk nur von Dingen, 
OO
die 
alltäglich erfahrbar und mit Wohl‐ 
OO
bekanntem leicht vergleichbar sind, dann 
OO
kann wohl auch schon 
geringes Einfüh‐ 
OO
lungsvermögen zu richtigem Verstehen ge‐ 
OO
nügen, ‒ aber 
anders werden die Bedin‐ 
OO
gungen der Übertragbarkeit von Gedanken 
OO
durch geschriebene oder gedruckte Worte, 
OO
sobald es sich um Mitteilungen handelt, die 
OO
wenig Vergleichsmöglichkeiten im Allbe‐ 
OO
kannten finden, ‒ und 
ganz unmöglich 
OO
ist ein richtiges Verstehen ohne intensive 
OO
Einfühlung, wenn irdischer Erscheinungs‐ 
OO
form 
nicht zu Vergleichendes der Vor‐ 
OO
stellung des Lesers deutlich werden soll... 
OO
 
.Wir Menschen werden uns verstehbar, 
OO
indem der eine das ihm 
bekannt gewor‐ 
OO
dene, soweit es anderen noch 
unbekannt 
OO
ist, darzustellen sucht mit Hilfe dessen, was er 
OO
als 
allgemein bekannt voraussetzen darf. 
OO
.Nun ist aber wirklich 
nicht alles allen 
OO
erfahrbar, und nur engstirnig-eitle Ahnungs‐ 
OO
losigkeit kann diese Tatsache leugnen.
.Je weiter jedoch des Einzelnen geistiger 
OO
Umfang reicht, je respektabler sein „
For‐ 
OO
mat” ist ‒ um dieses Modewort hier als 
OO
Verdeutlichungsbehelf zu gebrauchen, ‒ 
OO
desto sicherer besitzt er die Erkenntnis, daß 
OO
noch gar Vieles ihm selber 
nicht erlangbar 
OO
ist, wohl aber 
durch Andere, die es 
er‐ 
OO
langten, auch ihm begreifbar werden kann. 
OO
.Die Frucht aus fernen Landen, die deine 
OO
Tafel ziert, brauchst du nicht selbst zu pflük‐ 
OO
ken, und dennoch kannst du sie genießen! 
OO
.Soll dir darum in einer Niederschrift noch 
OO
Fernes, deinen Vorstellungen 
Fremdes 
OO
 
übermittelt werden, so wirst Du es nur 
OO
prüfen können, indem du 
in dich auf‐ 
OO
nimmst, was dich so erreicht, auch wenn 
OO
du vorerst noch 
nichts anderes kennst dem 
OO
es 
vergleichbar wäre. ‒
.Das heißt mit anderen Worten:
.Je ferner dir des Autors eigene Erfahrung 
OO
ist, ‒ je ferner Vergleichen mit der Sinnen‐ 
OO
welt, ‒ desto mehr mußt du versuchen, 
OO
dich in seine Ausdrucksweise 
einzufühlen, 
OO
wenn du wirklich ihn 
verstehen lernen 
OO
willst! ‒
.Du mußt 
dich selbst in deiner Vor‐ 
OO
stellung an 
seiner Stelle sehen und in 
OO
deinem eigenen Erfühlen 
nacherleben, 
OO
was er durch das Wort dir so erkenntnis‐ 
OO
nahe bringen möchte, wie er es in sich 
OO
selbst erkennt. ‒
.Dann wirst du von dir sagen dürfen, daß 
OO
du zu „
lesen” weißt, wie jeder Redliche 
OO
 
zu lesen wissen sollte, bevor er sich an Worte 
OO
wagt, in denen seelisches Erleben sagbar 
OO
werden will! ‒
.Und 
solches „Lesen” wird dich auch 
OO
belehren, ob das, was du als „lesenswert” 
OO
erachtest, wirklich 
Lesens-
Werte in sich 
OO
trägt, denn alles 
Hohle wird dir seine 
OO
innere Leere zeigen müssen, da es nicht 
OO
in deiner Seele Tiefen sinken kann, die 
OO
nur das wahrhaft 
Vollgewichtige erreicht. 
OO
‒ ‒ ‒
.Man liest heute viel, vielleicht nur all‐ 
OO
zuviel, und doch verstehen wenige die Kunst 
OO
des rechten Lesens.
.Das Zeitungslesen hat diese Kunst ver‐ 
OO
nichtet. 
Die Ehrfurcht vor dem Buche 
OO
ist dahingeschwunden.
.Man weiß nicht mehr anders zu lesen 
OO
als in fliegender Hast, so wie man gewohnt 
OO
ist, täglich das Morgenblatt zu durchstöbern. 
OO
 
.Daß ein Buch 
gebaut sein kann wie 
OO
ein Tempelbau, ‒ daß jede 
Silbe dann 
OO
einen Baustein bildet, der nicht fehlen darf, 
OO
kommt dem gierigen Leser nicht zu Be‐ 
OO
wußtsein. ‒
.Wer weiß noch etwas von der 
Magie des 
OO
Lesens, die in dem Leser das Gelesene 
neu 
OO
erstehen läßt zu unverlierbarem Besitz?! 
OO
.Man sollte wissen, daß man durch ein 
OO
Buch mit seinem Autor in 
seelische Ge‐ 
OO
meinschaft tritt, und sollte 
zu wählen 
OO
wissen, 
mit wem man in solche Gemein‐ 
OO
schaft treten mag. ‒
.Ein Buch ist das magische Mittel, 
Ge‐ 
OO
dankenbilder in dir zu erzeugen, die 
OO
denen gleichen, die sein Autor schuf. Du 
OO
wirst aber kein Gedankenbild in deiner 
OO
Seele gestalten oder gar liebevoll hegen 
OO
können, das nicht auf geheimnisvolle Weise 
OO
teilhat an Deiner 
Seele Formung.
 
.So ist denn dein Lesen sehr verantwort‐ 
OO
liches Tun.
.Nur dort solltest du lesen, wo du gewiß 
OO
sein kannst, daß die Gedankenbilder, die 
OO
dein Lesen in dir zeugt, deiner Seele höchste 
OO
Formung fördern.
.Es müssen durchaus nicht immer ab‐ 
OO
gründig ernste Bücher sein, die solches 
OO
bewirken.
.Auch Humor und Satire können gött‐ 
OO
liche Kräfte in dir erwecken, die du bei 
OO
der Formung deiner Seele wahrlich nicht 
OO
missen darfst!
.Ja, es ist möglich, zuzeiten Bücher mit 
OO
hohem Gewinn zu lesen, deren einziger Wert 
OO
in der Macht der Spannung liegt, die der 
OO
Autor im Leser zu erzeugen weiß.
.Ich will hier gewiß kein Puritanertum 
OO
des Lesens predigen!
 
.Wenn du aber lesen willst, dann lies 
OO
‒ was immer du lesen magst ‒ als einer, 
OO
der da bewußt das Wunder erlebt, daß Reihen 
OO
seltsamer Zeichen auf einem Blatte Papier 
OO
seine eigene Schöpferkraft erregen können, 
OO
so daß in ihm selber die gleichen Gedanken‐ 
OO
bilder erstehen, die einst in eines anderen 
OO
Menschen Seele erste Gestaltung fanden.
.Erziehe dich selbst zur Ehrfurcht vor 
OO
dem Wort!
.Eine einzige Seite so gelesen, daß dir 
OO
eines jeden Wortes weitester Umfang deut‐ 
OO
lich zu Bewußtsein kam, wird dir mehr 
OO
Segen bringen, als wenn du das beste Buch 
OO
„in einem Zuge” durchgelesen hättest, kaum 
OO
noch der 
Sätze achtend, geschweige denn 
OO
dem einzelnen 
Worte hingegeben.
.Erst wenn du recht zu lesen weißt, ge‐ 
OO
hört das Buch dir allein.
.Deine eigene Wertung wird seine Worte 
OO
wandeln, so daß du 
anderes lesen wirst als 
OO
 
alle anderen, die das gleiche Buch in Händen 
OO
halten. ‒ ‒
.Ein Buch kann so für dich einen Wert 
OO
erlangen, der hoch über seinem sichtbaren 
OO
Inhalt steht. ‒
.Du kannst sogar seelisch reicher werden 
OO
durch das rechte Lesen eines Buches, als 
OO
der Autor, der es schuf...
.Ich rate dir: ‒ wage den Versuch und 
OO
lies einmal ein Buch auf solche Art. Wenn 
OO
du dich selber festzuhalten weißt, so daß 
OO
du dir nicht unvermerkt dabei entschlüpfen 
OO
kannst, dann wirst du gewiß nicht mehr 
OO
auf andere Art zu lesen wünschen.
.Es ist nur geringe Mühe, die man hier 
OO
von dir verlangt, vergleichst du sie mit dem 
OO
Gewinn, der dir auf diese Weise werden 
OO
kann.
.Auch „leichte” Lektüre werde niemals 
OO
anders von dir gelesen, als 
mit treuer 
OO
 
Wortbeachtung, denn wie sollte Formungs‐ 
OO
kräftiges, das auch im Scherz und in gar 
OO
wenig gedankenbeschwerter Rede sich ver‐ 
OO
stecken kann, dir zu Bewußtsein kommen, 
OO
wenn du nur gleichsam in weiten und 
OO
flüchtigen Sprüngen die Sätze „überfliegst”, 
OO
statt alle ihre Deutungsmöglichkeiten auf‐ 
OO
zuspüren?! ‒
.„
Lesen lernen” heißt: ‒ sich selbst 
OO
als Lesenden 
achten, und somit sich selbst 
OO
zu gut sein zu unfruchtbarem Tun! ‒
.Alles, was du lesen magst, kann dir 
OO
reiche 
Frucht tragen, so du nur recht zu 
OO
lesen verstehst! ‒ ‒ ‒
 
.Es ist etwas Geheimnisvolles um das 
OO
Stückchen Papier, das da, bedeckt mit selt‐ 
OO
samen Zeichen, von einem Menschen zum 
OO
anderen geschickt werden kann, und des 
OO
einen Gedanken wie seine Gefühle dem 
OO
anderen vermittelt.
.Da aber der briefliche Verkehr von 
OO
Mensch zu Mensch ein Bedingnis des All‐ 
OO
tagslebens geworden ist, so ward er uns nur 
OO
allzusehr vertraut, und es bedarf erst eines 
OO
Herausrückens unserer selbst aus dem Ge‐ 
OO
leise alltäglicher Denkgewohnheiten, sollen 
OO
wir wieder das Geheimnisvolle solcher Mit‐ 
OO
teilungsmöglichkeit empfinden können.
.Dieses hier gemeinte Geheimnisvolle aber 
OO
ist keineswegs schon umschrieben durch den 
OO
Hinweis auf den so wundersamen Vorgang, 
OO
daß ein Gedanke sich in Schriftzeichen 
OO
 
bannen läßt, und daß er dann jederzeit 
OO
aus solchen Zeichen wieder zu lösen, gleich‐ 
OO
sam „aufzulesen” ist, denn der gleiche Vor‐ 
OO
gang wiederholt sich ja bei jedem gedruckten 
OO
oder geschriebenen Wort in der nämlichen 
OO
Weise.
.Es handelt sich hier vielmehr um das 
OO
unsichtbare und nur dem 
Fühlen wahr‐ 
OO
nehmhafte Fluidum, das mit dem Stück‐ 
OO
chen Papier und seinen Schriftzeichen 
zu‐ 
OO
gleich an den Empfänger gelangt und von 
OO
ihm aufgenommen, „aufgesogen” wird, mag 
OO
er darum wissen oder nicht.
.Jeder auch nur einigermaßen sensitive 
OO
Mensch 
fühlt dieses Fluidum ebensodeut‐ 
OO
lich wie er die Schriftzeichen durch das 
OO
Auge zu 
sehen vermag, aber wer es 
nicht 
OO
fühlt, der wird nicht weniger davon beein‐ 
OO
druckt, ‒ nur vermag er sich darüber keine 
OO
Rechenschaft zu geben.
 
.Es ist dabei ohne Bedeutung, ob ein 
OO
Brief handschriftlich oder mit Hilfe eines 
OO
mechanischen Apparats geschrieben wurde, 
OO
wenn er nur aus des Schreibers Händen 
OO
kommt, also nicht erst in Buchdruck um‐ 
OO
gesetzt wurde und auf anderes Papier über‐ 
OO
tragen! ‒
.Das Papier an sich ist der Träger des 
OO
hier gemeinten Fluidums, und dieses Flui‐ 
OO
dum wäre auch übertragbar, wollte der Ab‐ 
OO
sender nur das Papier „
bedenken”, statt 
OO
es zu beschreiben. ‒ ‒
.Auf diese Weise besteht der „
Inhalt” 
OO
eines Briefes durchaus nicht nur in dem, 
OO
was die niedergeschriebenen 
Worte besagen, 
OO
ja, der wichtigere und nur 
fühlbare In‐ 
OO
halt kann geradezu das 
Gegenteil von dem 
OO
übermitteln, was die sichtbaren Sätze sinn‐ 
OO
gemäß bedeuten. ‒ ‒ ‒
.Daraus ergibt sich aber, daß man einen 
OO
Brief immer nur dann wirklich beurteilen 
OO
 
kann, wenn er soeben eröffnet, direkt vom 
OO
Schreiber kommt, denn das besagte Fluidum 
OO
verflüchtigt sich 
sehr schnell, und in we‐ 
OO
nigen Tagen schon ist kaum mehr viel da‐ 
OO
von zu fühlen.
.Ein Brief ist nun aber auch ureigentlich 
OO
nur für seinen 
Empfänger bestimmt, auf 
OO
den ja dann unweigerlich das mitgesandte 
OO
Fluidum übergeht, es sei denn, er wisse 
OO
um dessen Existenz und fühle Veranlassung, 
OO
sich dagegen zu wehren und es von sich 
OO
abzuschleudern...
.Aber wie könnte man nun, im Wissen 
OO
um all diese Dinge, noch die heute gras‐ 
OO
sierende Unsitte rechtfertigen, die Brief‐ 
OO
wechsel aller möglichen und unmöglichen, 
OO
bedeutenden und herzlich unbedeutenden 
OO
Menschen unter irgend einem fadenschei‐ 
OO
nigen Vorwand auszugraben, um sie zur 
OO
Vermehrung des offenbar noch immer zu 
OO
 
dürftigen alljährlichen Bücherzuwachses auf 
OO
den Markt zu werfen!??
.Um keinerlei Zweifel Raum zu geben, 
OO
will ich hier deutlichst kundtun, daß mir 
OO
Weniges in der Welt so verhaßt ist, wie 
OO
solche widerliche und gleichsam „leichen‐ 
OO
schänderische” Briefwechselfabrikation!
.Wer immer Schriftstellerruhm zu den un‐ 
OO
entbehrlichen Lebensnotwendigkeiten rech‐ 
OO
net, aber selbst nichts auch nur irgendwie 
OO
Bedeutsames zu sagen hat, der sucht mit 
OO
der Herausgabe eines „Briefwechsels” sich 
OO
einen „Namen” zu ergattern, und Herr 
OO
Neureich kann sich eine ganze Bibliothek 
OO
aus Briefwechselbänden zusammenstellen 
OO
lassen, was für ihn auch recht praktisch 
OO
ist, denn er kann nach einigem Durch‐ 
OO
blättern eines Briefwechselbandes schon sehr 
OO
unterrichtet erscheinen, auch wenn er nie 
OO
sonst eine Zeile des betreffenden Schriftstel‐ 
OO
lers gelesen hat.
 
.Der arme Briefschreiber selbst kann sich 
OO
ja nicht mehr wehren und muß sich aus‐ 
OO
plündern lassen, einerlei ob es dem Her‐ 
OO
ausgeber darum zu tun ist, 
seinen eigenen 
OO
Namen bekannt werden zu lassen, oder ob 
OO
er mit dem Hervorzerren der alten Briefe 
OO
deren Autor zu ehren glaubt...
.Die Manie, Briefe von irgendwie be‐ 
OO
achtsameren Menschen nach ihrem Tode 
OO
zu veröffentlichen, ist geradezu 
kultur‐ 
OO
feindlich zu nennen. Briefe eines Men‐ 
OO
schen die man vor 
Fremde zerrt, für die 
OO
sie 
nicht bestimmt waren, ergeben schon 
OO
deshalb ein unrichtiges Bild, weil sie 
OO
doch niemals alle die Umstände erkennen 
OO
lassen können, aus denen heraus sie ge‐ 
OO
schrieben wurden. Außerdem ist jeder solche 
OO
Briefwechsel, da ursprünglich nur Ange‐ 
OO
legenheit zweier bestimmter Menschen, für 
OO
den späteren Leser als ungebetenen Dritten 
OO
denn doch ein recht bedenkliches Förde‐ 
OO
 
rungsmittel der Erkenntnis, weil hier ganz 
OO
selbstverständlich subjektive Nachempfin‐ 
OO
dung an Stelle objektiven Aufnehmens tritt, 
OO
auch wenn man das nicht wahrhaben will, 
OO
und es selbst wohl auch nicht mehr bemerkt. 
OO
.Eine Ausnahme bilden nur Briefe ganz 
OO
allgemeinen Inhalts: wie 
Schilderungen 
OO
von Reisen oder Zeitbegebenheiten, 
OO
humoristische Ergüße, und auch 
Liebes‐ 
OO
oder 
Erziehungsbriefe, da es in allen 
OO
diesen Fällen wenig verschlagen kann, ob 
OO
der Leser das Mitgeteilte nun objektiv an 
OO
sich herantreten läßt oder ob er sich sub‐ 
OO
jektiv in die Rolle des Briefschreibers 
OO
einfühlt.
.Nun gibt es freilich auch Briefe, die 
OO
schon geradezu im Hinblick auf spätere Ver‐ 
OO
öffentlichung geschrieben wurden...
.Hier handelt es sich aber schon kaum 
OO
mehr um die geheimnisvolle Brücke von 
OO
Mensch zu Mensch, als die ich den „Brief” 
OO
 
aufgefaßt sehen will, sondern mehr um eine 
OO
Art von 
Essays in Briefform, die man 
OO
gewiß nicht an sich abzulehnen braucht, 
OO
sobald ein Mensch, der etwas zu sagen hat, 
OO
aus irgend einem Grunde sich ihrer be‐ 
OO
dienen mag!
.Es soll aber immerhin leider Menschen 
OO
geben, die es nicht unter ihrer sonst so 
OO
sorglich gehüteten und betonten Würde 
OO
finden, auch ihre scheinbar intimsten Privat‐ 
OO
briefe im Gedanken an eine mögliche spätere 
OO
Veröffentlichung zurechtzustilisieren...
.Auch eine Form menschlicher 
Eitel‐ 
OO
keit, wenn auch eine gar merkwürdige 
OO
Geschmacksbekundung! ‒ ‒
.Wenn aber Briefe wieder das werden 
OO
sollen, was sie in guten Zeiten und für so 
OO
manche, ihrer Ewigkeit wirklich 
bewußte 
OO
Menschen schon 
waren, dann wird man 
OO
wieder zur 
Unbefangenheit in der gegen‐ 
OO
 
seitigen Aussprache zurückfinden müssen, 
OO
denn, was seinen Wortinhalt angeht, bleibt 
OO
der Brief nur sterile „Mitteilung”, wenn 
OO
seine Worte nicht aus einem wirklich „ge‐ 
OO
öffneten Herzen” kommen, und nie wird 
OO
ein Brief das Herz dessen zu öffnen ver‐ 
OO
mögen, an den er gerichtet ist, wenn man 
OO
zwischen den Zeilen nur allzudeutlich spürt, 
OO
daß jedes Wort daraufhin besehen und ab‐ 
OO
gewogen wurde, ob es möglicherweise 
auch 
OO
in die Öffentlichkeit kommen könnte! ‒ 
OO
.Ein Brief, der 
erfüllen soll, was ein 
OO
Brief erfüllen 
kann, muß aus 
jener Re‐ 
OO
gion des Innern kommen, in der wir alle 
OO
die gleiche gemeinsame 
Urheimat haben, 
OO
und muß jeweils so geschrieben sein, daß 
OO
er 
keinem anderen Menschen gelten könnte, 
OO
außer dem 
einen, für den er 
bestimmt 
OO
ist. ‒ ‒
.Diese Einstellung auf 
ein einziges 
OO
„
Du” ist das wesentlichste Charakteristikum 
OO
des eigentlichen „Briefes”! ‒
 
.Ein Brief an Viele zugleich ist seiner 
OO
besten Kraft beraubt, ja ist im strengen 
OO
Sinne überhaupt kein „Brief” mehr, sondern 
OO
ein Rundschreiben, ein Bericht, oder eine 
OO
Abhandlung. ‒ ‒
.Ich rede hier selbstverständlich nicht 
OO
von Briefen im 
Geschäftsverkehr, ob‐ 
OO
wohl es auch da durchaus nicht so nötig ist, 
OO
wie mancher kleine Geschäftsmann glaubt, 
OO
die notwendigen Korrespondenzen 
so un‐ 
OO
persönlich wie möglich zu halten, und 
OO
die „Könige” unter den Kaufleuten längst 
OO
wieder wissen, daß man mit betont 
persön‐ 
OO
lich gehaltenen Briefen, wie sie einst auch 
OO
die alten Hanseaten zu schreiben wußten, 
OO
denn doch erheblich weiter kommt. ‒ ‒ 
OO
.Was ich vielmehr hier im Auge habe, 
OO
ist die Wiedereinsetzung des „Briefes” in 
OO
seine guten alten Rechte als überaus wichtiger 
OO
 
Faktor gegenseitiger Emporführung, geisti‐ 
OO
ger Hilfe und Stärkung. ‒ ‒ ‒
.Hier ist nur zu 
gewinnen, wenn man 
OO
sich von aller Schablone und aller Über‐ 
OO
ängstlichkeit frei machen will!
.Das bedeutet aber freilich andererseits 
OO
auch noch lange nicht, daß man jedem uner‐ 
OO
probten Mitmenschen sofort die geheimsten 
OO
Eröffnungen zu Füßen legen müsse, und 
OO
es braucht zweifellos einigen Takt, um je‐ 
OO
weils den für jeden Einzelnen gerade rich‐ 
OO
tigen und ihm gemäßen Ton zu treffen! ‒ ‒ 
OO
.Kehrt aber das 
Vertrauen, das der 
OO
Brief einst besaß, ihm wieder, so kann eine 
OO
in ihrem Wert kaum abzuschätzende Be‐ 
OO
reicherung unseres irdischen Lebens hier 
OO
wieder aufs neue erlangt werden.
.Gewiß verbieten es die Lebensumstände, 
OO
in denen die Menschen von heute sich zu‐ 
OO
rechtfinden müssen, daß man zu der Brief‐ 
OO
seligkeit ruhigerer Zeiten zurückkehre, allwo 
OO
 
„der Posttag” wochenlang erwartet wurde und 
OO
wieder Wochen vergehen konnten, bis Ge‐ 
OO
legenheit zur Absendung der Antwort kam.
.Allein auch heute besteht noch immer 
OO
kein Zwang, einen Briefwechsel 
im Eil‐ 
OO
tempo zu betreiben.
.Die 
Möglichkeit, sofort antworten zu 
OO
können, darf nicht zu einer 
Nötigung 
OO
mißbraucht werden!
.Mag es auch schwerer sein als ehedem, 
OO
die Ruhe zum Briefschreiben zu finden, 
OO
so braucht der Brief dennoch nicht die 
OO
Spuren der Hast zu zeigen, die dieses heutige 
OO
Zeitalter für sein ihm angemessenes Lebens‐ 
OO
tempo hält.
 
.Solange Menschen auf dieser Erde leben, 
OO
wird man es nicht verhüten, nicht verwehren 
OO
können, daß gewisse 
Einzelne, die irgend‐ 
OO
wie das Wohl 
Aller fördern, oder wohl 
OO
auch nur zu fördern 
scheinen, von jenen 
OO
ihrer Mitmenschen, die solches Tun als per‐ 
OO
sönliche Wohltat empfinden, Dank und Ver‐ 
OO
ehrung empfangen.
.Dank, wenn es sich um unleugbare 
OO
Hilfe handelt, ‒ 
Verehrung aber, wenn 
OO
der Beglückte in dem Verehrten sich selbst, 
OO
‒ 
sein eigenes Menschentum, ‒ zu einer 
OO
Höhe emporgerissen fühlt, die er aus eigener 
OO
Kraft nicht zu erreichen vermag und den‐ 
OO
noch als dem Menschen erreichbar erahnt. ‒ 
OO
.Wer wollte Dank für geleistete Hilfe, 
OO
‒ wer 
solche, hier bezeichnete, Verehrung 
OO
verargen!?
 
.Zu tief sind beide Empfindungstriebe 
OO
in jedem, nicht völlig verkommenen Men‐ 
OO
schen verwurzelt, als daß nicht hier deut‐ 
OO
lichst zu erfühlen wäre, welche Bedeutung 
OO
ihnen für die Erhaltung der Art, für die 
OO
Entfaltung des Edelsten der Rasse, inne‐ 
OO
wohnt. ‒
.Auf bedenkliche Bahnen aber verirrt 
OO
sich der Verehrungstrieb, wenn er der 
Lei‐ 
OO
tung des Urteils sich entzieht und dann 
OO
wahllos 
alles verehrt, was der Kraft seines 
OO
Eigners 
versagt ist, und doch durch einen 
OO
anderen Menschen als 
erreichbar er‐ 
OO
wiesen wird.
.Dann ist der „Herkules” der Jahrmarkts‐ 
OO
bude, der Gaukler und Feuerfresser, gleicher 
OO
Verehrung sicher wie der Schöpfer höchster 
OO
geistiger Werte, und ebenso geht auch alle 
OO
Unterscheidung zwischen „Kunststück” und 
OO
Kunst verloren...
 
.Aber wenn auch der Blick des Ver‐ 
OO
ehrenden sich nur auf 
wirkliche Werte 
OO
richtet, muß doch die Gefahr erkannt und 
OO
überwunden werden, daß allzuleicht aus 
OO
Verehrung „
Personenkultus” wird, so‐ 
OO
bald man sie ausarten läßt zu einer 
Ver‐ 
OO
götterung des Persönlichen, wo nur 
OO
Tat oder 
Werk allein Verehrung gebührt. 
OO
.Es läßt sich nicht ändern, daß die 
aller‐ 
OO
meisten Menschen während ihres Erden‐ 
OO
lebens 
nur für sich selbst und ihren 
OO
allernächsten Umkreis Bedeutung er‐ 
OO
langen, während 
andere, 
wenige, auch 
für 
OO
weite Menschheitsbezirke, ja fast 
für 
OO
die ganze Erdenmenschheit „bedeutend”, 
OO
‒ zielweisend ‒ werden können.
.Verständlich und gerechtfertigt ist es, 
OO
wird den 
allgemein „Bedeutenden” Ver‐ 
OO
ehrung dargebracht, vor denen, die nur sich 
OO
und ihrer engsten Enge etwas zu bedeuten 
OO
 
vermögen, auch wenn diese Enge schon sehr 
OO
wichtige Bezirke umfassen kann.
.Verhängnisvoll aber wird auch hier die 
OO
Verwechslung dessen, was eigentlich zu ver‐ 
OO
ehren ist, mit dem Erdenmenschen, der 
OO
es zu Tage brachte!
.Mag man auch immer den, der Ver‐ 
OO
ehrungswürdiges bewirkt, besonders 
achten, 
OO
ja vielleicht „bewundern” ‒ da man es 
OO
wie ein „Wunder” betrachtet, daß ein Mit‐ 
OO
mensch auf seine Höhe fand ‒ so muß 
OO
doch immer sorglichst unterschieden werden 
OO
zwischen dem, was er 
erlangte, und dem, 
OO
was er trotz allem 
bleibt: ‒ zwischen gei‐ 
OO
stigen 
unpersönlichen Werten und der 
OO
persönlich bestimmten Natur des Men‐ 
OO
schen, der solche Werte darbietet, weil sie 
OO
ihm, sei es durch mühereiche Arbeit oder hohe 
OO
Gnade, schließlich 
erreichbar wurden. ‒ 
OO
.Es ist auch nie zu vergessen, daß jeder 
OO
„Schöpfer geistiger Werte” dies 
nur inso‐ 
OO
 
fern ist, als er 
aus der Fülle der ihm 
OO
offenbaren Geistigkeit „schöpft” ‒ wie 
OO
man Wasser schöpft aus einem gewaltigen 
OO
Strom ‒, nicht aber in jenem anderen 
OO
Sinne, dem „Schöpfung” ein Hervorbringen 
OO
aus dem Nichts bedeutet! ‒ ‒
.Und ebenso bleibt 
alles, was ein Mensch 
OO
jemals aus dem Geistigen holt und erden‐ 
OO
sinnverständlich macht, „Offenbarung”, sei 
OO
es nun Resultat einer jahrelang währenden 
OO
Laboratoriumsarbeit, oder die Gabe eines 
OO
gotterfüllten Augenblicks. ‒ ‒ ‒
.Ihn selbst dafür zu vergöttern, wäre 
OO
nicht nur 
Torheit, sondern 
Entwürdi‐ 
OO
gung seiner Tat, ‒ 
seines Werkes, ‒ 
OO
ja es käme der Unterstellung gleich, daß 
OO
er wohl selbst nicht zwischen sich und dem, 
OO
was ihm geworden ist, zu unterscheiden 
OO
wisse. ‒
.Bei allem was ein Mensch seinen Mit‐ 
OO
menschen „be-
deutet”, ist auch immer da‐ 
OO
 
nach zu fragen, ob seine Bedeutung mit 
OO
ihm selbst und seinem Erdendasein steht 
OO
und fällt, oder ob 
Weiterzeugendes, 
OO
Weiterzeigendes unter den Menschen 
OO
lebendig bleibt, auch wenn der Bringer der 
OO
Gabe 
nicht mehr unter den Sichtbaren 
OO
weiterwirken wird. ‒
.Niemals aber besteht auch nur der 
OO
mindeste Anlaß, den Bringer, Deuter oder 
OO
Künder um seines Tuns willen zu „ver 
OO
göttern”, ‒ seiner 
Persönlichkeit (auch 
OO
wenn man diesen Begriff in dem hohen 
OO
Sinne 
Goethes erfaßt! ‒) 
götzenhaften 
OO
Kult zu widmen, und jeder, der für seine 
OO
weitere menschliche Mitwelt wahrhaft „be‐ 
OO
deutend” 
ist, wird stets mit Ekel und Scham 
OO
solche Vergötzung von sich weisen, mag er 
OO
auch noch so weit davon entfernt sein, 
OO
seine tatsächliche Bedeutung zu unter‐ 
OO
schätzen! ‒ ‒ ‒
.Wer in Wahrheit für seine Mitmenschen 
OO
etwas zu bedeuten hat, der 
kennt auch 
OO
 
aus tiefster Erkenntnis heraus sehr 
OO
wohl 
Art und 
Grad seiner Bedeutung.
.Er würde zum Lügner vor sich selbst 
OO
und Anderen, wollte er etwa den „Be‐ 
OO
scheidenen” spielen und so tun, als ob er 
OO
nicht um sein Bedeutendes wüßte!
.Aber, es ist etwas anderes, um seine 
OO
Bedeutung zu wissen, Verehrung, ja selbst 
OO
Ehrfurcht Anderer um ihretwillen zu er‐ 
OO
tragen, wie der Abgesandte eines Landes 
OO
wohl die Ehrung annimmt, die man seinem 
OO
Lande zollt, als um der Bedeutung seines 
OO
Wirkens willen und auf ihre Kosten, die 
OO
eigene Persönlichkeit, die doch nur 
OO
Mittlerdienste leistet, in den Vordergrund 
OO
zu stellen...
.Wenn ein Mensch den Mitmenschen 
OO
geistige Werte bringt, so wird man gewiß 
OO
verstehen, daß er sich auch gedrungen fühlt, 
OO
so gut wie es ihm möglich ist, zu bezeugen, 
OO
daß er nicht geraubtes Gut verschenkt, 
OO
 
sondern auf rechtliche Weise erlangte, was 
OO
er besitzt.
.Ob dieser Besitz aber auch wirklich 
OO
einen geistigen Wert darstellt, kann nur 
OO
durch Prüfung der Gabe selbst ent‐ 
OO
schieden werden und niemals durch die bloße 
OO
Bezeugung, daß sie rechtlich erlangt wurde, 
OO
obwohl es auch auf das „
Wie” des Er‐ 
OO
langens sehr wesentlich ankommt.
.Werte, die aus dem Reich des 
wesen‐ 
OO
haften, 
reinen Geistes stammen, können 
OO
niemals durch gedankliche Spekulation oder 
OO
naturwissenschaftliches Experiment erlangt 
OO
werden, und andererseits wäre es sinnlose 
OO
Vermessenheit, eine nur 
durch intensive 
OO
Denkarbeit erlangbare Erkenntnis mühe‐ 
OO
los aus den geistigen Reichen her erwarten 
OO
zu wollen. ‒
.Aber so, wie eine bestimmte Entdeckung 
OO
eines Chemikers ihren Wert nur in sich 
OO
selber trägt, einerlei, wer des Gelehrten ein‐ 
OO
 
stige Lehrer waren, oder aus welcher Fabrik 
OO
die Instrumente und Apparate stammten, 
OO
die er benützte, ‒ so muß auch die Gabe 
OO
aus dem Reich des wesenhaften reinen 
OO
Geistes 
in sich selber probehaltig be‐ 
OO
funden werden, ganz abgesehen von der 
OO
Bezeugung des Bringers über die Art und 
OO
Weise, 
wie er sie 
erlangte, oder wie er 
OO
zu ihrer Erlangung 
fähig wurde. ‒ ‒
.Es ist nicht eindringlich genug zu warnen 
OO
vor dem Annehmen einer geistigen Gabe 
OO
lediglich 
auf Autorität hin, denn ‒ wer 
OO
überhaupt auf Autorität hin etwas annimmt, 
OO
das nur 
auf die Bestätigung des eigenen 
OO
inneren Lebens und Erlebens hin an‐ 
OO
genommen werden dürfte, der ist stets 
OO
in Gefahr, auch von 
Fälschern, autoritäts‐ 
OO
gläubig, 
Gefälschtes anzunehmen, oder 
OO
von betrogenen Betrügern Talmi statt Gold 
OO
zu kaufen...
 
.„Personenkultus” aber schafft so recht 
OO
die Treibhauswärme, in der die Neigung, 
OO
auf Autorität hin anzunehmen, was nur 
OO
nach eigener innerer Prüfung übernommen 
OO
werden darf, üppig gedeihen kann...
.Weit entfernt von solchem Kultus aber 
OO
ist das 
menschlich begründete Ver‐ 
OO
trauen gegenüber dem Vermittler einer 
OO
geistigen Gabe!
.So wie man wertvolle Dinge des äußeren 
OO
Lebens nur bei einem Kaufmann erstehen 
OO
wird, dessen Rechtlichkeit erwiesen und 
OO
dessen Fähigkeit zu urteilsicherem Einkauf 
OO
seiner Ware wohlerprobt ist, so soll man 
OO
auch 
geistige Werte niemals aus der Hand 
OO
eines Menschen nehmen, dem man nicht 
OO
felsenfest 
vertrauen kann, wodurch man 
OO
sich keineswegs des Rechtes begibt, das Er‐ 
OO
haltene dennoch erst im eigenen Innern 
OO
nachzuprüfen. ‒
 
.Ist solches Vertrauen vielfach 
bestätigt 
OO
worden, so kann es freilich zu einer Sicher‐ 
OO
heit führen, die im voraus weiß, daß alle 
OO
Nachprüfung nur die Echtheit des Erhaltenen 
OO
erweist, ja das eigene Urteil kann sich im 
OO
Laufe der Zeit zur Urteilsgewißheit des 
OO
Vermittlers erheben, ähnlich, wie mancher 
OO
Kunstsammler etwa sich allmählich einen 
OO
Blick für das Echte erwarb, der ihn befähigt, 
OO
auch ohne Anwendung besonderer Prü‐ 
OO
fungsmethoden, sofort Wert von Unwert 
OO
zu unterscheiden.
.Und dieser hier herangezogene Vergleich 
OO
mag auch noch deutlicher werden lassen, 
OO
wie es bei jedem Bringer geistiger Werte 
OO
nur um 
das geht, 
was er bringt, und nicht 
OO
um eine Vergötzung seiner Person.
.So gibt es beispielsweise Sammler, die 
OO
einem bestimmten Meister alter oder neuerer 
OO
Kunst vor allen anderen den Vorzug geben 
OO
 
und alles aufzubieten trachten, um seine 
OO
Werke zu erhalten.
.Wohl wird ein solcher Sammler auch 
OO
den Menschen, der die Werke 
schuf, zu 
OO
ehren wissen, allein ‒ 
nur um seiner 
OO
Werke willen, und weil nur dieser eine 
OO
Mensch eben 
diese Werke schaffen konnte 
OO
oder schaffen kann. ‒
.Niemand wird hier von „Persönlichkeits‐ 
OO
kultus” reden wollen!
.Ebenso aber müssen auch Sammler 
OO
geistiger Schätze verfahren lernen.
.Mögen sie auch in hohem Grade den 
OO
Vermittler solcher Gaben verehren, so soll 
OO
dies doch nur um der Gabe selbst willen 
OO
geschehen, und vielleicht auch um der Tat‐ 
OO
sache willen, daß echte Künder aus dem 
OO
Reiche wesenhaften Geistes doch wohl 
noch 
OO
seltener in dieser Erdenzeiten Lauf zu finden 
OO
sind, als echte Künstler. ‒ ‒ ‒
 
.Bei gewissen Krankheiten, deren Sym‐ 
OO
ptome den Nervenärzten wohlvertraut sind, 
OO
macht man die seltsame Beobachtung, daß 
OO
die Erkrankten jeder Heilungsabsicht inneren 
OO
Widerstand entgegensetzen, weil sie den 
OO
krankhaften Zustand geradezu wie eine be‐ 
OO
sondere Wertbetonung ihrer lieben Per‐ 
OO
sönlichkeit empfinden und somit keineswegs 
OO
wirklich von ihm befreit sein möchten.
.Nicht allzuferne von derart patholo‐ 
OO
gischem Zustand sind in heutigen Tagen 
OO
leider allzuviele Menschen, über die eine 
OO
seuchenhaft grassierende 
Kritiksüchtig‐ 
OO
keit derart Herr geworden ist, daß es ihnen 
OO
nicht mehr wohl in ihrer Haut wäre, fänden 
OO
sie nicht allenthalben um sich her stets neuen 
OO
Anlaß zu berechtigter, oder auch oft sehr 
OO
unangebrachter Verneinung des Tuns und 
OO
Werkes ihrer Nebenmenschen.
 
.Es kommt den hier gemeinten Kritik‐ 
OO
triebkranken gar nicht mehr zu Bewußtsein, 
OO
daß 
normales und 
gesundes Bedürfnis 
OO
zu kritischem Verhalten 
erst dann sich 
OO
einstellt, wenn 
kenntnisgefestigte und 
OO
ihrer Sicherheit gewisse Prüfung jeweils 
OO
die Momente im Wirken und Werk des 
OO
Anderen entdeckt, durch die entweder seine 
OO
Absicht 
gefährdet erscheint, zum erstrebten 
OO
Ziel zu gelangen, oder durch die eine 
un‐ 
OO
lautere Absicht erkennbar wird.
.Kritik, die aus 
nicht entartetem Kri‐ 
OO
tiktrieb erwächst, ist 
immer „wohlwollend”, 
OO
denn der seines gesunden Triebes mächtige 
OO
Wille erstrebt da in der Auswirkung ent‐ 
OO
weder das Wohl des kritisierten Handeln‐ 
OO
den, oder das Wohl der vor diesem zu 
OO
schützenden anderen Mitmenschen.
.Von einem gesund gebliebenen Kritik‐ 
OO
trieb ausgehende Kritik läßt sich auch stets 
OO
durch Belehrung 
korrigieren und wird 
OO
 
nie in eigensinnigem Beharren besserem 
OO
Wissen Widerstand leisten.
.Das 
krankhaft überreiztem Triebe 
OO
entstammende Kritikbedürfnis will hingegen 
OO
nur 
die eigene Befriedigung und fühlt 
OO
empfindlichen Mangel, wenn es ihm schwer 
OO
wird, sich die gewohnte, fast wollüstig er‐ 
OO
sehnte Selbstbefriedigung zu verschaffen.
.Über diese Dinge ist sich so Mancher 
OO
nicht klar, der sich viel darauf zugute hält, 
OO
daß er an allem und jedem was seine Neben‐ 
OO
menschen treiben und schaffen, „etwas aus‐ 
OO
zusetzen” hat, weil er seinen ursprünglich 
OO
gesunden Kritiktrieb zur Hypertrophie ent‐ 
OO
arten ließ durch fortgesetzte, selbstgewollte 
OO
Überreizung...
.Was aber hier gesagt wird, geht auch 
OO
alle an, die ihren Kritiktrieb noch gesund 
OO
zu erhalten wußten, denn der beste Schutz 
OO
vor seiner möglichen Entartung ist stete 
OO
Achtsamkeit auf die ihm drohende Gefahr. 
OO
 
.Es liegt unbestreitbar ein gewisser sinn‐ 
OO
licher Reiz darin, seiner Kritiklust die Zügel 
OO
zu lockern und an Anderen der Wirkung 
OO
froh zu werden, die ungehemmte Verneinung 
OO
immer auslöst, sei es in der Form froh‐ 
OO
lockender 
Zustimmung, oder als entrüstete 
OO
Abwehr.
.Gerade diesem Anreiz aber gilt es zu 
OO
widerstehen, denn wer ihm des öfteren er‐ 
OO
liegt, der wird unmöglich seinen Kritiktrieb 
OO
gesund erhalten können.
.Hier handelt es sich nicht etwa um harm‐ 
OO
loses Spiel, das keinem verwehrt werden 
OO
dürfe.
.Allzuviel Unheil wird tagtäglich durch 
OO
eilfertiges und vorlautes Kritisieren herauf‐ 
OO
beschworen, in verhängnisvoller Auswir‐ 
OO
kung krankhaft entarteten Kritiktriebes, als 
OO
daß es nicht an der Zeit wäre, dem Übel 
OO
endlich festen Willens entgegenzutreten.
 
.Es handelt sich hier nicht um berufs‐ 
OO
mäßige Kritik, die sich mit bildender Kunst, 
OO
Literatur, Musik und Theater befaßt, denn 
OO
da liegt doch zumeist das Amt des Kri‐ 
OO
tikers in der Hand von Publizisten, die auf 
OO
diesen Gebieten genügend Orientierung be‐ 
OO
sitzen um mit der Kritik der Werke dort 
OO
einsetzen zu können, wo fruchtbare Wir‐ 
OO
kung zu erwarten ist.
.Man wird auch schwerlich unter be‐ 
OO
rufsmäßigen Kritikern vielen Kritiktrieb‐ 
OO
kranken begegnen, und wenn berufsmäßige 
OO
Kritikausübung auch keineswegs vor Irr‐ 
OO
tümern geschützt ist, so bleibt doch das 
OO
kritisierte 
Werk bestehen und kann sich 
OO
im Laufe der Zeit die 
Revision des Fehl‐ 
OO
urteils erzwingen.
.Anders aber liegen die Dinge bei den 
OO
wilden Äußerungen entarteten Kritiktriebes 
OO
gegenüber dem 
Tun und 
Reden des Neben‐ 
OO
menschen, denn hier können Unkenntnis, 
OO
Vorwitz, oder böser Wille jede gute Wir‐ 
OO
 
kung im Keim ersticken und jede spätere 
OO
Korrektur unmöglich machen.
.Besonders gilt das im Bereich des öffent‐ 
OO
lichen menschlichen Gemeinschaftslebens, 
OO
allwo Unzählige das Recht des Einzelnen 
OO
zur Mitbestimmung seiner äußeren Lebens‐ 
OO
bedingungen als 
ein Recht zu ahnungs‐ 
OO
loser Kritik an allen und allem auf‐ 
OO
fassen, und so unweigerlich zu kläglicher 
OO
Entartung ihres Kritiktriebes gelangen.
.Gerade hier aber wirkt solche Entartung 
OO
auch ansteckend wie eine Seuche...
.Da sich jeder Einzelne zur Kritik 
be‐ 
OO
rechtigt fühlt, auch wenn ihm jede Sach‐ 
OO
kenntnis abgeht gegenüber dem Tun oder 
OO
Reden, das zu kritisieren er unternimmt, 
OO
so wirkt auf ihn die kritische Äußerung 
OO
eines Anderen als überaus suggestive Auf‐ 
OO
forderung, sich in gleicher Weise hören zu 
OO
lassen, wobei dann die Eitelkeit dafür sorgt, 
OO
 
daß die Aufblähung der eigenen Persön‐ 
OO
lichkeit des Kritikers aller sachlichen Kritik 
OO
überordnet wird...
.Einer besonderen Vorliebe erfreut sich 
OO
bei solchen an der Kritiksuchtseuche Er‐ 
OO
krankten 
das Schlagwort als bequemstes 
OO
und immer effektvolles, kritisches Schein‐ 
OO
argument.
.Der Dümmste vermag noch, ein Vir‐ 
OO
tuose des Schlagworts zu werden, das stets 
OO
ein sicherer Köder für alle Denkträgen und 
OO
Urteilsunmündigen ist und bleiben wird.
.Die Beliebtheit des Schlagworts genügt 
OO
aber allein schon zur Entlarvung der da‐ 
OO
mit operierenden Kritik, als eines verant‐ 
OO
wortungslosen Bestrebens, die zumeist recht 
OO
dürftige Geistigkeit des Kritikers gewichtig 
OO
und bedeutsam erscheinen zu lassen.
.Man darf wohl sagen, daß 
jegliche 
OO
Kritik im gleichen Maße an Gültigkeit und 
OO
Wert verliert, als sie genötigt ist, ihre Zu‐ 
OO
 
flucht zu wirkungserprobten 
Schlagworten 
OO
zu nehmen. ‒
.Kritik als Auswirkung des 
gesunden 
OO
Kritiktriebes aber kennt das Schlagwort 
OO
kaum.
.Der noch nicht erkrankte Kritiktrieb 
OO
weckt vor aller Auswirkung das 
Verant‐ 
OO
wortungsgefühl des Kritikers.
.Nicht um die 
Selbstbetonung einer 
OO
Persönlichkeit handelt es sich bei der Be‐ 
OO
tätigung des gesunden Kritiktriebes, sondern 
OO
um die Mitwirkung an der Vervollkomm‐ 
OO
nung eines Zustandes, einer Einrichtung, 
OO
oder sonstigen menschlichen Werkes.
.Hoch erhebt der Kritiktrieb den Men‐ 
OO
schen über das Tier!
.Auch das intelligenteste Tier nimmt seine 
OO
Umwelt hin wie sie ist, und äußert nicht 
OO
die leisesten Anzeichen wirklich kritischen 
OO
Verhaltens.
 
.Freudiges Annehmen, oder Abwendung 
OO
und Widerstand im Verhalten des Tieres 
OO
zur Außenwelt, sind nur Äußerungen seines 
OO
Selbsterhaltungstriebes und dürfen nie‐ 
OO
mals als Ergebnis kritischen Erwägens ge‐ 
OO
deutet werden.
.Der Kritiktrieb des Menschen setzt die 
OO
Erahnung eines vollkommeneren Zustandes 
OO
der Dinge voraus, als er jemals hier auf 
OO
Erden anzutreffen ist.
.Wäre der Mensch hier im Leben der 
OO
physischen Erscheinungswelt 
heimisch, wie 
OO
das Tier, ‒ wie würde er 
Kritik üben 
OO
können an seiner ihm äußeren Welt!? ‒ 
OO
.Nur weil sein Geistiges 
Vollkomme‐ 
OO
neres kennt, als die ihn umgebende irdische 
OO
Welt, konnte der Mensch den Trieb zur 
OO
Kritik in sich erzeugen.
.Die ihm heute nicht mehr bewußtseins‐ 
OO
gegenwärtige Erfahrung seines urgegebenen 
OO
geistigen Seins ist dennoch Ursache seines 
OO
 
kritischen Verhaltens gegenüber der ihn 
OO
nun umgebenden 
physischen Welt.
.Durch eigene Willens-Strebung ausge‐ 
OO
stoßen aus dem Bewußtseinsbereich des 
OO
reinen Erlebens wesenhaft geistiger Ge‐ 
OO
staltung, bleibt die ewige Geistsubstanz, die 
OO
im Erdmenschtiere sich nun physisch-sinnlich 
OO
erlebt, doch immer noch Träger der Er‐ 
OO
innerung an ihren vormaleinst erlebten 
OO
Seinszustand, und wenn auch das erden‐ 
OO
tierhafte Gehirn nicht ohne weiteres fähig 
OO
ist, an solcher „Er-Innerung” teilzunehmen, 
OO
so wird es gleichwohl ihrer ahnend teil‐ 
OO
haftig durch Influenzwirkung. ‒
.Alle Auswirkung gesunden Triebes zur 
OO
Kritik ist bestimmt durch unbewußtes Ver‐ 
OO
gleichen des im Irdischen Dargebotenen 
OO
mit der Form absoluter Vollkommenheit, 
OO
die ihm in 
geistiger Erscheinung ent‐ 
OO
sprechen würde.
 
.Wir Menschen hier auf Erden leben 
OO
unter dem Einfluß 
zweier, voneinander 
OO
äußerst verschiedener Vollkommenheits‐ 
OO
Ideale, mögen wir unsere Doppelstrebigkeit 
OO
ignorieren, oder ‒ wie alle nicht ganz 
OO
irdisch verkrusteten Naturen ‒ bitter an 
OO
ihr leiden...
.Wären wir nur 
irdisch-sinnliche Na‐ 
OO
turen, dann wäre die Zwiestrebigkeit und 
OO
alles ihr entspringende Leid 
unmöglich.
.So aber sagt uns das physische Dasein 
OO
zwar mit brutaler Vehemenz, was ihm 
für 
OO
sich „Vollkommenheit” heißt, während wir 
OO
durch das gleiche physische Gehirn auch 
OO
rein 
geistige Influenz aufnehmen, womit 
OO
uns die Vorstellung einer Vollkommenheit 
OO
gegeben wird, neben der alles 
irdisch Voll‐ 
OO
kommene für uns zur 
Unvollkommen‐ 
OO
heit verdammt erscheint. ‒ ‒
.Es 
muß zu innerer „Zerrissenheit” 
OO
führen, wenn ein Mensch danach strebt, 
OO
 
Dinge, die ganz der 
physischen Gesetz‐ 
OO
lichkeit unterordnet sind, zu einer Voll‐ 
OO
kommenheit zu führen, die nur im 
Gei‐ 
OO
stigen gegeben ist!
.Alles Streben nach „Vergeistigung” des 
OO
Körperlichen gehört hierher...
.Es ist uns nur die erhabene Möglichkeit 
OO
geboten, hier im Physischen den Geist zu 
OO
verkörpern, aber auch diese Geist-
Verkör‐ 
OO
perung ist nur nach der Weise 
physisch‐ 
OO
sinnlicher Vollkommenheit vollziehbar, ‒ 
OO
wird also der Vollkommenheit des ewigen 
OO
Geistes gegenüber allzeit als „
unvoll‐ 
OO
kommen” gelten müssen. ‒ ‒ ‒
.Nun verleitet uns aber der zwar 
geist‐ 
OO
gezeugte, jedoch nur 
im Physischen sich 
OO
auswirkende Kritiktrieb immer wieder zu 
OO
der irrtümlichen Annahme, wir könnten 
OO
das in der physisch-sinnlichen Erscheinung 
OO
Gegebene zu 
jener Vollkommenheit führen, 
OO
die nur im 
Geistigen möglich ist.
 
.Daher dann die Übersteigerung unserer 
OO
Ansprüche an uns selbst und die mit uns 
OO
Lebenden, ‒ daher die 
Hypertrophie 
OO
des ungehemmten Kritiktriebes! ‒
.Die einsehen können, was hier einzu‐ 
OO
sehen ist, sollten sich wahrlich endlich klar 
OO
darüber werden, daß Kritik am Tun und 
OO
Treiben ihrer menschlichen Umwelt nur 
OO
dann 
berechtigt ist, ‒ daß der Kritiktrieb 
OO
nur dann 
gesund erhalten werden kann, ‒ 
OO
wenn sorglichst geachtet wird auf die 
OO
Bedingungen, denen alles Wirken des 
OO
Menschengeistes hier auf Erden unter‐ 
OO
stellt ist.
.Auch die irdisch-vollkommenste Lei‐ 
OO
stung des Menschen innerhalb der 
physisch‐ 
OO
sinnlichen Erscheinungswelt bleibt ein 
Un‐ 
OO
vollkommenes gegenüber dem, was dem 
OO
ewigen, wesenhaften 
Geiste Vollkommen‐ 
OO
heit heißt. ‒
.Um wievielmehr ist alle Nachsicht 
dort 
OO
geboten, wo nach Lage der Dinge nicht 
OO
 
einmal die „Vollkommenheit” nach 
physi‐ 
OO
scher Möglichkeit erwartet werden darf... 
OO
.Kritiksucht ist die Krankheit, mit der 
OO
die „Schlange” des „Paradieses” die Mensch‐ 
OO
heit infizierte, und vielleicht versteht man 
OO
nach dem, was hier zur Erörterung kam, 
OO
nun besser die verlockenden Worte, die 
OO
innerhalb der mythischen Erzählung durch 
OO
das 
satanische Prinzip dem Menschen ein‐ 
OO
geflüstert werden:
.„
Ihr werdet sein wie die Götter, ‒ 
OO
erkennend Gutes und Böses!” ‒ ‒ ‒ 
OO
.Gar trübe und endlich vergängliche 
OO
„Götter” sind es, die solcher „Erkenntnis” 
OO
teilhaft sind!
.Vor dem ewigen, wesenhaften 
Geiste 
OO
aber ist alles „Böse” nur zeitlich erschei‐ 
OO
nender, vergänglicher 
Irrtum, dessen 
phy‐ 
OO
sische Realität für geistiges Bewußtsein 
OO
ein „
Nichtsein” ist, denn was 
allein im 
OO
 
Geiste sich selbst erlebt, ist ewige 
Voll‐ 
OO
kommenheit: ‒ das urgezeugte und ewig 
OO
sich selber weiterzeugende „
Gute”. ‒ ‒ ‒ 
OO
.Und nun noch ein Wort über 
Selbst‐ 
OO
kritik!
.Daß auch 
diese Art der Auswirkung 
OO
den Kritiktrieb zur 
Entartung bringen 
OO
kann, wenn er nicht durch rechte Einsicht 
OO
geleitet wird, das dürfte am ehesten vielleicht 
OO
doch allen denen verstehbar werden, die 
OO
selbst an solcher Triebentartung 
leiden... 
OO
.Kritik am 
eigenen Verhalten kann 
OO
ebenso fördern oder hemmen, wie unsere 
OO
Kritik an 
Anderen diesen zur Förderung 
OO
oder Hemmung gereichen kann.
.In beiden Fällen wird die Auswirkung 
OO
des Kritiktriebes nur dann 
Segen bringen, 
OO
wenn vor allem anderen 
das Gute erspürt 
OO
und wertgeachtet wird, 
ehe man nach 
OO
Fehlern und Mängeln an sich oder seinen 
OO
Nebenmenschen forscht. ‒
 
.Ein einziger positiver Wert kann 
OO
die Fülle aller vorhandenen Fehler 
OO
und Mängel überwiegen!
.Die Sage erzählt, daß Sodom vernichtet 
OO
wurde, weil die Sünde seiner 
Tausende 
OO
ihm zum Verderben gereichte, aber ‒ um 
OO
„
zehn Gerechter” willen wäre 
die ganze 
OO
Stadt gerettet worden...
 
.Scheinbar ist es recht überflüssig, hier 
OO
aufs neue diese Frage zu stellen.
.Alte und neue Deuter des seltsamen 
OO
Werkes, das den 
Namen Böhmes trägt, 
OO
haben sich bald mit mehr, bald mit weniger 
OO
Glück auch mit der Deutung des 
Menschen 
OO
beschäftigt, der hinter diesem Werke steht. 
OO
.Daß Böhme ‒ außer dem was er 
war 
OO
‒ auch Schuhe nähen konnte, wissen selbst 
OO
Leute, die nie eine Zeile von ihm gelesen 
OO
haben, und wenn auch gewisse Deuter seines 
OO
Werkes von dem Urheber als dem „Gör‐ 
OO
litzer Schuster” sprechen, so ist das ‒ 
OO
bestenfalls ‒ Geschmackssache, wenn man 
OO
nicht mit mir der Ansicht zuneigt, daß 
OO
zwar die Schuhmacherei ein sehr ehren‐ 
OO
wertes Handwerk ist; daß auch dieser Hand‐ 
OO
 
werkerstand recht stolz sein kann auf seinen 
OO
berühmten Zunftgenossen; daß es aber ge‐ 
OO
wiß nicht „
geistige Nähe” verrät, wenn 
OO
man dem abgründig tiefen 
Geisteskünder 
OO
Jakob Böhme gegenüber, auch nur an das 
OO
alltägliche Tun 
erinnern mag, mit dem er 
OO
sein Brot verdiente. ‒ ‒
.Allerdings hat es auch niemals an Men‐ 
OO
schen gefehlt, denen das Wesentliche eines 
OO
geistig so bedeutenden Menschen wahrlich 
OO
nicht durch seine irdische Erwerbstätigkeit 
OO
bestimmt erschien, ‒ denen es belanglos 
OO
blieb, daß dieser Lehrer 
außerhalb der 
OO
abgesteckten Pferche landläufiger Bildung 
OO
aufgewachsen war.
.Böhme selbst aber zeigt nur zu deut‐ 
OO
lich in seinen Schriften, wie sehr er es als 
OO
Mangel fühlte, daß ihm die Gelehrsamkeit 
OO
seiner Zeit nicht zu eigen geworden war, 
OO
und bis an das Ende seines Lebens müht 
OO
er sich, der gelehrten Freunde Begriffswelt 
OO
zu erfassen: in den 
Worten, die er bei ihnen 
OO
 
hört, von seinem 
eigenen Schauen und 
OO
Denken Kunde zu geben.
.Die Nötigung, das einmal erlernte Hand‐ 
OO
werk betreiben zu müssen, um nur leben 
OO
zu können, war ihm eine stete 
Störung, 
OO
und alles, was man um seine äußeren Le‐ 
OO
bensumstände weiß, zeigt deutlich, wie sehr 
OO
er sich dieser Störung zu entwinden suchte, 
OO
um nur dem inneren Antrieb seines hohen 
OO
Geistes folgen zu können.
.Will man das Geistesgut, das sich in 
OO
dem Menschen 
Jakob Böhme seinen ir‐ 
OO
dischen Schrein geschaffen hatte, wirklich 
OO
erkennen lernen, dann darf man wahrhaftig 
OO
den Schriften des Weisen sich nicht in der 
OO
vorgefaßten Meinung nahen, hier nun den 
OO
mehr oder weniger hausbackenen Ergeb‐ 
OO
nissen des sinnierenden Grübelns eines 
OO
biederen Handwerksmannes zu begegnen, 
OO
der bei seiner Schusterkugel vergißt, daß 
OO
er brauchbares Schuhwerk schaffen soll und 
OO
 
statt dessen lieber den mancherlei meta‐ 
OO
physischen Fragen Antwort sucht, die sein 
OO
frommes Gemüt nicht in Ruhe lassen wollen. 
OO
.Das sei allen gesagt, die zwar den 
OO
Namen des Weisen kennen, aber seine 
OO
Schriften nicht gelesen haben, oder sie gar 
OO
bald aus der Hand legten, weil sie Anstoß 
OO
nahmen an dem dunkeln Wort der freilich 
OO
oft sehr eigenmächtigen und seltsam tönen‐ 
OO
den Redeweise!
.Wer aber Böhmes Schriften 
wirklich 
OO
durchforscht hat, ‒ wer es sich Mühe 
OO
kosten ließ, in ihre Sprache sich einzuleben, 
OO
‒ der hat stets auch gelernt, sich vor dem 
OO
Manne, der solches niederschreiben durfte, 
OO
in 
Ehrfurcht zu beugen, und es ist längst 
OO
bezeugt, daß diese Ehrfurcht sich gerade 
OO
dort am stärksten einstellt, wo 
eigener 
OO
Seele Tiefe aufklingt, sobald die wunder‐ 
OO
samen Schätze erst ertastet werden, die Jakob 
OO
Böhmes Weltentiefe in sich birgt...
 
.Das gilt allerdings nur von seiner Er‐ 
OO
kenntnis der rein 
geistigen Welt!
.Aber trotz der Fehlgriffe in die Gebiete 
OO
des physisch-sinnlichen Universums, bei 
OO
denen er sich von anderen das Hebezeug 
OO
borgt, trotz aller zeitlichen Bedingtheit seiner 
OO
Folgerungen, ‒ und selbst trotz aller Ketten‐ 
OO
fesseln dogmenstarrer Religionsform, steht 
OO
einer der 
Weisesten hier vor uns, unter 
OO
denen, die jemals die letzten Urtiefen 
OO
menschlichen Erkennens zu ergründen 
OO
suchten! ‒
.Ein „Brunnenbauer”, der seinen Schacht 
OO
bis zu den Urwassern des Lebens vertiefte! 
OO
.Wer immer den Mut aufbringt, in diesen 
OO
Brunnenschacht niederzusteigen, ‒ denn es 
OO
ist kein angeseilter Eimer da, mit dem er 
OO
etwa schöpfen könnte, der wird die Bestä‐ 
OO
tigung finden, daß er nur in sich selbst 
OO
einen Schacht von 
gleicher Tiefe zu bauen 
OO
 
brauchte, um auf die 
gleichen lebendigen 
OO
Quellen auch 
in sich selbst zu stoßen... 
OO
.Wer freilich hängen bleibt in dem 
OO
Wurzelwerk 
religiöser Allegorien, das 
OO
an den Wänden des Brunnenschachtes, den 
OO
Böhme in sich selbst hinein baute, immer 
OO
noch Halt findet, um den Arglosen in sein 
OO
Gewirre zu verstricken, der wird froh sein 
OO
können, weiß er sich endlich wieder 
befreit, 
OO
und die Wasser der Tiefe werden ihm nur 
OO
sein eigenes verstörtes Antlitz spiegeln. ‒ 
OO
.Dies alles sei zuerst ausgesprochen, be‐ 
OO
vor ich der Frage antworten kann, 
wer 
OO
dieser seltsame und auf seine Art der Welt 
OO
des Geistes so kundige Seher Jakob Böhme 
OO
war, dem neuere Forschung endlich den 
OO
Rang in der Geistesgeschichte der Mensch‐ 
OO
heit zuweist, der ihm gebührt, auch wenn 
OO
es ihm nie an 
Verehrern fehlte, denen 
OO
bald 
diese, bald 
jene Seite seines Wesens 
OO
staunenswert erschien, weil keiner 
das 
OO
 
ganze Bild dieses großen Menschen in sein 
OO
Blickfeld fassen konnte. ‒
.Die Antwort, die ich hier nun zu geben 
OO
habe, gilt nur der 
geistigen Herkunft 
OO
Böhmes, so wie ich sie kenne aus gesicher‐ 
OO
tem Erkennen, und was mir da nun zu sagen 
OO
möglich ist, wird denen verstehbar sein, 
OO
die bereits erkannten, daß alles geistige 
OO
Geschehen hier auf Erden nur letzte Aus‐ 
OO
wirkung aus der Liebe geborener hoher Im‐ 
OO
pulse im Reiche des wesenhaften 
Geistes 
OO
darstellt. ‒
.Man wird sich alles dessen erinnern 
OO
müssen, was ich bereits unzählige Male zu 
OO
bekunden hatte, wenn ich davon sprach, 
OO
daß Göttliches nur 
durch den Menschen‐ 
OO
geist dem Menschen faßbar werden kann, 
OO
und daß aller Einfluß, den die Erden‐ 
OO
menschheit 
aus dem Reiche des wesen‐ 
OO
haften Geistes empfängt, von einem un‐ 
OO
sichtbaren Tempel 
hier auf Erden aus‐ 
OO
geht, dessen fundamentbildende Bausteine 
OO
 
Menschen dieser Erde sind, die 
gleich‐ 
OO
zeitig, vollbewußt und ohne jeden Unter‐ 
OO
bruch ‒ trotz allem irdischen Tun, ‒ 
OO
im reinen Geiste leben. ‒ ‒
.Von 
dort her ward auch 
Böhme zu 
OO
seinem Wirken geführt! ‒
.Als geistiger „
Schüler” des von mir 
OO
so oft bezeichneten verborgen wirkenden 
OO
geistigen Kreises erstieg er Stufe um Stufe, 
OO
soweit es ihm während dieses Erdenlebens 
OO
möglich war, und er selbst wußte wahrlich, 
OO
woher ihm seine Erleuchtung kam.
.Nach außenhin aber war er durch 
OO
strenges Gebot zum 
Schweigen verpflichtet. 
OO
.Er selbst war ja nicht dazu bestimmt, 
OO
hier auf Erden im Kreise der „Leuchten‐ 
OO
den des Urlichts” ein Leuchtender zu werden. 
OO
.Allzu irdische Flammen umlohten in 
OO
ihm noch das goldweiße Licht des göttlichen 
OO
 
Geistes, und keineswegs lag jene geistige 
OO
Entfaltung, die Jahrtausende währt und die 
OO
jeder „Leuchtende” 
erreicht haben muß, 
OO
bevor er sich im Erdentiereskörper hier 
OO
erlebt, schon hinter ihm, als er ins irdische 
OO
Dasein trat.
.Was aber ein wahrhaft würdiger Mensch 
OO
erlangen kann, der „angenommen” wurde, 
OO
um ein Schüler des Lichtes zu werden, 
OO
das hat Jakob Böhmes Werk der Welt ge‐ 
OO
zeigt, obwohl sie nicht darum wissen konnte, 
OO
woher die Kraft zum Werke zugeflossen 
OO
war...
.Unmöglich war es den Deutern von 
OO
Böhmes Schriften, über die 
ursächliche 
OO
Bedingung seiner Seherschaft Authenti‐ 
OO
sches zu 
wissen, ‒ unmöglich war es ihnen, 
OO
auch nur zu 
ahnen, daß in ihm eine gei‐ 
OO
stige Leitung wirksam war, von deren Da‐ 
OO
sein auf der Erde stets nur einige wenige, 
OO
die nicht reden durften, Kenntnis erhalten 
OO
hatten. ‒ ‒ ‒
 
.Und dennoch ist es nicht unmöglich, 
OO
daß Böhme vertrauten Freunden einst eine 
OO
ihm noch erlaubt erscheinende Andeutung 
OO
machte, die zu einer späteren Erzählung 
OO
seines ersten Biographen Anlaß gab, einer 
OO
Erzählung, mit der man heute nichts mehr 
OO
anzufangen weiß, so daß man in ihr nur 
OO
die Mythenbildung am Werke glaubt.
.Beachtlich dürfte es daher wohl sein, 
OO
daß der Lebensbeschreiber und Freund 
OO
Böhmes zu berichten weiß:
.„Und kan wohl seyn, daß auch 
von 
OO
außen durch 
Magisch-
Astralische Würk‐ 
OO
kung der 
gestirnten Geister, zu diesem 
OO
heiligen Liebe-Feuer, gleichsam ein 
ver‐ 
OO
borgener Glümmer und Zünder mit an‐ 
OO
und eingelegt worden.” *)
‒ ‒ ‒
 
.*) Ich lasse hier mit Absicht die Worte, auf die es an‐ OO
kommt, gesperrt drucken, während ich im übrigen wörtlich OO
nur dem Original folge.
.Es liegt zum mindesten sehr nahe, daß 
OO
der Biograph einiges von den wirklichen 
OO
Zusammenhängen 
ahnte, wenn er nicht 
OO
gar, aus andeutenden Reden Böhmes, mehr 
OO
wußte, als er sagen wollte. ‒ ‒
.Zweifellos gibt es für jeden, der hier 
OO
den wirklichen Zusammenhang durchblickt, 
OO
doch sehr zu denken, daß im Anschluß an 
OO
obiges Zitat erzählt wird, wie einstmals 
OO
„ein frembder, zwar schlecht bekleideter, 
OO
doch feiner und ehrbarer Mann” in Böhmes 
OO
jungen Jahren zu ihm in den Laden seines 
OO
Meisters getreten sei, während Böhme dort 
OO
allein war, und daß dieser Mann ihn dann 
OO
plötzlich, trotz aller Unbekanntheit, beim 
OO
Namen genannt habe, nicht ohne Böhme 
OO
dadurch sehr zu erschrecken.
.Dann aber heißt es weiter:
.„Da ihm der Mann eines Ernst-freund‐ 
OO
lichen Ansehens, mit Liecht-funckelten 
OO
Augen, bey der rechten Handt gefasset, ihme 
OO
strack und starck in die Augen gesehen 
OO
 
und gesprochen: Jakob, du bist klein, aber 
OO
du wirst groß und ein gar anderer Mensch 
OO
und Mann werden”... usw. usw.
.„Worauff der Mann ihme die Hand 
OO
getrücket, wiederumb starck in die Augen 
OO
gesehen, und also seinen Weg für sich 
OO
gangen.”
.Es wird dann im gleichen Zusammen‐ 
OO
hang noch berichtet, wie Böhme daraufhin 
OO
anders geworden, und „nach weniger Zeit 
OO
darauff” sei dann seine Erleuchtung, sein 
OO
„Geistlicher Außruff und Sabbaths-Tag... 
OO
erfolget.”
.So ferne es mir auch liegt, rechten 
OO
zu wollen darüber, welchen Wert man dieser 
OO
Erzählung zuerkennen soll, so glaube ich 
OO
doch, daß hier ein Hinweis immerhin nicht 
OO
ganz fehlen darf. ‒
.Da ich mir nicht die Aufgabe stelle, 
OO
Böhmes Schriften deuten zu wollen, so 
OO
 
darf ich es aber auch wohl bei diesem 
OO
einen Hinweis bewenden lassen, trotzdem 
OO
ich es durchaus nicht für unmöglich halte, 
OO
daß gründliche Kenner dieser Schriften 
OO
mir auch in Böhmes 
eigenen Texten so 
OO
manche geheimnisvolle Stelle zeigen könnten, 
OO
die hier genannt werden dürfte. ‒ ‒
.Es möge genügen, die Aufmerksamkeit 
OO
der Leser auf das Erwähnte hingelenkt zu 
OO
haben.
.Was aber hier ausdrücklich gegeben 
OO
werden soll, ist die nur aus einer einzigen 
OO
Quelle erlangbare Darlegung von Böhmes 
OO
geistiger Herkunft und wurde veranlaßt 
OO
durch die stets wiederholte Beobachtung, 
OO
daß auch die besten Erklärer des geistigen 
OO
Phänomens 
Jakob Böhme, weder den 
OO
Menschen restlos zu deuten vermögen, 
OO
noch die 
Schriften, solange sie nicht um 
OO
die Beziehungen Böhmes zu dem geistigen 
OO
Kreise der „
Leuchtenden des Urlichts” 
OO
wissen.
 
.Die Gründe, durch die einst der 
OO
weise Seher selbst zum Schweigen ver‐ 
OO
pflichtet wurde, bestehen heute längst 
OO
nicht mehr, und seinen Schriften wird 
OO
nur die Wirkung erleichtert, wenn man 
OO
um seine geistige Herkunft 
weiß und ihre 
OO
Spuren in seinem Werke 
richtig deuten 
OO
kann.
.Was zeitlich und allzupersönlich be‐ 
OO
dingt war an seinem Werke, ‒ was einer 
OO
Vorstellungswelt entstammt, mit der er 
OO
fertig werden mußte, wollte er nicht noch 
OO
weit herberes Leid durch deren Anhänger 
OO
erdulden, als sie schon ohnehin ihn er‐ 
OO
dulden ließen, ‒ das alles läßt sich aus 
OO
diesem Werke lösen, ohne ihm irgendwie 
OO
Wesentliches zu nehmen.
.Was aber als Wesentliches 
bleibt, das 
OO
wurde vor mehr als dreihundert Jahren 
OO
wahrlich auch für die 
heutige Zeit ge‐ 
OO
schrieben!
 
.Niemals kann es veralten, da es der 
OO
Ewigkeit entstammt: ‒ dem 
immer‐ 
OO
währenden „
Heute”!
.Jakob Böhme gab dem Schauen seiner 
OO
Seele nur die Wortgestalt, in der es 
für ihn 
OO
selber bleibend faßbar und 
be-
haltbar 
OO
werden konnte, da er ja nicht Herr und 
OO
Meister dieses Schauens war, sondern immer 
OO
warten mußte, bis es ihm aufs neue vom 
OO
Reiche des Geistes her eröffnet wurde, so 
OO
daß ihm das jeweils Erschaute in Gefahr 
OO
geriet, wieder verloren zu gehen. ‒ ‒ ‒ 
OO
.Es ist nicht zum Verwundern, wenn 
OO
er wirklich Wesentliches oft so kraus und 
OO
wirr 
verzierte, weil ihm nur solche Ara‐ 
OO
beske Unsagbares formhaft zu umschließen 
OO
schien.
.Als ein naturhaft starker Sprachge‐ 
OO
stalter in der Weise seiner Zeit, 
zwang 
OO
er die Worte, seinem bildhaften Erleben 
OO
 
Form zu werden, und es bekümmerte ihn 
OO
wenig, wenn die Worte sich auch 
sträuben 
OO
mochten, die Überfülle seiner inneren Ge‐ 
OO
sichte aufzunehmen.
.Aus seinen Worten 
auszulösen, was 
OO
sie fassen, wird stets nur 
liebender Ver‐ 
OO
senkung möglich sein. ‒ ‒ ‒
 
.„Da aber das Volk dieses sah, OO
fürchtete es sich, und pries Gott, OO
der solche Macht den Menschen OO
gegeben hat.”     Matthäus, IX, 8. OO
.Es wurde berichtet von einem Maori auf 
OO
Neuseeland, der ganz unerhörte 
Heilungen 
OO
vollbringe. Der Mann sei ein getaufter 
OO
Christ und er verlange von denen, die er 
OO
heilen solle, daß sie die Heilung nur der 
OO
„
Heiligen Dreieinigkeit: ‒ 
Vater, 
Sohn 
OO
und Heiliger Geist”, danken dürften, ja 
OO
er drohe, daß die Heilung nicht bestehen 
OO
bleibe, sobald der solcherart verlangte Glaube 
OO
in dem Geheilten schwinde.
.In christlichen Kreisen aber sah man 
OO
das Wirken dieses Maori als handgreifliche 
OO
Bestätigung des Dogmas an...
.Dann kam in Europa Herr 
Coué, ver‐ 
OO
langte nichts weiter von dem Kranken, als 
OO
daß er an die Macht seiner 
eigenen Ein‐ 
OO
bildungskraft glaube, und erzielte nicht 
OO
weniger „wunderbare” Erfolge.
 
.Und nun kommt schon wieder neue 
OO
Kunde von einem Heiler, der 
durch bloßes 
OO
Handauflegen allerlei Krankheit zum Ver‐ 
OO
schwinden bringen soll.
.Diesmal ist es  
ein buddhistischer 
OO
Mönch ‒ angeblich ein Chinese ‒ der 
OO
durch seine Heilungen in dem an „Wunder” 
OO
gewohnten 
Indien Staunen und ehrfürchtige 
OO
Scheu erregt.
.Da er 
allein nicht mehr imstande ist, 
OO
allen Kranken die zu ihm kommen, die 
OO
Hände aufzulegen, so „
überträgt” er seine 
OO
Heilerkraft an fünf seiner Schüler. ‒ ‒
.Zeitungsmeldungen lassen erkennen, daß 
OO
man die Tatsächlichkeit der Heilungen nicht zu 
OO
bezweifeln vermag und daher ‒ wie gewöhn‐ 
OO
lich in solchen Fällen ‒ vor Rätseln steht.
.Nun wird ja freilich von Zeit zu Zeit genug 
OO
des Wunderbaren aus Ostasien berichtet, 
OO
und bei näherer Nachprüfung bleibt dann 
OO
 
oft recht wenig davon übrig, obwohl nie‐ 
OO
mals die „durchaus glaubwürdigen Augen‐ 
OO
zeugen” in den ersten Berichten fehlen.
.Was man aber hier von diesem Bud‐ 
OO
dhistenmönch berichtet, ist durchaus nicht 
OO
so wunderbar, daß man es schon aus bloßer 
OO
Vorsicht bezweifeln müßte.
.Zum Verwundern ist es vielmehr, daß 
OO
man immer wieder 
staunend und 
um Er‐ 
OO
klärung verlegen vor solchen Heilungen 
OO
steht, ja daß man sie selbst dem sympa‐ 
OO
thischen und nüchternen Herrn 
Coué, der 
OO
doch wahrlich sich keinerlei Wundermantel 
OO
umhing, in manchen Kreisen nicht so recht 
OO
glauben will. ‒
.Freilich sprach Herr Coué nur von der 
OO
„
Autosuggestion”, während es sich hier 
OO
um Kräfte handelt, denen eben durch die 
OO
Autosuggestion nur 
die Fesseln abge‐ 
OO
nommen werden, aber das Wesentliche 
OO
bleibt bei seinem Erklärungsversuch doch 
OO
 
der Hinweis, daß Kräfte, die jeder Mensch 
OO
in sich selbst trägt, die Heilungen be‐ 
OO
wirken.
.In Wahrheit kann kein Arzt der Welt 
OO
auf eine andere Weise wirklich 
heilen, als 
OO
dadurch, daß er diesen Kräften die Mög‐ 
OO
lichkeit schafft, sich auszuwirken, einerlei 
OO
durch welche Mittel er dazu gelangt, mag 
OO
er auch chemische oder chirurgische Ein‐ 
OO
griffe vornehmen.
.Das ist nun nichts Neues und man hat 
OO
sich von je her mit der billigen Erkenntnis 
OO
beholfen, daß der Arzt nur die Heilkraft 
OO
der Natur 
anregen könne, ansonsten aber 
OO
mit den besten Medikamenten, ja selbst 
OO
durch Entfernung kranker Organe, kaum 
OO
viel vermöge.
.Es sind aber noch 
andere Dinge hier 
OO
im Spiel, und die sympathisch-bescheidene 
OO
Geste des Herrn Coué, daß 
er selbst gar 
OO
nichts mit der Heilung zu tun habe, sondern 
OO
 
nur lehre wie der Patient 
sich selber 
OO
helfen könne, darf beileibe nicht als un‐ 
OO
umstößliche Mitteilung eines Tatbestandes 
OO
aufgefaßt werden, selbst wenn Herr Coué 
OO
in seinem tiefsten Innern von der Richtig‐ 
OO
keit dieser Auffassung durchdrungen gewesen 
OO
sein mag. ‒
.Immer und überall wird die 
Persön‐ 
OO
lichkeit des Heilers von ausschlaggebender 
OO
Wichtigkeit sein, einerlei, ob es sich um die 
OO
durch Herrn Coué nun populär gewordene, 
OO
von den amerikanischen sogenannten „Neu‐ 
OO
denkern” seit einem halben Jahrhundert 
OO
bereits praktizierte Methode der 
Autosug‐ 
OO
gestion handelt, ‒ um 
Glaubensheilung, 
OO
oder 
Handauflegen, ‒ oder schließlich 
OO
um die Heilung durch 
medizinische und 
OO
chirurgische Eingriffe.
.Gewiß kann der 
Wille, besonders in seiner 
OO
höchsten Potenz: als 
Imagination, als 
OO
Einbildungskraft wirkend, im Menschen 
OO
 
wahre „Wunder” vollbringen, und das gilt 
OO
auch hinsichtlich der Freimachung jener 
OO
Heilkräfte, die als automatisch wirksame 
OO
Ordner in jedem menschlichen Organismus 
OO
vorhanden sind, aber durch die leiseste 
OO
Einrede der 
Gedanken schon 
gelähmt 
OO
werden, so daß alles darauf ankommt, wie 
OO
man am besten die 
Fesselung durch solche 
OO
Gedanken-Einrede 
entferne.
.Darüber hinaus aber handelt es sich hier 
OO
‒ wie bei allen Bekundungen der Lebens‐ 
OO
kräfte ‒ um ein Wirksamwerden 
zweier 
OO
Pole, deren einer im triebhaften Willen 
OO
der Zellen des erkrankten Organismus zur 
OO
Entartung, deren anderer im 
geistigen 
OO
Willen (nicht „Wunsch”!) zur 
Gesundung 
OO
zu finden ist.
.Bei der 
Selbstheilung ist es unum‐ 
OO
gängliche Voraussetzung, daß der Kranke 
OO
seinen Willen zur Gesundung objek‐ 
OO
tiviere; ihn gleichsam sich selber „fremd” 
OO
mache, damit die nötige 
Spannung ent‐ 
OO
 
steht zwischen dem 
organhaften Willen 
OO
zur 
Krankheit und dem 
geistigen Willen 
OO
zur 
Gesundung.
.Das ist nicht immer ganz leicht und zu‐ 
OO
weilen fast unmöglich, während die An‐ 
OO
forderungen an den Kranken auf ein letztes 
OO
Minimum herabgesetzt werden, sobald der 
OO
geistige Wille zur 
Gesundung: ‒ zur 
Ord‐ 
OO
nung des im Organismus 
Ungeordneten 
OO
‒ wenigstens zu Anfang, 
von außen her 
OO
auf ihn einwirkt und durch Influenzwir‐ 
OO
kung seinen 
eigenen geistigen Willen ent‐ 
OO
sprechend zur Tätigkeit 
anregt.
.Dieser 
äußere geistige Wille kann ein 
OO
Kollektivwille sein, wie er an Wallfahrts‐ 
OO
orten z. B. in Wirksamkeit ist, ‒ er kann 
OO
aber auch von einer 
einzelnen Persön‐ 
OO
lichkeit ausgehen und ist alsdann bedingt 
OO
durch die 
einwohnende Kraft dieser Per‐ 
OO
sönlichkeit, solchen „heilenden” Willen auf 
OO
Andere 
übertragen zu können. ‒
 
.Bekanntlich hat man auf dem Gebiete 
OO
der medizinischen Heilpraxis unzähligemale 
OO
die Erfahrung gemacht, daß gewisse Heil‐ 
OO
methoden in der Hand des 
einen Arztes die 
OO
erfreulichsten Heilerfolge sicherten, während 
OO
andere, nicht minder tüchtige Aerzte mit 
OO
den gleichen Methoden kaum etwas anzu‐ 
OO
fangen wußten.
.Auch der Umfang des 
Wissens, ja selbst 
OO
die Fülle der 
praktischen Erfahrung, 
OO
vermag nicht Ersatz zu bieten für die 
an‐ 
OO
geborene Eignung zum wahren 
Heiler, 
OO
und es sollte darum 
nur dann ein Mensch sich 
OO
heilärztlichem Wirken zuwenden, wenn 
OO
er diese Eignung: 
den geistigen Willen 
OO
zum Gesundwerden alles Erkrankten 
OO
auf Andere übertragen zu können, deut‐ 
OO
lich an sich wahrgenommen hat. ‒
.Alles nur 
rein wissenschaftliche In‐ 
OO
teresse am inneren Gefüge des mensch‐ 
OO
lichen Organismus und seinen pathologischen 
OO
Veränderungsmöglichkeiten rechtfertigt da‐ 
OO
 
gegen nur das Streben nach reinem 
Forscher‐ 
OO
beruf, der dann 
indirekt den Kranken 
OO
hohen Nutzen bringen kann, aber man sollte 
OO
auf dem Gebiete der medizinischen Wissen‐ 
OO
schaft aufs strengste scheiden lernen zwischen 
OO
der Eignung zum 
Forscher und der Eig‐ 
OO
nung zum 
Heiler. ‒ ‒
.Beide Eignungen sind 
angeboren und 
OO
lassen sich in ihrer ausgeprägt 
echten Form 
OO
niemals erwerben, wenn auch so mancher 
OO
Arzt, der, zum 
Forscher geboren, eine 
OO
Heilpraxis betreiben 
muß, aus der Not 
OO
eine Tugend macht, weil er 
aus rein mensch‐ 
OO
licher Hilfsbereitschaft heilen 
möchte, 
OO
da man ihn nun einmal dazu gerufen hat, 
OO
und dann vielleicht auch zuweilen recht 
OO
zahlreiche Heilerfolge erzielt. ‒
.Die Vereinigung 
beider Eignungen in 
OO
einem Menschen ist 
so überaus selten, 
OO
daß man hier füglich von ihr absehen 
OO
darf. ‒
 
.Was aber das 
Studium des kranken 
OO
Menschen durch den 
Forscher angeht, der 
OO
es ja keinesfalls entbehren kann, so dürfte 
OO
es wahrlich 
auch dann zu ermöglichen 
OO
sein, wenn er die eigentliche 
Heilpraxis 
OO
dem geborenen 
Heiler allein überläßt. ‒ 
OO
.Wir haben genug Menschen unter uns, 
OO
die geborene Heiler 
sind und wenn schon 
OO
heute die kompliziertesten mechanischen 
OO
Methoden zur Anwendung gelangen, um 
OO
festzustellen, ob ein Mensch die rechte Eig‐ 
OO
nung zum Lokomotivführer, oder zu irgend 
OO
einem anderen technischen Berufe besitzt, 
OO
so sollte es wahrlich auch gelingen, schon 
OO
während der Studienzeit festzustellen, 
OO
ob der angehende Mediziner zum 
Forscher 
OO
oder zum 
Heiler taugt.
.Es würde sich dann kaum mehr ereignen, 
OO
daß irgend ein obskurer Wundermann den 
OO
Ruf erlangt, alle erdenklichen Krankheiten 
OO
heilen zu können, die der medizinisch ge‐ 
OO
 
bildete Arzt 
nicht heilen konnte, weil er 
OO
eben kein geborener 
Heiler war.
.Ein solcher 
Heiler aber wird mit 
jeder 
OO
Methode Heilerfolge erzielen, und seine er‐ 
OO
worbene Wissenschaft wird stets von seiner 
OO
sicheren 
Intuition berichtigt werden.
.Bevor man aber zu der Erkenntnis kommt, 
OO
daß der rechte Arzt vor allem geborener 
OO
Heiler sein muß, werden alle neuen Heil‐ 
OO
methoden, alle Reformen in der Heilkunst, 
OO
nur 
sehr wenig Förderung bringen, und 
OO
immer wieder wird man erleben, daß alle 
OO
Welt aufhorcht, wenn irgend ein wirklicher 
OO
Heiler auftaucht, während das Vertrauen 
OO
zur 
wissenschaftlich fundierten Heil‐ 
OO
kunst mehr und mehr unterminiert wird. ‒ 
OO
.Es liegt solchem Verhalten der Menge 
OO
stets ein 
sicherer Instinkt zugrunde, der 
OO
eine Macht zu heilen im Menschen 
der 
OO
dazu geboren ist 
erspürt, und sich wenig 
OO
darum kümmert, ob ein solcher Mensch 
OO
 
auch die 
wissenschaftliche Einsicht be‐ 
OO
sitzt, sein Tun zu 
kontrollieren.
.Der kranke Mensch will 
geheilt werden 
OO
und trägt keinerlei Begehr danach, daß man 
OO
ihn als einen „interessanten Fall” betrachtet, 
OO
was er nur für den 
Forscher sein darf, 
OO
aber niemals für den 
Heiler!
 
.Dokumente aus allen Zeiten zeugen von 
OO
gewissen Menschen, die behaupteten, daß 
OO
ihnen 
Göttliches nicht nur dem religiösen 
OO
Glauben nach gesichert in der Wahrheit 
OO
gelte, sondern vielmehr von ihnen 
wissend 
OO
erlebt und in erprobt untrüglichem Er‐ 
OO
leben wohlvertraut geworden sei.
.Solche Behauptung gilt allen denen als 
OO
Vermessenheit, die allzusicher auf das Axiom 
OO
vertrauen, alle Menschen seien „
gleich 
OO
vor Gott”, was denn gemeinhin so gedeutet 
OO
wird, als könne es keinerlei Erleben geben, 
OO
das nicht einem wie dem anderen ohne 
OO
weiteres zugänglich sei.
.Aber es gibt Zeugnisse besonderer Men‐ 
OO
schen, die denn doch beweisen, daß die 
OO
Reichweiten des Erlebens unter uns Erd‐ 
OO
 
bewohnern 
sehr verschieden sind, wie ja 
OO
denn auch im Erleben der 
Außendinge 
OO
schon die größte Verschiedenheit des Er‐ 
OO
leben-
Könnens offenbar wird.
.Ist es schon im 
äußeren Leben wichtig, 
OO
welche Veranlagung ein Mensch von Geburt 
OO
an besitzt und wie er seine Begabung aus‐ 
OO
zubilden weiß, so tritt hinsichtlich des 
OO
geistlich-
seelischen Erlebens noch eine 
OO
ganze Reihe 
anderer Umstände hinzu, die 
OO
alle in günstiger Weise 
zusammenwirken 
OO
müssen, wenn 
gesichertes Erleben im Un‐ 
OO
sichtbaren erreicht werden soll.
.Die Fälle, in denen Menschen Geistiges 
OO
mit restloser Klarheit und Sicherheit er‐ 
OO
lebten, sind 
äußerst selten, aber es wäre 
OO
sehr töricht, sie um ihrer Seltenheit willen 
OO
unbeachtet zu lassen oder gar fortleugnen 
OO
zu wollen. Dies um so mehr, als es auch 
OO
heute Menschen gibt, die in solcher Art 
OO
 
erleben und mit wachester Urteilsfähigkeit 
OO
um ihr Erleben wissen.
.Man muß aber stets unterscheiden zwi‐ 
OO
schen diesem eigentlichen 
Erleben und der 
OO
Mitteilung des Erlebten, wie es der also 
OO
Erlebende in Worten zu geben sucht.
.In solcher Mitteilung strebt der Mensch 
OO
mit aller Inbrunst, auszusagen, was sich 
OO
doch niemals in Worten sagen 
läßt, 
OO
und notgedrungen schafft er sich 
Bild 
OO
und 
Gleichnis, um auch anderen Seelen 
OO
erfaßbar zu machen, was ihm wider‐ 
OO
fahren ist.
.Es zeigt sich in diesem Bestreben das 
OO
innere Ahnen, daß das eigene Erleben ir‐ 
OO
gendwie auch für alle 
anderen Menschen 
OO
Gültigkeit und befruchtenden Wert haben 
OO
müsse; zugleich aber weiß der Berichtende 
OO
mit Sicherheit, daß dieses Erleben den 
OO
meisten anderen 
nicht zugänglich ist, sodaß 
OO
er sich 
verpflichtet fühlt, davon Kunde 
OO
zu geben, selbst wenn es ihm schwer werden 
OO
sollte, Bekenntnis abzulegen.
 
.Man könnte, folgt man der Bild- und 
OO
Gleichnis-Spur hierhergehöriger Bekennt‐ 
OO
nisse, gar leicht vermuten, daß es sich 
OO
im Grunde stets um das 
gleiche innere 
OO
Erleben handle, nur verschieden darge‐ 
OO
stellt, je nach der Darstellungsfähigkeit 
OO
des Erlebenden und seiner ihm eigenen 
OO
Bildwelt.
.Sieht man aber näher zu, so ist es auch 
OO
für den, der niemals von ähnlichen Erleb‐ 
OO
nissen erschüttert wurde, nicht allzu schwer, 
OO
zu entdecken, daß es sich doch um Berichte 
OO
sehr wesentlich 
verschiedenen Erlebens 
OO
handelt, auch wenn oft die gebrauchten 
OO
Darstellungsbilder dazu verleiten könnten, 
OO
wesentlich 
gleichartige Erfahrungen vor‐ 
OO
auszusetzen.
.Ja, man wird alsbald ersehen, daß es 
OO
sich um ganze 
Gruppen völlig gesonderter 
OO
Erlebnisse handelt, trotzdem in den gleichen 
OO
oder sehr 
ähnlichen Worten berichtet 
OO
werden mag. ‒
 
.Das hat seinen Grund darin, daß 
alles 
OO
mit 
physischen Sinnen nicht mehr faßbare 
OO
Erleben durchaus nur 
vergleichsweise 
OO
und andeutend ausdrückbar ist: ‒ daß der 
OO
Berichtende aber auch außerdem gerne die 
OO
Bilder und Gleichnisse anderer aufgreift, 
OO
um aus seiner Not des Nichtsagenkönnens 
OO
herauszukommen.
.Es handelt sich im Wesentlichsten um 
OO
zwei große Gruppen Erlebender, und jede 
OO
dieser Gruppen umfaßt wieder 
beson‐ 
OO
dere Arten des 
individuellen Erleben‐ 
OO
könnens.
.Auf der einen Seite stehen jene Men‐ 
OO
schen, die nur 
das Verborgene ihres 
OO
eigenen Innern erleben, hier aber schon 
OO
vermeinen, „
das Göttliche” erlebt zu haben, 
OO
da sie die Höhe und Tiefe, die Weite und 
OO
Breite dessen, was die menschliche Seele 
OO
umfaßt, nicht kennen, und nicht zu dem 
OO
Glauben sich erheben wollen, das alles sei 
OO
noch des 
Menschen Bereich.
 
.Hier wird zumeist in 
Ekstasen und 
OO
Visionen erlebt, immer aber in einem 
OO
„anderen Zustand”, der vom normalen 
OO
wachen Tagesbewußtsein sehr verschieden ist. 
OO
.Auf der anderen Seite stehen die wirklich 
OO
im Geiste objektive geistige Wirklich‐ 
OO
keit Erlebenden, die alle Ekstasen und 
OO
Visionen instinktiv scheuen und nur ein 
OO
Erleben gelten lassen, zu dem sie mit 
un‐ 
OO
getrübten Außensinnen, 
stets ihrer selbst 
OO
und ihrer äußeren Umwelt bewußt, 
OO
gelangen können.
.Diese Erlebenden sind weitaus 
selte‐ 
OO
ner als die Ekstatiker und Visionäre, denn 
OO
solches tagwache Geisteserleben fordert eine 
OO
recht strenge innere Erziehung und Selbst‐ 
OO
kontrolle. Es setzt voraus, daß sich der 
OO
Mensch ein durchaus gesundes, geordnetes 
OO
Innenleben zu erringen wußte, daß er sich 
OO
peinlichst aller schwärmerischen Gefühle 
OO
und Ausdeutungen enthält, um nüchternen 
OO
Sinnes, aber voller Ehrfurcht vor dem wesen‐ 
OO
 
haften Geistigen, die wirkliche Erfahrung 
OO
geistiger Wirklichkeit stets freizuhalten 
OO
von allem Rankenwerk der Phantasie. ‒ 
OO
.Man kann nicht scharf genug zwischen 
OO
diesen beiden Hauptgruppen unterscheiden, 
OO
will man zu einem klaren Urteil gelangen 
OO
bei der Betrachtung jener zahllosen Bekennt‐ 
OO
nisdokumente aus alter und neuer Zeit, die 
OO
von wahrem oder vermeintlichem Erleben 
OO
des Göttlichen Zeugnis zu geben suchen. 
OO
.Es ist auch nicht allzu schwer, hier 
OO
sichere Bürgschaft zu erhalten.
.Während die Ekstatiker und Visionäre 
OO
ihre Erlebnisse stets in einer Ausdeutung 
OO
darstellen, die gewohnte Glaubensvorstel‐ 
OO
lungen bestätigen sollen, auch wenn sie 
OO
diese Vorstellungen allenfalls auszubauen 
OO
oder zu vertiefen suchen, wird jeder, der das 
OO
Erleben 
geistiger Wirklichkeit bezeugt, 
OO
recht deutlich erkennen lassen, daß er 
frei 
OO
 
wurde von den Fesseln bestimmter, zeit‐ 
OO
gegebener Vorstellungswelten.
.Er wird zwar oft genug an solche zeit‐ 
OO
läufige Begriffe 
anknüpfen müssen, aber 
OO
immer nur, um das bereits allen Bekannte 
OO
als 
Verständigungsmittel zu benützen. 
OO
.Er will die Meinung, die zu seiner Zeit 
OO
und in seiner Umgebung in bezug auf gei‐ 
OO
stige Dinge gerade Gültigkeit hat, durch 
OO
den Gebrauch der bekannten Begriffe und 
OO
Vorstellungsbilder keineswegs 
stützen, son‐ 
OO
dern, unbekümmert um irgendein dogma‐ 
OO
tisches Gebäude, kraft seiner ihm gewor‐ 
OO
denen Einsicht 
zeigen, welche Steine eines 
OO
solchen Baues 
Bestand haben und welche 
OO
nicht, ‒ welche 
richtig behauen und 
OO
welche 
verkehrt bearbeitet sind, denn es 
OO
liegt ihm nicht daran, niederzureißen, wohl 
OO
aber daran, daß der Bau auch der Wirk‐ 
OO
lichkeit 
entspreche, die er aus geistiger 
OO
Erfahrung 
kennt.
 
.Viel Irrtum ist entstanden durch das 
OO
kritiklose Vermischen von Bekenntnissen 
OO
der hier aufgezeigten beiden Gruppen inner‐ 
OO
lich Schauender und Erlebender.
.Mögen aber auch Zeugnisse der Eksta‐ 
OO
tiker und Visionäre zuweilen aller 
Bewun‐ 
OO
derung und selbst hoher 
Schätzung würdig 
OO
sein, so bleiben sie doch immer mehr oder 
OO
weniger 
zeitlich und 
subjektiv bedingte, 
OO
dabei 
verschleierte und 
getrübte Aus‐ 
OO
sagen über ein zwar nicht alltägliches, aber 
OO
keineswegs täuschungsfreies Selbst‐ 
OO
erleben, vergleichbar dem der 
Dichter, aber 
OO
ohne die 
ordnende Sichtung eines sou‐ 
OO
veränen Künstlertums.
.Demgemäß kann auch der Wert nach‐ 
OO
fühlender Aufnahme solcher Bekenntnisse 
OO
nur in einer poetischen Anregung oder 
OO
einer subjektiv gefärbten religiösen Stim‐ 
OO
mungserhebung bestehen.
.Bei 
distanzierter Betrachtungsweise 
OO
aber wird man nur vor bedeutungs- und 
OO
 
beziehungsreichen 
Dokumenten mensch‐ 
OO
lichen Irrens stehen, die erst als 
For‐ 
OO
schungsmaterial ihren Wert erhalten, 
OO
mögen sie uns an sich als menschlich 
OO
rührend, als groß und gewaltig, als erschüt‐ 
OO
ternd, oder als groteske Narretei erscheinen. 
OO
.Die bestaunte 
glaubensgenährte My‐ 
OO
stik aller Zeiten und Völker 
wurzelt in 
OO
solchem Humusboden subjektiven Irrtums 
OO
und überwuchert allgemach jede Blüte 
OO
echten mystischen Erkennens, so daß es fast 
OO
nicht mehr angängig ist, noch von „
Mystik” 
OO
zu reden, wenn man eben 
Anderes meint 
OO
als dieses Schlingpflanzengewirre. ‒
.Soll aber das Wort, das entwertet wurde, 
OO
wieder zu einiger Bedeutung für das mensch‐ 
OO
liche Erkennen kommen, so wird es nötig 
OO
sein, sehr entschieden zwischen einer 
OO
scheinbaren Mystik wie die hier aufge‐ 
OO
zeigte, und dem 
wirklichen mystischen 
OO
Erleben, das ein 
waches Erleben des 
OO
 
Menschengeistes im ewigen reinen 
OO
Geiste ist, zu unterscheiden.
.Das ist sehr wohl möglich, auch wenn 
OO
man durchaus nicht gesonnen ist, gewissen 
OO
sogenannten „mystischen” Bekenntnissen, 
OO
die schon als Werke des Schrifttums alle 
OO
Achtung verdienen, fortan seine gewohnte 
OO
Ehrerbietung zu versagen.
.Da es sich aber letztlich doch wohl 
OO
darum handeln wird, zu einem tieferen, 
OO
klareren und vor allem 
wahrhaftigeren 
OO
Erfassen der Kosmologie 
geistiger Welt, 
OO
als der uns vorbehaltenen 
ewigen Wirk‐ 
OO
lichkeit, vorzudringen, so ist alles stim‐ 
OO
mungsmäßige Einfühlen in die durch 
Reli‐ 
OO
gionssysteme und den Glauben an ihre 
OO
Dogmen bedingte „mystische” Bekenntnis‐ 
OO
Literatur beinahe ‒ wenn nicht durch‐ 
OO
gängig ‒ eine 
Gefahr für 
den, der hier 
OO
nicht zu 
sondern weiß, und nicht stark 
OO
genug ist, auch liebgewordene Vorstellungen 
OO
 
aufzulösen um der 
Wahrheit willen, die 
OO
er nur dort finden kann, wo Menschen sich 
OO
bekunden, die 
tagwach und 
nüchtern in 
OO
die Welt des Geistes Einlaß fanden. ‒ ‒ 
OO
.Es kann nicht verborgen bleiben, zu 
OO
welcher Gruppe innerlich Erlebender ich 
OO
mich selber rechne, denn in allen meinen 
OO
Schriften habe ich stets mit allem Nach‐ 
OO
druck betont, wie ferne ich aller Ekstase, 
OO
allem Visionären stehe. ‒ Wenn man mich 
OO
dennoch als „Mystiker” rubrizieren möchte, 
OO
ob aus Bequemlichkeit, oder aber weil ein 
OO
anderes Wort zu fehlen scheint, so muß 
OO
ich zum Wenigsten darauf dringen, daß 
OO
man die Unterscheidung zwischen 
dogma‐ 
OO
tisch religiöser und 
kosmisch-
geistiger 
OO
Mystik sich zu eigen mache, deren Not‐ 
OO
wendigkeit ich hier nun genugsam darge‐ 
OO
legt zu haben glaube.
.Denen aber, die in den Schriften 
dog‐ 
OO
matisch religiös gebundener „Mystiker” 
OO
Bestätigungen für das aufzufinden suchen, 
OO
 
was ihnen heute meine Lehre zu geben 
OO
hat, rate ich sehr entschieden, sich die 
OO
Mühe zu sparen.
.Sie werden dort allenfalls gewisse Über‐ 
OO
einstimmungen finden, weit mehr aber durch 
OO
einen 
recht wesentlich verschiedenen, 
OO
wenn nicht 
diametral entgegengesetzten 
OO
Gebrauch der Worte und Bilder verwirrt 
OO
werden.
.Vor allem aber müssen sie sich klar 
OO
darüber werden, daß ihr Bedürfnis, meine 
OO
Worte anderweitig noch bestätigt zu finden, 
OO
allein schon den striktesten 
Beweis liefert, 
OO
daß sie von einem 
eigenen Verarbeiten 
OO
dessen, was in meinen Schriften steht, noch 
OO
himmelweit entfernt sind. ‒
.Ein neuer geistiger Tag ist im An‐ 
OO
brechen, und keine, wenn auch historisch 
OO
noch so fest verankerte Erdenmacht ist im‐ 
OO
stande, ihn zurückzuhalten, aber in dieser 
OO
Generation werden ihn nur 
jene sehen, 
OO
 
die, 
freien, 
nüchternen Sinnes ihm wa‐ 
OO
chend entgegeneilen, und 
solche nur können 
OO
meine Lehre 
verstehen! ‒ ‒
.Mir ist es ja wahrlich nicht darum zu 
OO
tun, etwa „
Anhänger” werben zu wollen, 
OO
und ich bin jedem Leser meiner Schriften 
OO
dankbar, wenn er 
so wenig wie möglich 
OO
Notiz nimmt von ihrem 
Autor.
.Es ist mir zur Lebensaufgabe geworden, 
OO
in aller Verborgenheit das niederzuschrei‐ 
OO
ben, was ich meinen Mitmenschen zu geben 
OO
habe, und ich habe 
nichts anderes zu 
OO
geben, als die Aufschlüsse über des Erden‐ 
OO
menschen Beziehung zum Reiche wesen‐ 
OO
haften Geistes, wie sie 
in meinen Büchern 
OO
zu finden sind.
 
Sollst nicht in den Lüften schweben!
Sollst fest auf der Erde stehn!
Doch, willst du zum Urgrund streben,
Mußt du in die Tiefe gehn! ‒
Dort, wo sich der Wolke Fluten
In der Erde Schoß ergießen;
Wo in Liebesfeuergluten
„Mann und Weib” sich rein genießen!
Wo die zeugenden Gewalten
Stets die Erde neu befruchten: ‒
Dorthin, wo die großen Alten
Schon des Lebens Urstrom suchten! ‒ ‒
Aber dort wird nur begnadet,
Wer von allem Alltags-Staube
Selbst sich sorglichst reingebadet...
Einlaß schafft ihm nur sein Glaube!
 
So, wie die Welt der Außensinne
Nur kund wird dem,
Der sich als Teil von ihr
In ihr bewegt,
Und, selbst bewegend,
Sich von ihr umschlossen findet,
So wird nur dem die Welt des Geistes kund,
Der alles Geistige in sich
Bereitet hat,
Unendlich sich zu weiten,
Um die Welt des Geistes zu umschließen. ‒
Dann ist er nicht nur Teil
Der Welt, die er erlebt!
Umfangend hält er das Umfangene
Im eigenen Sein
Und keine Grenze scheidet
Den Erlebenden
Fortan von dem,
Was er in sich erlebt: ‒
Zur Einheit wird
Erlebtes und Erlebender
Dann im Erlebnis...
 
Auf sich gestellt,
In sich vollendet,
So lebt in der Seele
Ewige Kraft
Und wirkt 
sich selbst
Zu göttlichem Leben ‒ .
.‒ Nie ward sie geboren,
.‒ Nie kann sie sterben!
Wer sie erkannte,
Erkennt sich selber,
Lebt aus sich selbst
Ihr ewiges Leben!
.‒ Er fürchtet nicht,
.‒ Daß er vergehen könnte.
 
 
Wir glühen alle
In einem Leben
Und jedem gehört
Dieses Leben ‒
Allein. ‒ ‒
Wir können uns immer
Das Gleiche nur geben,
Und doch ‒
Wird es immer
Ein Anderes sein...
 
Heilkräftig sprudelt manche 
Quelle,
Heilkräftig ist des 
Meeres Welle, ‒
Ernährt wird Wald und Feld und Au
Durch 
Regen, 
Fluß und 
Morgentau;
So ist es des 
Wassers ureigene Kraft,
Die allem Nahrung und Heilung schafft...
Hier aber ist noch 
mehr beschlossen,
Urewig geistig ausgegossen, ‒
Doch kündet es kein Menschenmund,
Allein den 
Wachen wird es kund,
Wie stets in der Erde das Wunder ge‐
.schieht,
Das sich allem Klügeln der „Klugen” ent‐
zieht...
Will einer recht das Wasser 
kennen,
Muß er es wahrlich „
heilig” nennen,
Weil nirgends sich der Gottesgeist
In höh'rer Heiligkeit erweist,
Als wo er sich über die Erde beugt
Und aus dem 
Wasser: das 
Leben zeugt!
 
 
Es ist nicht leicht, 
so umzudenken,
Daß man im „
Ich” sich selbst 
erkennt, ‒
Daß man im tiefsten Sich-versenken
Den findet, den kein Name nennt;
Daß man in 
Vielheit sieht den 
Einen
Und dennoch in der Einheit bleibt, ‒
Und, ohne selbst sich zu verneinen,
Im 
Sein den letzten Trieb zum 
Scheinen
Aus seinem Paradiese treibt!
 
 
Weil es allzu 
nahe liegt,
Wird es 
nicht erkannt! ‒
Weil der Sinn 
ins Weite fliegt,
Bleibt der Blick 
gebannt. ‒ ‒
Und so sucht er denn in weiten
„Kosmischen Unendlichkeiten”,
Was noch 
keiner je gefunden,
Der nicht, 
mit sich selbst verbunden,
In sich selbst sich tief versenkte,
Bis sich ihm ‒ das Kleinod 
schenkte!
 
 
Aus Urlichtsonnenfeuern sprühet
.Weltensamen,
Und wird zu Weltensonnen,
Wird zu Welten, die um Sonnen kreisen.
Aus Welten keimen Wesen,
Denen hohe Geister sich im Fall ver‐
.einen...
Vereinigt, ziehen sie empor, was erdge‐
.boren ‒
Und stille Geisterscharen
Steigen stetig nun als Menschengeister
.zu den Sternen auf,
Und werden selbst zu Sternen,
Werden Menschengeistersonnen,
Die den Erdenwesen ferner leuchten.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
 
Noch ist euch eures Leibes Kraft
Nur Quell der Sinnenlust...
Daß sie dem 
Geist den Körper schafft,
Ist 
Wenigen bewußt! ‒ ‒
Geheimnisvoll verbirgt Natur
Das Wunder hinter dichten Hüllen, ‒
Doch weist sie selber auch die Spur,
Will einer ihr Gesetz 
erfüllen! ‒ ‒
Ein 
Gleiches führet Mann und Weib
In heißer 
Liebesglut zusammen,
Und formt 
des Geistes neuen Leib
Aus ewig lichten, reinen Flammen! ‒ ‒ ‒
 
 
Wohl war auch ich einst in den Schein
.gebannt...
Wohl war auch ich voreinst im 
Traum
.befangen...
Dann aber ward im Lichte ich zu 
Licht
verbrannt
.Und bin in seinem 
Leuchten aufgegangen.
Nun ist der Erde Dunkel um mich her
Mir wie ein trüber Dunst in weiter
.Ferne...
Im Abgrund hör' ich noch ein grollend
.wildes Meer.
Doch ferne bleiben seine Stürme meinem
.Sterne!
 
 
Wenn ich über hohe Dinge
Heilig ernstes Wort gesprochen,
Kommt mir oftmals das Geringe
Kichernd auf den Weg gekrochen.
Doch ich hüte mich, zu schelten,
Wenn es gar vertraulich tut,
Denn in allen hohen Welten
Meint man's auch mit Kleinem gut! ‒
 
„Wie denn das und jenes sei
Und zusammenhänge?” ‒
So geht ihre Fragerei
Endlos in die Länge.
Was sie tun und lassen sollen?
Hört man nie sie fragen...
Da sie ja nur „wissen” wollen,
Müssen sie versagen! ‒
Wie ein Kind sein Pensum lernt,
„Lernen” sie die Lehren;
Praktisch weit davon entfernt,
Sich daran zu kehren. ‒
Können sie recht „eingeweiht”
Nur vor Andern prunken,
Sind sie schon in Seligkeit
Selbstberauscht versunken...
Stets zu großem Wort bereit,
Zerschwätzen sie die Wahrheit: ‒
Ach! ‒ wie sind sie noch so weit,
Weit von aller Klarheit! ‒ ‒ ‒
 
Freund, deine „Würde” steht dir schlecht!
Du bist nur deiner „Würde” Knecht! ‒ ‒
Vordem war aufrecht stets dein Gang
Und mancher freie Wurf gelang.
Jetzt aber gehst du krumm gebogen
Und all dein Tun wirkt wie erlogen...
Es ist, als müßtest du dich fragen,
Ob du es weiter dürftest wagen,
Wie früher doch: du selbst zu sein! ‒
Du wirst, mein Freund, dir selbst zur Pein,
Und peinlich wirst du auch den Andern,
Die gerne wollten mit dir wandern! ‒
Dein Pathos tönt in falschem Ton
Und spricht dem Besten in dir Hohn...
Laß ab, mein Freund von solchem Streben,
Willst du zum Geiste dich erheben!
Du mußt erst deine „Würde” zwingen,
Soll je dir Würdiges gelingen! ‒
Erscheinst du dir auch noch so groß
Und wirst nicht deine „Würde” los,
So bleibst du doch nur arm und klein,
 
Wirst stets nur scheinen, ‒ ‒ niemals
.sein,
Und bleibst zuletzt am Boden liegen,
Denn niemals lernst du so ‒ das Fliegen!
.‒ ‒
 
Manches mußt du dir ent-innern,
Soll dein Inneres sauber sein!
Darum lasse zum Er-innern
Nur noch Allerreinstes ein! ‒
 
Es gibt Leute, die möchten mich anders
.haben, ‒
Nicht ganz so, wie ich nun einmal bin.
Und wirklich:
Diese guten Knaben,
Sie haben nichts Schlechtes für mich
.im Sinn!
Wäre ich wirklich
Wie sie mich wollen,
So sähe ich wahrlich
Nicht übel aus, ‒
Nur habe ich nicht so werden sollen,
Und möchte nicht aus meiner Haut
.heraus! ‒
Ich wäre gewiß nicht der ich bin, ‒
Wär' ich nach ihrem Wunsche geschaffen,
Und keiner hätte davon Gewinn,
Macht' ich mich zu eines Anderen ‒
Affen! ‒ ‒ ‒
 
Soll dein Pfeil dem Adler gelten,
Mußt du nach dem Himmel zielen! ‒
Strebt dein Sinn nach hohen Welten,
Darfst du nicht nach Wolken schielen!
 
Der Weise 
liebt nur dann,
Wenn er 
verzichten kann, ‒
Reicht ihm ein Freund die Hand, ‒
Er wird sie freudig 
fassen,
Und will er 
von ihm gehn ‒ ‒
Er wird ihn ‒ segnend 
lassen...
Er weiß im Anbeginn,
Daß jeder Freundschaft Gabe
Stets nur ein 
Lehen ist, ‒
Niemals Besitz und Habe. ‒ ‒
 
 
Die sich der Blüten schon erfreuen wollen
.in den Vasen,
Dürfen keine Früchte fordern, wenn der
.Zweig verwelkt, ‒
Und alle Zweige ohne Wurzel welken...
 
Stets alles zugleich tun, was man kann,
Heißt immer übers Ziel geschossen!
Auf einem Pferde reitet man,
Doch pflügt man mit den Arbeitsrossen!
 
Mancher glaubt, er wüßt' es besser,
Als man es ihm sagen kann,
Und so wetzt er dann sein Messer: ‒
Schneidet fremde Früchte an...
Schneidet sich in allen Längen
Scheiben aus der Frucht heraus,
Läßt das Kernhaus ‒ oben hängen,
Nimmt die Scheiben mit nach Haus'...
Steckt sie dort in seinen Garten, ‒
Sieht in Träumen schon die Sprossen, ‒
Aber ach! Trotz allem Warten,
Hat er sie umsonst begossen! ‒ ‒ ‒
 
Laßt sie nur recht Dummes schwätzen
Und sich sehr erheblich fühlen!
Laßt sie nur danebenschätzen
Und ihr heißes Mütchen kühlen!
Habt doch Mitleid mit den Armen,
Reicht ihr Horizont nicht weiter! ‒
Ach! ‒ Es ist schon zum Erbarmen,
Denn sie werden nie gescheiter! ‒
Was sie selbst nicht ausgeklügelt,
Ist für sie auch nicht vorhanden,
Und was Andere beflügelt,
Schwätzt ihr seichtes Wort zuschanden...
Teuer müssen sie bezahlen
Ihre immer falschen Schlüsse,
Denn sie finden stets nur Schalen
Und entdecken nie ‒ die Nüsse. ‒ ‒
 
Nimm dein Leben wie es 
ist!
Denke nicht: „
So könnt' es sein.”
Fluche 
keinem deiner Tage!
Was du tragen mußt, 
ertrage!
Alles, was dir je begegnet,
Segne, und du 
wirst gesegnet! ‒
 
 
ENDE