AUS
MEINER
MALERWERKSTATT
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1932
BÔ YIN RÂ
IST DER DICHTER, PHILOSOPH UND MALER
JOSEPH SCHNEIDERFRANKEN
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL 1932
BUCHDRUCKEREI WINTERTHUR A.-G.
 
.Wenn ich nach langen Jahren steten 
OO
Zögerns, mich selbst über 
meine Male‐ 
OO
reien zu äußern, dieses aus vielen inner‐ 
OO
lichen Gründen mir überaus schwer über‐ 
OO
windbare Zögern nun doch überwunden 
OO
habe, so geschah das wahrhaftig nicht um 
OO
von mir als Künstler reden zu machen.
.Ich bin über die Tage längst hinaus, in 
OO
denen ich mich noch von wohlmeinenden 
OO
Anderen hin und wieder, und sehr gegen 
OO
eigenen Wunsch und Willen, dazu drängen 
OO
ließ, Bilder von mir in öffentlich zugängliche 
OO
Ausstellungen zu geben. Ich male nichts ‒ 
OO
aber auch rein 
gar nichts ‒ für „das 
OO
große Publikum”, ‒ habe nicht den min‐ 
OO
desten Ehrgeiz, Werke meiner Hand von 
OO
den offiziellen Stapelplätzen der Erzeug‐ 
OO
 
nisse bildender Kunst angekauft zu wün‐ 
OO
schen, ‒ will um des Himmels willen nicht 
OO
etwa Schule machen, ‒ sondern sehe mich 
OO
nur immer stärker und unausweichlicher 
OO
meinem geistigen Lehrwerk gegen‐ 
OO
über dazu verpflichtet, Allen, die ich 
OO
durch das Wort der Sprache zu ihrem ewi‐ 
OO
gen Ursprung wieder hinzuleiten suche, auch 
OO
zu zeigen, wie sich meine künstlerische Ar‐ 
OO
beit als Maler, die ja vielen der mir geistig 
OO
Nahestehenden lange genug schon in hohem 
OO
Grade bedeutsam wurde, meinem ganzen 
OO
geistigen Wirken einfügt.
.Dieser Pflicht genügezuleisten, zwingt 
OO
mich zwar zu mancher Eröffnung, die mir 
OO
hart und sauer wird, da sie, notgedrungen, 
OO
den Blick in allerpersönlichste Gebiete frei‐ 
OO
gibt, die in meinem Lehrwerk immer noch 
OO
durch wortgewobene Schleier vor allen ver‐ 
OO
borgen gehalten werden konnten, die sich 
OO
nicht selbst das unbestreitbare Recht auf 
OO
solchen Einblick durch ihre eigene geistige 
OO
Entfaltung erworben haben.
 
.Aber auch dieser Umstand darf mich, wie 
OO
ich täglich deutlicher sehe, nicht mehr da‐ 
OO
ran hindern, 
das über die Ursachen und Be‐ 
OO
weggründe meines Kunstschaffens und die 
OO
aus ihm hervorgegangenen Werke mitzutei‐ 
OO
len, was schließlich 
nur ich allein bezeu‐ 
OO
gen kann.
.Dem, was bereits über meine Kunst ge‐ 
OO
schrieben worden ist, wird das Nachfolgende 
OO
gewiß nicht ins Gehege kommen, wenn auch 
OO
mancher offenbar aus Mängeln eigener Mit‐ 
OO
teilung erwachsene beiläufige Irrtum richtig‐ 
OO
gestellt werden kann.
.Ich gebe diesem ganz persönlichen Buche 
OO
keinerlei Reproduktionen mit, weil das, was 
OO
ich hier darzulegen habe, 
aus der Dar‐ 
OO
legung selbst verstehbar ist, und keine 
OO
Bildbestätigung 
braucht.
.Zudem sind Wiedergaben meiner Bilder 
OO
in mehr als genügender Anzahl bereits er‐ 
OO
 
schienen,* und ich hege nicht den Wunsch, 
OO
die vorhandenen Reproduktionen auch nur 
OO
um eine einzige vermehrt zu sehen.
.Ich will ja auch hier nicht für meine 
OO
Kunst „Propaganda” machen, ‒ meine 
OO
Bilder sind in festen Händen, ‒ und ich 
OO
denke nicht daran, irgendwelchem späteren 
OO
kunsthistorischen 
Urteil vorzugreifen!
.Was ich hier mitzuteilen habe, soll ledig‐ 
OO
lich verstehbar machen, was der Beruf des 
OO
bildenden Künstlers: des Malers, in meinem 
OO
Leben bedeutet, und weshalb ich nicht etwa 
OO
Arzt oder Rechtsanwalt sein könnte, obwohl 
OO
ich mein Sein und Wirken gewiß auch dann 
OO
nicht von einer Berufs-Sphäre her beein‐ 
OO
flussen lassen dürfte.
.Es ist hier vor allem aufzuzeigen, was 
OO
sich mir selbst in meiner künstlerischen Pro‐ 
OO
 
     *In meinem Buche „Welten”, Kober'sche Verlagsbuch‐ 00
handlung, sowie bei Franz Hanfstaengl, München und W. I. Stacey, 00
London. Bei Hanfstaengl auch die vorzüglichen farbigen Re‐ 00
produktionen der geistlichen Bilder in dem Buche „Der Maler 00
Bô Yin Râ” von Rudolf Schott.
duktion als 
das Wesentliche ‒ auch von 
OO
geistigem Standpunkt her gesehen ‒ er‐ 
OO
wiesen hat, und wie seine Entstehung da‐ 
OO
durch 
vorbedingt war, daß ein dem Er‐ 
OO
leben im geistig Substantiellen geöffneter 
OO
Mensch gleichzeitig die Ausbildung als Maler 
OO
erhalten hatte.
.Weiter aber sehe ich mich vor Mit- und 
OO
Nachwelt verpflichtet, über ein, auch in 
OO
meinem 
ureigensten, durch meine Gei‐ 
OO
stigkeit bedingten Schaffenskreis, 
ganz 
OO
isoliertes Werk und seine Entstehung Be‐ 
OO
richt zu erstatten, weil hier der 
Gegen‐ 
OO
stand der Darstellung zu erhaben ist, als 
OO
daß ich nicht zeitig jeder 
Legendenbil‐ 
OO
dung wehren müßte.
.Zuletzt ‒ wenn auch wahrlich nicht in 
OO
letzter Linie ‒ werde ich hier auch darauf 
OO
hinzuweisen haben, daß die mir infolge an‐ 
OO
geborener geistiger Artung zuteilgewordene 
OO
geistige Bewußtseinsentfaltung mit 
OO
der künstlerischen Grundbefähigung des 
OO
 
äußeren Menschen, als mit einer geforder‐ 
OO
ten 
Voraussetzung rechnet, einerlei, 
OO
nach 
welchen künstlerischen Bezirken hin 
OO
diese Befähigung tendiert.
.Nicht mein Beruf hat meine 
Berufung 
OO
bestimmt, ‒ wohl aber bestimmte die Be‐ 
OO
rufung mir den 
Beruf!
 
.Soviel ist gewiß: ‒ daß ich niemals 
OO
einem anderen Künstler Konkurrenz ge‐ 
OO
macht habe, ‒ niemals gleichen Ehrgeiz 
OO
mit anderen Malern teilte, ‒ und niemals 
OO
als Maler irgendwo mit in Wettbewerb zu 
OO
treten gedenke!
.Wenn Begabte sich der Malkunst zuge‐ 
OO
wandt haben um ihrem Drang zur 
Dar‐ 
OO
stellung der sachlich gegenständ‐ 
OO
lichen Umwelt das nötige handwerkliche 
OO
Können zu erwerben, andere um ihre 
Im‐ 
OO
pressionen aus dieser Umwelt wieder‐ 
OO
geben zu lernen, andere um ein Darstellungs‐ 
OO
mittel zu beherrschen, das ihnen erlaubt, 
OO
ihr 
subjektives Seelenleben, in was 
OO
immer für einer „Kunstrichtung”, bildhaft 
OO
dramatisch zum 
Ausdruck zu bringen, 
OO
 
und alle schließlich danach streben, in ihrer 
OO
Art die Gleichbemühten, wenn irgend mög‐ 
OO
lich, zu 
überflügeln, so waren mir 
alle 
OO
diese Motive von Anfang an 
innerlich 
OO
fremd.
.In solcher Mitteilung soll aber gewiß 
OO
nicht etwa irgendwelche 
Wertung oder gar 
OO
Abschätzung getroffen werden.
.Sie ist lediglich 
Konstatierung!
.Nötig wird diese Konstatierung, weil 
OO
die durch sie bezeichnete, mir von Natur 
OO
aus gegebene innere Situation mein Werden 
OO
und Schaffen viel stärker bestimmt hat als 
OO
jeder äußere Einfluß.
.Vielleicht findet dann aber die mir vom 
OO
allerersten Anfang an so selbstverständliche 
OO
Auffassung des Zeichnens und Malens als 
OO
einer geradezu 
sakralen Handlung, auch 
OO
dadurch ihre Erklärung, daß ich vordem 
OO
durch unerwartetes Schicksal, das meine 
OO
 
Eltern betraf, mich gezwungen fand, 
OO
kaum dreizehnjährig und noch fast ein 
OO
Kind, ‒ der Schule vorzeitig entnommen, 
OO
‒ im Fabriksaal an der Drehbank und am 
OO
Schraubstock, brauchbare, wenn auch na‐ 
OO
türlich einfachste Arbeit leisten zu lernen, 
OO
deren Resultate immer 
ein Ganzes 
OO
sein mußten, und daß mir dadurch 
alle 
OO
manuelle Arbeit seltsamerweise nicht etwa 
OO
verhaßt, sondern geradezu 
heilig gewor‐ 
OO
den war. ‒
.Um wieviel gesteigerter mußte mich die‐ 
OO
ses Empfinden erfüllen gegenüber einer Tä‐ 
OO
tigkeit die ich endlich, nach drei harten, 
OO
frühzeitig vielerlei fordernden, wechselvol‐ 
OO
len Jahren, nun als Kunststudierender aus‐ 
OO
üben durfte, und die mich dazu führen 
OO
sollte, späterhin ein wirkliches 
Kunst‐ 
OO
„Werk” gestalten zu können!
.Von da aus ward wohl auch meine Auf‐ 
OO
fassung des „
Bildes” als geschlossener 
OO
 
Ganzheit: ‒ als eines 
in sich ruhenden 
OO
Kosmos der zu ihm gehörigen Formen 
OO
und Farben, bestimmt.
.Wurde schon die künstlerische 
Arbeit, 
OO
die einmal zur Bildgestaltung führen sollte, 
OO
als besonders geheiligt empfunden, so stand 
OO
das Bildwerk selbst, lange bevor ich ein 
OO
solches schaffen konnte, erst recht als etwas 
OO
Heiliges, ja fast als ein Wunder, vor meiner 
OO
Seele.
.Man mag diese Betrachtungsweise als 
OO
„primitiv” bezeichnen, aber sie war von 
OO
meinen ersten Elementarstudien an die 
OO
meine, und ist es bis heute geblieben.
.Niemals wäre es mir in den Sinn gekom‐ 
OO
men, daß ich wie meine Mitstudierenden, 
OO
aus den schon genannten Motiven her 
OO
malen könnte, ‒ am wenigsten aber: das 
OO
Malenkönnen als Mittel zu betrachten um 
OO
dem 
Ausdrucksbedürfen der Seele zu 
OO
dienen.
 
.Dazu schien mir schon von der Schul‐ 
OO
bank her 
das Wort und allenfalls 
der 
OO
Reim gegeben, denn 
musikalische Aus‐ 
OO
drucksmöglichkeit bestand nur in allzu‐ 
OO
geringer Form, als daß ich ihr mich hätte 
OO
anvertrauen mögen, wenn auch die 
Sehn‐ 
OO
sucht nach musikalischem Ausdruck mich 
OO
zu den wunderlichsten Torheiten trieb, da 
OO
sich ein Nachholen musikalischer Lehre aus 
OO
verschiedenen Gründen als unmöglich er‐ 
OO
wies.
.Resultat meines Malenlernens aber konn‐ 
OO
te meinem Empfinden nach nur 
das Bild 
OO
als Gegenstand seiner selbst sein 
OO
und das Malen faßte ich immer nur auf 
OO
als 
Dienst am Bilde, weshalb ich denn 
OO
auch weit mehr von mir Gemaltes wieder 
OO
zerstörte als ich bestehen ließ, weil ich 
OO
nur gelten lassen konnte, was vor meinen 
OO
Augen als 
in sich beruhendes „
Bild” 
OO
bestand.
 
(Was dennoch 
außerdem erhalten blieb, 
OO
dankt seine Erhaltung 
nicht meinem 
OO
Wunsch und Willen.)
.So kommt es, daß die Anzahl der Bilder 
OO
die von mir in der Welt sind, recht beschei‐ 
OO
den ist, wenn man sie als Zeugnis bis jetzt 
OO
etwa dreier Jahrzehnte hingebendster künst‐ 
OO
lerischer Tätigkeit betrachtet.
.Als wahrer Fanatiker des 
Bildes: ‒ der 
OO
in sich abgerundeten, in sich beschlossenen 
OO
Schöpfung, ließ und lasse ich auch meine 
OO
Vorstudien niemals bestehen, weil mich 
OO
alles dergleichen dem Bilde gegenüber stört, 
OO
das nach seiner Vollendung in seinem 
eige‐ 
OO
nen Leben 
allein beruhen soll.
.Gewiß gab es neben dieser 
Grundströ‐ 
OO
mung in mir auch gelegentliche 
Zuflüsse:
‒ Einflüsse von außenher, mit denen ich 
OO
fertig werden mußte, so, wie ich mich auch 
OO
zeitweilig darin versuchte, mancherlei mehr 
OO
dichterischen Stimmungen in Folgen von 
OO
 
Schwarz-Weiß-
Zeichnungen Formung zu 
OO
geben.
.Aber derartiges war immer in kürzester 
OO
Zeit wieder überwunden und in mir aus‐ 
OO
gemerzt, auch wenn es mir verhältnismäßig 
OO
mehr Anerkennung und Aufmunterung ge‐ 
OO
bracht hatte als mein mir wesenseigenes 
OO
Streben zum völlig in sich ruhenden, 
nur 
OO
in den seelischen Werten seiner Formen und 
OO
Farben beschlossenen „
Bilde”.
.Mehr als alles andere, was sonst einem 
OO
jungen Maler zu schaffen machen mag, gab 
OO
mir die schon frühzeitig erlangte Einsicht 
OO
innere Beschäftigung, daß auch in der Ma‐ 
OO
lerei, sogut wie in der Musik, eine 
mathe‐ 
OO
matische Gesetzmäßigkeit herrsche, die 
OO
man in sich erfaßt haben müsse, wenn man 
OO
in meinem Sinne zum „Bilde” kommen 
OO
wolle, als einer wirklich in sich vollendeten, 
OO
nicht mehr über den Bildrahmen hinausver‐ 
OO
langenden, 
augenfaßlichen Symphonie.
 
.Bestätigung und Bekräftigung dieser Ein‐ 
OO
sicht fand ich zuerst bei 
Hans Thoma, 
OO
dem ich durch einen eigenen älteren Ver‐ 
OO
wandten, der mit dem damals erst kurz vor‐ 
OO
her zu breiterer öffentlicher Anerkennung 
OO
gelangten Maler bekannt geworden war, ‒ 
OO
ganz gegen meinen Willen ‒ zugeführt 
OO
wurde.
.Ich hatte große Scheu vor der Begegnung 
OO
mit dem dazumal von dem Kunsthistoriker 
OO
Henry Thode gerade so hochgepriesenen 
OO
Manne, aber Thoma interessierte sich wider 
OO
Erwarten sogleich außerordentlich für meine 
OO
ersten landschaftlichen Bildversuche und 
OO
gab mir dann ohne irgendwelches Entgelt 
OO
etwa anderthalb Jahre lang überaus instruk‐ 
OO
tiven Unterricht, bei dem er den Hauptwert 
OO
darauf legte, daß ich, an Hand seiner eige‐ 
OO
nen Studienmappen, lernen solle, für alles 
OO
die möglichst 
einfachste Darstellungsart 
OO
zu finden.
.Heute noch denke ich voll Dankbarkeit 
OO
an jedes Wort zurück, das er mir damals 
OO
 
sagte, und wenn auch die anfängliche enge 
OO
Anlehnung an die ureigenste Darstellungs‐ 
OO
art des großen Malerpoeten bald wieder von 
OO
mir aufgegeben worden war, so wirkt doch 
OO
seine prachtvoll eindrückliche Unterweisung 
OO
bis auf den heutigen Tag lebendig und an‐ 
OO
regend in mir fort.
.Von dem, was ich für mich: „
die Ma‐ 
OO
thematik der Raumverteilung und 
OO
der Farbenwerte” nannte, wußte Hans 
OO
Thoma offenbar mehr, als er zugeben mochte, 
OO
denn er sah nicht gerne das innere Leben 
OO
eines Kunstwerks allzugenau erforscht, weil 
OO
das Bewußtwerden der Schaffenskomponen‐ 
OO
ten seinen eigenen ‒ von ihm selbst schon 
OO
dazumal mir gegenüber als Drang zum 
OO
schöpferischen „
Spiel” definierten ‒ künst‐ 
OO
lerischen Darstellungstrieb irritierte.
.In den Äußerungen 
Böcklins, ‒ wie 
OO
sie nach seinem Tode durch seine Freunde 
OO
und Schüler überliefert wurden, fand ich 
OO
nachmals vieles auf sehr ähnliche Art er‐ 
OO
 
klärt und aufgelichtet, wie es mir Thoma, 
OO
trotz seiner mangelnden Neigung, die be‐ 
OO
stimmenden Faktoren der Bildwirkung frei‐ 
OO
gelegt zu sehen, ehedem ratend und war‐ 
OO
nend, aus seiner eigenen Erfahrung heraus, 
OO
an manchem Beispiel aufgezeigt hatte.
.Jene Maler und Kunstkritiker seiner 
OO
Zeit, die Hans Thoma den kritisch sichten‐ 
OO
den „
Kunstverstand” absprechen woll‐ 
OO
ten, waren 
sehr im Irrtum, und ahnten 
OO
nichts von der bescheiden verborgengehal‐ 
OO
tenen 
weltweiten Bildung dieses Künst‐ 
OO
lermenschen!
.Frühzeitig schon durch den von mir mit 
OO
Ehrfurcht und Liebe bewunderten großen 
OO
Meister in meiner Neigung bestätigt, 
die 
OO
Landschaft zum Gegenstand meines 
OO
Kunstschaffens zu wählen, ging ich bewußt, 
OO
und nur höchst selten durch ein anderes 
OO
Verlangen gestört, meinen Weg zur Bild‐ 
OO
 
gestaltung auf Grund der seelischen Ein‐ 
OO
drücke, die ich 
in der Natur empfing.
.Wie ich ehedem in dem normalen Stu‐ 
OO
diengang, den Kunstschule und Akademie 
OO
vorschrieben, viele Hunderte von Akten, 
OO
Modellköpfen, Gewandstudien und Kom‐ 
OO
positionsentwürfen im Laufe der Lehrjahre 
OO
gemalt oder gezeichnet hatte, so folgten 
OO
jetzt die intensivsten Studien aller 
land‐ 
OO
schaftlichen Elemente und zwar keines‐ 
OO
wegs nur im Sinne impressionistischer Auf‐ 
OO
fassung, sondern allermeist so, daß diese 
OO
Studien gut auch als geognostische und 
OO
botanische Darstellungen hätten gelten 
OO
können.
.Auf solche ‒ fast allzupedantisch gründ‐ 
OO
liche ‒ Weise vorbereitet, kam ich zu mei‐ 
OO
nen ersten, von mir auch heute noch künst‐ 
OO
lerisch anerkannten „
Bildern”.
.Sowohl dem gegenständlich Dargestell‐ 
OO
ten, wie der Ausführung nach, erstrebte ich 
OO
die äußerste 
Einfachheit.
 
.Vorn ein paar Geländeüberschneidungen, 
OO
ein paar dunkle, kegelförmige Tannengrup‐ 
OO
pen oder Tannen- und Kiefern-Stämme, ‒ 
OO
seltener auch Laubgehölz, ‒ dahinter be‐ 
OO
waldete Kuppen und in der Tiefe die Linien 
OO
ferner Berge über denen zarte oder hochge‐ 
OO
ballte Wolken sich zeigten: das war gewöhn‐ 
OO
lich 
alles auf dem Bilde 
Dargestellte.
.Fast immer waren es Stimmungen der 
OO
Morgenfrühe, oder des späten Nachmittags, 
OO
der Abendruhe und Dämmerung oder der 
OO
lichten Nacht.
.Auch einige Mondscheinbilder stammen 
OO
aus dieser Zeit.
.Das ganze Bild pflegte ich in sonoren, 
OO
satten Tönen zu halten, doch auch in seinen 
OO
dunkelsten Partien von innen heraus durch‐ 
OO
leuchtet.
.Die Malweise war breit und flächig, aber 
OO
so, daß jeder Pinselstrich aufgelöst wurde 
OO
 
in den opaleszierenden oder tiefdunkel in 
OO
sich belebten Farbenmassen, die nur höchst 
OO
selten einmal mehr pastos aufgetragen wur‐ 
OO
den.
.Die strengste Aufgabe die ich mir damals 
OO
stellte, war: daß man dem vollendeten Bilde 
OO
nicht mehr ansehen dürfe, wie es entstanden 
OO
sei. Für den sogenannten künstlerischen 
OO
„Schmiß” und jegliche Pinselbravour war 
OO
natürlich bei solchem Bestreben kein Platz, 
OO
hingegen aber gab es auch auf dem ganzen 
OO
Bilde keinen Quadratzentimeter in dessen 
OO
Fläche die Farbe nicht zum „
Klingen” 
OO
gekommen wäre.
.Mein Bild: „Abend im Spessart”, das der 
OO
in London lebende Japaner Urushibara, in 
OO
die Technik des altjapanischen Farbenholz‐ 
OO
schnittes übersetzt, auf seine Art wieder‐ 
OO
gegeben hat, und das unstreitig bis jetzt 
OO
auch 
die getreueste seiner Wiedergaben 
OO
meiner Bilder* blieb, gehörte zu der Reihe 
OO
* Sämtlich bei W. J. Stacey, London. (Das genannte Blatt
vergriffen!) 
hier
 
 
dieser ersten Werke, die ich hier zu beschrei‐ 
OO
ben suche.
.(Mittlerweile sind meinerseits zwei Varia‐ 
OO
tionen des gleichen Themas entstanden, bei 
OO
denen ich aber dem Aufbau des Bildes durch 
OO
die Flächen der Pinselstriche größere Rechte 
OO
eingeräumt habe.)
.Hier sei denn auch gleich einiges über 
OO
meine Stellung zur 
Malweise eines Bildes 
OO
gesagt.
.Bestimmend blieb mir in dieser Hinsicht 
OO
bis auf den heutigen Tag die durch Hans 
OO
Thoma seinerzeit erhaltene künstlerische 
OO
Erziehung zur möglichsten 
Einfachheit 
OO
der Darstellungsmittel, aber ich habe 
OO
mich 
nie auf eine 
bestimmte Malweise 
OO
festgelegt, sondern im Laufe der Jahre 
OO
die erstrebte äußerste Einfachheit 
auf sehr 
OO
verschiedene Weise zu erreichen gesucht, 
OO
 
und dabei auch einmal den gelegentlichen 
OO
Rat eines zu virtuoserer Kunstauffassung 
OO
geborenen, befreundeten Ateliernachbars 
OO
dankbar begrüßt, als ich, ‒ damals durch 
OO
Segantini stark beeindruckt, ‒ Schnee‐ 
OO
landschaften, die mich lange Zeit in Bann 
OO
hielten, statt in meiner flächigen Art, in 
OO
einer äußerst mühseligen schraffierenden 
OO
Aufteilung der Fläche zu bewältigen 
OO
suchte, deren Nachteile er mir durch eine 
OO
verkleinerte rasche Wiedergabe meines Bil‐ 
OO
des in einer breiten flächigen Manier, auf 
OO
einem Malkarton sehr augenfällig zu bewei‐ 
OO
sen wußte, und mich so wieder auf meinen 
OO
eigenen Weg brachte.
.Als ich aber dann in Südschweden Meer‐ 
OO
und 
Felsklippen-Landschaften in den 
OO
zerklüfteten Buchten der Halbinsel Kullen 
OO
malte, war ich, durch die Struktur des zer‐ 
OO
rissenen Gesteins veranlaßt, zu einer mir 
OO
scheinbar ganz fernliegenden lebhaft be‐ 
OO
wegten 
zeichnerischen Traktierung der 
OO
Farbe gekommen, um dann vor den Ruinen 
OO
 
der Antike in 
Griechenland mir wieder 
OO
eine zu 
diesen und den dortigen groß‐ 
OO
linigen kahlen Bergwänden besser geeignet 
OO
erscheinende Malweise die 
den breiten 
OO
Pinselstrich als Aufbauelement gelten 
OO
ließ, zu schaffen.
.So habe ich mich immer in meiner Mal‐ 
OO
weise dem gegebenen Darstellungsproblem 
OO
angepaßt, und es ist daher ganz unvermeid‐ 
OO
lich, daß eine Datierung meiner Bilder auf 
OO
Grund der in ihnen zutagetretenden manuel‐ 
OO
len Behandlung der Farbe, zu irrigen Schlüs‐ 
OO
sen führen müßte.
.Auch heute noch wahre ich mir durch‐ 
OO
aus die Freiheit, mir für jedes neu ent‐ 
OO
stehende Bild die Malweise 
neu zu be‐ 
OO
stimmen, denn es handelte sich ja bei den 
OO
verschiedenen Darstellungsweisen, die ich 
OO
jeweils pflegte, nicht um aufeinanderfol‐ 
OO
gende Stufen einer technischen Entwick‐ 
OO
lungs-Skala, sondern immer um einen be‐ 
OO
 
wußten, 
freien Entschluß zur Anwen‐ 
OO
dung einer anderen Arbeitsweise.
.In 
jeder Art der Darstellung, die ich je‐ 
OO
mals wählte um ein Bild zu gestalten, wird 
OO
man aber die mir eigene 
ornamentale Auf‐ 
OO
fassung der Natur gewahren, und selbst die 
OO
Formung des Gegenständlichen durch zahl‐ 
OO
lose Linien- und Farbenfäden, wie ich sie vor 
OO
den rissigen Felsklippen von Kullen zur An‐ 
OO
wendung brachte, durfte keineswegs das Or‐ 
OO
namentale in meiner Auffassungsart unter‐ 
OO
drücken.
.Ich muß hierbei darauf aufmerksam ma‐ 
OO
chen, daß mir 
das freie Ornament, schon 
OO
von sehr jungen Künstlerjahren an, als die 
OO
höchste, weil reinste Form künstlerischer 
OO
Darstellung 
in der Fläche gilt, und daß 
OO
mir das 
Auflösen der Fläche, soweit es 
OO
über die Darstellung eines innerhalb des 
OO
Bildrahmens klar gegliederten Raumes hin‐ 
OO
aus, 
unbestimmbaren Raum zu schaffen 
OO
sucht, als 
künstlerische Verirrung er‐ 
OO
 
scheint, auch wenn auf Grund dieser Ver‐ 
OO
irrung zahllose Werke der Malerei entstan‐ 
OO
den sind, deren Bewunderungswürdigkeit 
OO
gewiß nicht angezweifelt werden darf.
.Natürlich weiß ich, daß diese hohe Be‐ 
OO
wertung des „
Ornaments” in der Malerei 
OO
nicht nur bereits in den einzigen erhaltenen 
OO
altgriechischen Malereien, die ich im Mu‐ 
OO
seum von 
Volo in Thessalien studieren 
OO
durfte, erkennbar wird, und weit später 
OO
über 
Cimabue und 
Giotto bis zu 
Raffael 
OO
führt, sondern auch in vielen 
vorgriechi‐ 
OO
schen Kunstzeugnissen der Welt ‒ von 
OO
den asiatischen Kunstdenkmälern ganz ab‐ 
OO
gesehen ‒ zutagetritt, aber in allen Län‐ 
OO
dern der Erde ebenso auch 
heute zu finden 
OO
ist, wo immer Künstler leben, deren Empfin‐ 
OO
den das materialistisch primitive Kunst‐ 
OO
stück, die 
Fläche zur 
Raumillusion zu 
OO
mißbrauchen, nur schwer erträgt.
 
.Daß mir 
die Maltechnik an sich, 
OO
also das 
chemisch Technische, wie die 
OO
Präparierung der zu bemalenden Fläche, die 
OO
Bereitung der Farben, ihre Herkunft und 
OO
ihre Haltbarkeit in der Vereinigung mit den 
OO
verschiedenen Bindemitteln, jahrelangen 
OO
Studiums wert erschien, so daß es keine 
OO
Technik gibt, von der altägyptischen En‐ 
OO
kaustik über das Fresko bis zu den neueren 
OO
Malverfahren, die ich nicht experimentell 
OO
und zum Teil auch praktisch erprobt habe, 
OO
möchte ich nur nebenbei hier nicht ganz 
OO
unerwähnt lassen. Gründliche Studien der 
OO
Farbenchemie gaben diesen Arbeiten 
OO
sicheren Grund. Daneben war das intensive 
OO
Studium der 
Alten Meister und ihrer 
OO
Technik, ‒ unterstützt durch Kopien, bei 
OO
denen diese Technik jeweils Anwendung 
OO
fand, ‒ ein stets neuer Genuß.
.Die Galerien in München, Schleißheim, 
OO
Berlin, Dresden, Wien und Paris gaben da‐ 
OO
zu reichlich Gelegenheit, nachdem dieses 
OO
 
Studium schon in der Städel'schen Galerie 
OO
in Frankfurt begonnen worden war.
.Auch eine, sonst bei Malern kaum all‐ 
OO
tägliche Vertiefung in das Studium der 
OO
Architektur fiel in diese Zeit und hat mir 
OO
späterhin Vieles erschlossen.
.Zu gutem Ende folgte dann noch das 
OO
Erlebnis 
Italien, und danach, ‒ aller‐ 
OO
dings erst viel später, ‒ das bis ins 
OO
Tiefste erschütternde Erleben 
Griechen‐ 
OO
lands, ‒ sowohl landschaftlich, wie ar‐ 
OO
chäologisch.
.Alle dem gingen strenge 
kunstwissen‐ 
OO
schaftliche Studien parallel, deren Durch‐ 
OO
führungsmöglichkeit ich an den verschiede‐ 
OO
nen Orten immer wieder Gelehrten zu 
OO
danken hatte, die an meinen Interessen 
OO
lebendigen Anteil nahmen, und mir die 
OO
Hilfsmittel ihrer Institute ausgiebig zur 
OO
Verfügung stellten.
 
.Auch andere und mir scheinbar sehr 
OO
ferneliegende wissenschaftliche Bezirke sind 
OO
mir in gleicher Weise zugänglich gemacht 
OO
worden.
.Alles das hier Erwähnte gehört für mich 
OO
mit in dieses Kapitel: „
Warum ich malen 
OO
lernen mußte”, denn es bekundet die Stre‐ 
OO
bungen, die schon in mir bis zu gewissem 
OO
Grade lebendig waren, als ich, in immer 
OO
noch zeitigen Jünglingsjahren, endlich zu 
OO
der knappen Möglichkeit des Studiums ge‐ 
OO
langt, das 
Kunststudium wählte, obwohl 
OO
ich im schulmäßigen Zeichnen ehedem kei‐ 
OO
neswegs einer der Ersten war, und mich nun 
OO
auch viel leichter einem 
anderen, damals 
OO
näherliegenden Studiengebiet hätte zuwen‐ 
OO
den 
können.
.Das ganze unendlich reiche ‒ und vom 
OO
Elternhause her kaum wie eine ferne, wun‐ 
OO
dersame „terra incognita” erahnte ‒ 
Ge‐ 
OO
 
biet der bildenden Kunst war innerlich 
OO
„
gemeint”, als ich den ersten Schritt zum 
OO
Erlernen des Malens endlich wagen durfte 
OO
und wagte. Der Beruf als 
Maler erschien 
OO
mir nur als die praktisch geforderte Weihe, 
OO
um in dieses von mir als überaus hehr und 
OO
heilig geglaubte Reich Zutritt zu erlangen, 
OO
das ich heute, nachdem ich wahrlich in ihm 
OO
Heimrecht fand, ‒ auch trotz aller Profa‐ 
OO
nation, die mir nun einmal doch schlechter‐ 
OO
dings begegnen mußte, weil sie nur allzu‐ 
OO
reichlich vorhanden ist, ‒ keineswegs in 
OO
geringerem Grade als „
heilig” empfinde, 
OO
wie dazumal.
.Die 
wirkliche Würde und Erhabenheit 
OO
einer so hohen seelischen Auswirkungs‐ 
OO
fähigkeit des irdischen Menschen, wie sie 
OO
in der bildenden Kunst zutagetritt, ist ja 
OO
vom substantiellen ewigen Geiste 
OO
her bestimmt, und kann 
niemals ge‐ 
OO
mindert werden durch irgendwelche Mas‐ 
OO
sen Einzelner, die sich in der ihnen dar‐ 
OO
gebotenen und vom Geiste her vorbehalte‐ 
OO
 
nen seelischen Höhenlage 
nicht zu er‐ 
OO
halten wissen.
.Es handelt sich bei diesem Erhalten‐ 
OO
können im Seelischen 
nicht darum, daß 
OO
man sich auf Grund seiner besonderen Be‐ 
OO
gabung ‒ etwa als „Maler”, als „Plastiker” 
OO
‒ seelisch 
determiniere und 
verenge, 
OO
sondern darum, daß man sich, ganz 
ab‐ 
OO
gesehen von der spezifischen Begabungs‐ 
OO
art, als 
ungeteilter, 
ganzer Mensch, 
OO
in der seelischen Höhenlage zu erhalten 
OO
strebe, die jeder, seines anvertrauten Talen‐ 
OO
tes Würdige, in seinem innersten Innern als 
OO
die ihm 
allein wirklich gemäße Atmo‐ 
OO
sphäre empfindet.
.Der bohememäßige fatale Beiklang, den 
OO
die Berufsbezeichnung bildender Künstler 
OO
im Verlaufe der ersten Hälfte des letzten 
OO
Jahrhunderts allmählich erhielt, und der 
OO
jetzt noch vielfach als Unterton einer ver‐ 
OO
logenen Romantik mitschwingt, wenn von 
OO
„Malern und Bildhauern” etwa die Rede 
OO
 
ist, hat wirklich nichts mit diesen Berufs‐ 
OO
bezeichnungen zu schaffen, auch wenn er 
OO
zu manchem antiquierten „Talentierten”, 
OO
der sein Leben lang schlecht und recht in 
OO
ungeordneter Weise sein Talent 
verschleu‐ 
OO
dert hat, noch passen mag.
.Der bildende Künstler besitzt auch wahr‐ 
OO
lich durch sein berufsgefordertes selbstver‐ 
OO
ständliches 
Können keinerlei 
Ausnahme‐ 
OO
stellung gegenüber anderen menschlichen 
OO
Berufungen und Berufen, in denen ebenso 
OO
das 
ihnen gemäße Können und Wissen 
OO
selbstverständlich ist.
.Soll ich aber nun, nach so manchen 
OO
scheinbaren Abschweifungen auf die ich 
OO
nicht verzichten durfte, endlich den mir 
OO
heute 
bedeutsamsten Grund aufzeigen, 
OO
„warum ich malen lernen 
mußte”, so ist 
OO
hier vorauszuschicken, daß ich allerdings 
OO
gerade 
diesen Grund zu Beginn meines 
OO
 
Studiums gewiß auch nicht ahnungsweise 
OO
kennen konnte.
.Er wurde mir erst dann bewußt, als 
OO
schon seit langer Zeit die 
Resultate vor‐ 
OO
lagen, die ihm Bestätigung geworden waren. 
OO
.Nicht im Traum hätte ich damals, als 
OO
ich mich endlich dem Kunststudium zu‐ 
OO
wenden konnte, geglaubt, daß es auch mög‐ 
OO
lich sei, als Maler etwas wiederzugeben, was 
OO
durch das physische Auge unmöglich wahr‐ 
OO
zunehmen ist.
.Daß alle die Darstellungen wie sie die 
OO
alten Maler aus der christlichen heiligen 
OO
Geschichte wählten, nicht im Augenschein 
OO
erlebt worden waren, hatte hier 
nichts zu 
OO
besagen, da doch alles zur Darstellung 
OO
Nötige jederzeit als Studienobjekt zugäng‐ 
OO
lich war.
.Wie aber hätte ich mir vorstellen sollen, 
OO
daß es auch möglich sei, Dinge, die keine 
OO
 
irdischen Dinge sind, in Farben, die nur 
OO
selten an irdischen Dingen faßbar werden, 
OO
durch die Kunstmittel der Malerei wieder‐ 
OO
zugeben!?
.Ich hatte ja dergleichen noch nicht 
er‐ 
OO
lebt, obwohl mir Erlebnisse damals schon 
OO
lange fraglos waren, die man auch heute 
OO
noch als lediglich 
subjektiv begründet 
OO
glaubt, soweit man von ihnen hört, weil 
OO
auch reifste westliche Wissenschaft nichts 
OO
von den außerordentlichen Möglichkeiten 
OO
weiß, die unter bestimmten Voraussetzun‐ 
OO
gen im physischen „Natur”-Bereich dafür 
OO
geeigneten Menschen dargeboten sind.
.Erst als ich auch jenes, mir in jeder Weise 
OO
neuartige Erleben kennengelernt hatte, ‒ 
OO
das eine ganz neue Art des Er-hörens und 
OO
Er-blickens voraussetzte, ‒ konnte mir der 
OO
erste Gedanke kommen, ob das von mir 
OO
Erlebte nicht auch mit malerischen Mit‐ 
OO
teln für meine Mitmenschen darstellbar sei, 
OO
um ihnen dadurch, in einer für das physi‐ 
OO
 
sche Auge aufnehmbaren Übersetzung, 
OO
etwas von der erlebten Schönheit der in 
OO
aller Erscheinung wirkenden geistigen 
OO
Kräftewelten zu vermitteln.
.Eine bildhafte Vorstellung von diesen 
OO
Welten 
allerursprünglichster, 
ursäch‐ 
OO
licher Realität geben zu können, und durch 
OO
die ganz von selbst allmählich wahrnehm‐ 
OO
bar werdenden, primären geistigen Schwin‐ 
OO
gungen meiner Bilder dieser Art, die Seelen 
OO
ihrem eigenen Ursprung wieder näher zu 
OO
bringen, war mir von da an höchste Auf‐ 
OO
gabe für meine Kunst, der nun die erlebten 
OO
Formen der geistigen Kräftewelten genau 
OO
so 
Material der Bildgestaltung wur‐ 
OO
den, wie das vordem nur die Formen und 
OO
Farbenbeziehungen der irdisch physischen 
OO
Landschaft gewesen waren.
.Obwohl ich sehr lange Zeit hin die 
OO
äußerste Zurückhaltung geübt hatte, wenn 
OO
 
sich Gelegenheit bot, diese geistlichen Bil‐ 
OO
der 
zeigen zu können, veranlaßte mich 
OO
doch eines Tages die Möglichkeit, sie 
Max 
OO
Klinger vor Augen zu bringen, der seit ein 
OO
paar Jahren warmes Interesse an meiner 
OO
allgemeinen künstlerischen Entwicklung 
OO
nahm, zu einer Überwindung aller Scheu. 
OO
.Ich hatte es auch durchaus nicht zu be‐ 
OO
reuen, denn ich fand bei dem sonst mit Be‐ 
OO
wunderungsäußerungen eher recht kargen 
OO
Künstler eine 
begeisterte Bejahung die‐ 
OO
ser Bilder, obwohl er sich meiner Erklärung 
OO
des inneren Erlebens, dem sie allein ihr Da‐ 
OO
sein verdankten, keineswegs zugänglich 
OO
zeigte.
.Es sei ihm gleichgültig, „woher” diese 
OO
Bildmotive mir kämen, ‒ 
er sähe nur 
die 
OO
Bilder, und 
mich, der sie 
gemalt habe, ‒ 
OO
alles andere gehe ihn nichts an.
.Beim Abschied noch konnte er sich kaum 
OO
genugtun, mir einzuschärfen, ich möge mich 
OO
 
nur „
ja nicht dekouragieren lassen”, 
OO
und ich höre diese lebhaft betonten Worte 
OO
heute noch im Ohr, als wären sie gestern 
OO
gesprochen worden.
.Diese Mahnung bezog sich darauf, daß 
OO
er vorher mit aller Energie meine Abnei‐ 
OO
gung gegen ein öffentliches Ausstellen die‐ 
OO
ser Bilder bekämpft hatte.
.Seiner Meinung nach gehörten sie 
OO
„
schleunigst” in die Öffentlichkeit, da 
OO
ich mich hier ‒ wie er sich ausdrückte ‒ 
OO
nun wirklich „
gefunden” hätte, ‒ und 
OO
so sollten sie, unter Berufung auf ihn, an 
OO
seriöser Stelle gezeigt werden.
.Ich habe aber 
keinen der mir angerate‐ 
OO
nen Schritte getan, da meine Gegengründe 
OO
doch stärker waren. Er hätte mir das nie 
OO
verziehen, wäre er nicht zur Überzeugung 
OO
gelangt, daß ich hier gegen die Kraft eines 
OO
inneren Widerstandes nicht aufkommen 
OO
könne.
 
.Wie ich Klinger gesagt hatte, verspürte 
OO
ich zu jener Zeit, als es noch keinen Expres‐ 
OO
sionismus, Surrealismus und dergleichen 
OO
gab, recht wenig Lust, auf der einen Seite 
OO
womöglich das Interesse der Neurologen zu 
OO
erregen, auf der anderen aber Formen und 
OO
Farben, die für mich mit höchsten geistigen 
OO
Erlebnissen unlösbar verbunden waren, 
OO
fabrikmäßig vulgärer „kunstgewerblicher” 
OO
Ausbeutung preisgegeben zu sehen.
.Daß ich mindestens mit der letzten Be‐ 
OO
fürchtung im Recht war, konnte ich später, 
OO
nach dem Erscheinen der ersten Reproduk‐ 
OO
tionen meiner geistlichen Bilder, an Theater‐ 
OO
dekorationen und ‒ lächerlicher noch ‒ 
OO
an „modernen” farbigen Textilwaren fest‐ 
OO
stellen, wo in beiden Fällen die nichts‐ 
OO
ahnenden Nacherfinder in aller Seelenruhe 
OO
Formen dieser Bilder 
zusammen verwen‐ 
OO
det hatten, die den ärgsten 
Nonsens in 
OO
solcher Kombination ergaben... Es ging 
OO
den Herren wie jenem Delikatessenhändler, 
OO
der sein Schaufenster mit Teepaketen deko‐ 
OO
 
rierte und recht geschickt dabei auch einen 
OO
mit chinesischer Schrift gezierten Kisten‐ 
OO
deckel als Beweis des Imports mit zu ver‐ 
OO
wenden wußte, bis ein des Chinesischen 
OO
kundiger Gelehrter ihn auf die Seltsamkeit 
OO
solcher Reklame aufmerksam machte, denn 
OO
ein Boshafter oder ein Witzbold hatte in 
OO
China, in den dekorativen Charakteren der 
OO
chinesischen Schrift, auf die Kiste geschrie‐ 
OO
ben: „Dreimal überbrühter Tee für die 
OO
westlichen Teufel”.
.Wenn ich nun aber auch dem so wohl‐ 
OO
meinenden Ratschlag Max Klingers in mir 
OO
zu viel Hemmungen entgegenstehen fand, 
OO
als daß ich ihn vor mir selbst hätte befolgen 
OO
dürfen, so war begreiflicherweise die freu‐ 
OO
dige Zustimmung des sonst so vornehm ver‐ 
OO
haltenen Künstlers doch ein großes Ge‐ 
OO
schenk für mich geworden.
.Klinger war allerdings nicht nur bilden‐ 
OO
der Künstler, sondern auch ein eminent 
OO
 
musikalischer Mensch, dem möglicher‐ 
OO
weise manche Formen- und Farbenbezie‐ 
OO
hungen auf meinen Bildern Empfindungen 
OO
ausgelöst hatten, die er sonst nur durch das 
OO
Medium der 
Musik zu empfangen gewohnt 
OO
war, und ich durfte gewiß nicht von 
seiner 
OO
spontanen Begeisterung für diese Bilder 
OO
auch auf die Empfindungsfähigkeit 
ande‐ 
OO
rer Menschen schließen. Aber zum minde‐ 
OO
sten mußte ich doch seinem unendlich dif‐ 
OO
ferenziert abwägenden künstlerischen Urteil 
OO
vertrauen, wenn das, was er nunmehr von 
OO
mir gesehen hatte, solche 
unbedingte An‐ 
OO
erkennung bei ihm fand.
.Wenn vorher noch irgend ein Schatten 
OO
eines Zweifels in mir war, „
warum ich 
OO
malen lernen mußte”, so konnte er jetzt 
OO
gewiß nicht mehr in mir aufkommen, auch 
OO
wenn für Klinger nur 
das Kunstwerk, so 
OO
wie es vor ihm stand, in Betracht kam, ganz 
OO
abgesehen von der mir im Geistigen auf‐ 
OO
geschlossenen Farben- und Formenempfin‐ 
OO
 
dungswelt, aus der es tatsächlich seine Be‐ 
OO
fruchtung empfing.
.Ich habe mich gewiß auch weiterhin 
OO
nicht veranlaßt gesehen, etwa keine Bilder 
OO
aus 
landschaftlichen Motiven mehr zu 
OO
malen, wie Klinger mir ernsthaft angeraten 
OO
hatte, und die ganze Reihe von Bildern aus 
OO
Griechenland ist erst lange 
nach der Er‐ 
OO
kenntnis entstanden, daß ich in 
erster 
OO
Linie 
darum zum Malen gekommen war, 
OO
um meine 
geistlichen Bilder schaffen zu 
OO
können, ‒ wohl aber wußte ich fortan 
OO
immer zu unterscheiden zwischen dem, was 
OO
auch 
Andere konnten, und dem, was mir 
OO
infolge einer ganz singulären Bewußtseins‐ 
OO
entfaltung 
nur allein darzustellen 
mög‐ 
OO
lich war.
.Heute aber weiß ich 
mit aller Be‐ 
OO
stimmtheit, daß ich seinerzeit, ohne es 
OO
zu ahnen, 
nur um der später ermög‐ 
OO
lichten Entstehung dieser geistli‐ 
OO
 
chen Bilder willen, der 
Malerei zuge‐ 
OO
führt worden war, deren praktisches Stu‐ 
OO
dium mir damals weit weniger nahe lag und 
OO
weit geringere Förderung finden konnte, als 
OO
etwa das von mir lange Zeit hin 
vorher er‐ 
OO
sehnte Studium der 
Theologie, vor dem 
OO
mich seltsamerweise von außenher der Wille 
OO
meines streng religiösen irdischen 
Vaters, 
OO
‒ von innenher aber meine 
geistige Füh‐ 
OO
rung fernezuhalten wußte.
.Ich mußte malen lernen, damit von die‐ 
OO
ser meiner Zeit an die Realität der sub‐ 
OO
stantiellen geistigen Welt durch 
augen‐ 
OO
faßliche Gestaltungen 
vorstellbar wer‐ 
OO
den konnte, auch wenn erst ein viel später 
OO
kommendes Geschlecht diese Möglichkeit 
OO
werten können wird.
.Ich mußte 
malen lernen, um ein Zeuge 
OO
substantiellen geistigen Lebens zu 
OO
werden...
 
.Die Bildwerke von denen hier nun zu 
OO
sprechen ist, sind bisher vielfach, ‒ in der 
OO
Verlegenheit, ein Rubrum dafür zu finden, 
OO
‒ als „mystische” Bilder bezeichnet wor‐ 
OO
den, und ich vermochte es ehedem um so 
OO
weniger, mich über diese Scheindeklaration 
OO
zu ereifern, da ich ja selbst damals keine 
OO
Bezeichnung zu finden wußte, die ich als 
OO
unbestreitbar richtig empfunden hätte.
.Endlich aber sehe ich mich doch dazu 
OO
verpflichtet, hier ein für allemal auszuspre‐ 
OO
chen, daß 
nicht ein einziges dieser als 
OO
„mystisch” bezeichneten Bilder auch nur 
OO
das Geringste mit „
Mystik”, oder zu Recht 
OO
als „
mystisch” bezeichnetem „
Schauen” 
OO
zu tun hat, und daß sämtliche, ohne Aus‐ 
OO
nahme, auf die durchaus normale Weise 
OO
 
entstanden sind, in der jedes wirkliche 
OO
Kunstwerk entsteht, also auf Grund ehrlich 
OO
erworbenen handwerklichen Könnens, nach 
OO
zahllosen Vorstudien und Versuchen, und 
OO
in hartem künstlerischen Ringen.
.Es handelt sich bei diesen aus linearen 
OO
Gliederungen erwachsenden dynamischen 
OO
Farbenkompositionen vielmehr um etwas 
OO
Ähnliches, wie etwa um künstlerische Ge‐ 
OO
staltungen nach jenen Formen und Farben, 
OO
die ‒ vergleichsweise gesagt ‒ bei leben‐ 
OO
den Präparaten zuweilen unter dem Mikro‐ 
OO
skop sichtbar werden, oder, vielleicht noch 
OO
richtiger: ‒ um Darstellungen von Form‐ 
OO
und Farbgebilden, die ihrer dynamischen 
OO
Art nach den „
Chladni'
schen Klang‐ 
OO
figuren”, ‒ wenn auch auf ganz unermeß‐ 
OO
lich höherer Ebene entstanden, ‒ ver‐ 
OO
glichen werden könnten.
.So bestechend dieser Vergleich aber auch 
OO
für mich selber ist, wenn es sich darum han‐ 
OO
delt, verstehbar zu machen, wie ich zu die‐ 
OO
 
sen, der Außenwelt sichtlich so fremden 
OO
Lineargebilden und Farbengestaltungen 
OO
komme, bei deren Formung mir nichts fer‐ 
OO
ner liegt als etwa künstlerhafte Neuerungs‐ 
OO
sucht oder irgend eine Art Mystizismus, ‒ 
OO
so muß ich doch hier, um Irrtümern jeden 
OO
Boden zu entziehen, deutlichst aussprechen, 
OO
daß es sich in keiner Weise etwa um die 
OO
künstlerische Auswertung 
physikali‐ 
OO
scher, wenn auch noch so verborgener, ‒ 
OO
also „okkulter” ‒ Vorgänge handelt, son‐ 
OO
dern um Darstellung ewigen 
substantiell 
OO
geistigen Geschehens.
.Ich möchte aus eigener Erfahrungs‐ 
OO
bestätigung fast mit Sicherheit annehmen, 
OO
daß unter den Musikern: 
Johann Seba‐ 
OO
stian Bach innerlich das 
gleiche geistige 
OO
Erleben irgendwie in sich erfahren haben 
OO
müsse, so daß er 
in Tönen darzustellen 
OO
suchte, was ich 
der Farbe nach wieder‐ 
OO
zugeben strebe. Daß 
Goethe ähnliches Er‐ 
OO
leben kannte, steht für mich außer aller 
OO
Frage.
 
.Von allen 
Bezeichnungen, die man 
OO
dieser meiner durchaus in rein 
geistigem 
OO
Erleben gegründeten und nur von daher 
OO
befruchteten künstlerischen Produktion 
OO
etwa geben könnte, scheint mir die Benen‐ 
OO
nung als „
geistliche” Bilder am wenig‐ 
OO
sten irreführend zu sein.
.Die Bezeichnung als „geistige” Bilder 
OO
würde keineswegs das Gleiche besagen, da 
OO
es ihr nach ja auch möglich wäre, anzuneh‐ 
OO
men, die Bilder seien unter irgend einem, 
OO
von mir nur 
als „
geistig” 
empfundenen 
OO
Einfluß erzeugt, oder gar auf andere, als 
OO
die in aller Kunstgestaltung übliche Weise 
OO
der Darstellung entstanden.
.Auch könnte angenommen werden, daß 
OO
ich subjektiven Vorgängen in meinem Geiste 
OO
eine symbolisierende Darstellung schaffen 
OO
wolle.
.Ich stelle aber auf diesen Bildtafeln nichts 
OO
anderes dar, als was ich infolge meiner sub‐ 
OO
stantiell geistigen Bewußtseinsentfaltung in 
OO
 
nur 
innerlich zugänglichen, alle Erschei‐ 
OO
nungswelt 
durchdringenden Regionen be‐ 
OO
wußt empfindend 
erlebe ‒ und meiner Eig‐ 
OO
nung nach, in erster Linie seinen 
farbigen 
OO
Ausdruckswerten entsprechend aufnehme. 
OO
.Ich fühle mich bei dieser Darstellung 
OO
durchaus als „Realist”, denn ich suche das 
OO
fast Undarstellbare dem Beschauer auf eine 
OO
Weise nahezubringen, die ihm meine eige‐ 
OO
nen, geistig erlebten Eindrücke so getreu 
OO
wie nur irgend möglich vermitteln.
.Gewiß soll das nicht etwa heißen, daß 
OO
ich das von innen her Wahrgenommene ein‐ 
OO
fach „abmale”!
.Das ginge schon insoferne nicht, als die 
OO
Formen- und Farbgebilde, die ich darzu‐ 
OO
stellen habe, in immerwährender lebendiger 
OO
Bewegung sind.
.Außerdem aber kennen die Regionen aus 
OO
denen die 
Vorbilder der Gebilde meiner 
OO
geistlichen Gemälde stammen, nicht nur un‐ 
OO
 
sere äußerlich-irdisch allenthalben gültigen 
OO
drei Dimensionen, sondern eine solche 
Viel‐ 
OO
zahl der Dimensionierung, daß ein irdisches 
OO
Auge nur Verwirrung erfahren würde, wollte 
OO
es diese 
vieldimensionalen Welten auf 
OO
seine gewohnte Art zu verstehen versuchen. 
OO
.Es ist für mich immer eine zuerst fast 
OO
unlösbar erscheinende Aufgabe, ein solches 
OO
geistiges Geschehen darzustellen, weil zu‐ 
OO
meist ganz ausgeschlossen erscheint, daß 
OO
man für die vieldimensionalen Formen und 
OO
Vorgänge eine Möglichkeit der Projektion 
OO
in die Malfläche zu finden wisse, die noch 
OO
irgendwie zulassen könnte, daß der viel‐ 
OO
dimensional eingebettete 
Vorgang, oder 
OO
die vieldimensional bestimmte 
Form von 
OO
dem an Dreidimensionalität gewöhnten, und 
OO
nur für sie eingerichteten physischen, kör‐ 
OO
pergemäßen Auge des irdischen Menschen 
OO
optisch „verstanden” werde.
.Ich muß daher in 
vielen und überaus 
OO
mühereichen Versuchen erst festzustellen 
OO
 
suchen, welche zweidimensionale Form bei 
OO
entsprechender Farbendynamik die gleiche 
OO
Empfindung im  
Unbewußten hervor‐ 
OO
zubringen geeignet ist, die in mir in 
bewuß‐ 
OO
ter Weise ausgelöst wurde durch die viel‐ 
OO
dimensional sich auswirkenden geistigen 
OO
Kräfte, deren Wirken ich darzustellen 
OO
trachte.
.Das ist keineswegs einfach, und kann 
OO
viele Monate, oder auch Jahre währen!
.Nur 
äußerst selten wird es mir möglich, 
OO
auch allenfalls 
ohne solche Studien zum 
OO
Ziele zu kommen, aber dann nur auf Grund 
OO
vieler, die bereits 
früher entstanden waren. 
OO
.Erst wenn alle Vorstudien dieser Art 
OO
beendet sind, kann ich zur 
Komposition 
OO
des „Bildes” in meinem Sinne gelangen, des‐ 
OO
sen 
geistlicher „Inhalt” seit langer Zeit 
OO
schon Ausdruck durch die Mittel des Malers 
OO
finden will.
 
.Ich bin auch dann keineswegs in gleicher 
OO
Weise frei, wie als Maler der irdischen Dinge, 
OO
denn alle Projektion vieldimensionaler For‐ 
OO
men will immerfort 
erkämpft sein, bevor 
OO
sie der Fläche einer Leinwand sich ergibt.
.Unter Tausenden der Betrachter meiner 
OO
geistlichen Bilder werden nur recht wenige 
OO
sein, die sich ahnend eine Vorstellung davon 
OO
zu bilden vermögen, welche Qual und Pein, 
OO
welches Ringen und Bangen, welche Be‐ 
OO
glückung und Enttäuschung, welche Siche‐ 
OO
rung und urplötzliche Preisgabe als 
Ein‐ 
OO
satz verlangt werden, bei dem hohen Spiel, 
OO
dessen Gewinn endlich ein solches Bild dar‐ 
OO
stellt. ‒
.Es handelt sich ja nicht um die Wieder‐ 
OO
gabe von „Schauungen” und „Gesichten”, 
OO
sondern um Darstellung eines 
Geschehens, 
OO
in dem man 
mitteninne steht, und das 
OO
keineswegs nur in einer dem Sehen durch 
OO
das körperhafte Auge analogen Weise auf‐ 
OO
 
genommen, sondern im substantiell-geisti‐ 
OO
gen Organismus nach 
aller Empfindungs‐ 
OO
weise hin 
erlebt wird.
.In meinem Buche „
Welten”,* das der 
OO
Aufnahme 
dieses Buches unbedingt 
fol‐ 
OO
gen sollte, sind ausführlichste Hinweise auf 
OO
diese Erlebensform gegeben.
.Sie läßt sich allerdings nur bis zu be‐ 
OO
stimmten Grenzen durch das Wort der 
OO
Sprache beschreiben.
.Man wird vor allem zu verstehen suchen 
OO
müssen, daß alle diese Formen, die auf den 
OO
Bildern in lebendiger 
Farben-Dynamik 
OO
dargestellt sind, in Wirklichkeit gleichzeitig 
OO
tönen, und daß 
Linienform, 
Farbe und 
OO
Ton nur die 
Ausdruckswerte substan‐ 
OO
tiell-geistig 
erlebbarer innerer 
Spannun‐ 
OO
gen, 
Strebungen, 
Drohungen, 
Wider‐ 
OO
 
     * In „Welten” habe ich noch die Worte: „Schauungen” 00
und „Gesichte” unbedenklich in einem allgemeinen, nicht streng 00
exakten Sinn angewandt. Ich bitte den Leser, diese Worte aber 00
als durchaus das Gleiche meinend, wie „Erlebnisse” und 00
„Bilder” auffassen zu wollen.
stände, und schließlich: ‒ 
Erlösungen 
OO
sind, aus seelisch oft kaum noch ertrag‐ 
OO
barem Miterlebenmüssen der Urformen 
OO
allen Geschehens.
.Ganz abwegig bleibt jeder Versuch, das 
OO
Dargestellte verstandesmäßig 
ausdeuteln 
OO
zu wollen, also z. B. anzunehmen, irgend 
OO
eine Form 
bedeute irgend etwas, und das 
OO
Bildganze sei zu „erklären”, wenn man nur 
OO
die „Bedeutung” aller darin enthaltenen 
OO
Formen und Farben kenne.
.„Erklären” läßt sich nur etwas, das 
OO
noch nicht klar, oder aber 
verdunkelt, 
OO
also unklar 
geworden ist.
.Das aber, was auf diesen, meinen geist‐ 
OO
lichen Bildern zur Darstellung gelangt, ist 
OO
an sich 
ursprüngliche Klarheit, denn es 
OO
ist 
die Matrix aller Erscheinung: ‒ das 
OO
Urgeschehen, wie es als 
Ursache jeg‐ 
OO
lichen Geschehens in 
allen kosmischen Be‐ 
OO
reichen, sich von Ewigkeit zu Ewigkeit er‐ 
OO
eignet.
 
.Dieses Urgeschehen ist ein durchaus 
OO
konkreter, in geistiger 
Ursubstanz sich 
OO
vollziehender, ununterbrochener und un‐ 
OO
unterbrechbarer Vorgang.
.Um von der 
Struktur geistiger Ursub‐ 
OO
stanz eine Vorstellung zu geben, kann ich 
OO
nur den Vergleich mit einer unendlich‐ 
OO
fältigen Schichtung hauchdünner 
Mem‐ 
OO
branen oder 
Lamellen gebrauchen. Ich 
OO
werde immer wieder an die kaum faßlich 
OO
feinen, nur mit Hilfe eines subtilen Appa‐ 
OO
rats erzielbaren, durchscheinenden Schnitt‐ 
OO
häutchen erinnert, wie man sie zu mikro‐ 
OO
skopischen Forschungen braucht.
.Aber auch die exakteste Vorstellung der 
OO
Struktur geistiger Substanz wird doch nicht 
OO
genügen, um eines meiner geistlichen Bilder 
OO
wirklich empfindend zu erleben.
.Geholfen ist erst dann, wenn man, auf 
OO
jeden Vergleich mit irdisch Gegenständ‐ 
OO
lichem verzichtend, damit anfängt, 
sich 
OO
selbst: ‒ sein eigenes Seelisches, ‒ in 
OO
 
diesen Form- und Farbengebilden lebendig 
OO
nachzuerleben.
.Dann erst ist man bei der 
Möglichkeit 
OO
angelangt, das Dargestellte 
nacherlebend 
OO
auch in sich 
erfassen zu können, was aller‐ 
OO
dings einen seelischen Gewinn zu vermitteln 
OO
vermag, der durch nichts anderes auf dieser 
OO
Erde gewonnen werden kann.
.Es ist das einzige Motiv meiner überaus 
OO
undankbaren Aufgabe bei der Darstellung 
OO
dieser geistigen Ur-Vorgänge, Anderen eben 
OO
diesen seelischen Gewinn zu vermitteln!
.Er kann aber niemals vermittelt werden, 
OO
solange noch das Bestreben besteht, irgend 
OO
etwas in den Bildern zu suchen, das 
ver‐ 
OO
standesmäßig verstehbar zu machen 
OO
wäre.
.So fern mir auch das, nur durch roman‐ 
OO
tisch-phantastische Illusion angeregte, tö‐ 
OO
richte Bestreben liegt, der 
Musik augen‐ 
OO
mäßig faßbare Entsprechung in Linie und 
OO
 
Farbe schaffen zu wollen, so muß ich hier 
OO
doch wieder, allerdings in ganz subjektiv 
OO
durch mein musikalisches Empfinden be‐ 
OO
stimmter Weise, an die Tonwerke 
Johann 
OO
Sebastian Bachs erinnern, denn ich kom‐ 
OO
me nicht von dem Eindruck los, daß der be‐ 
OO
deutendste Teil seines Schaffens, in dem 
OO
alles unerfaßlich hohe technische Können 
OO
nur 
Seelischem dienen muß, durch ein 
OO
Erleben gleichartiger Erlebensbezirke be‐ 
OO
stimmt war, wie es mich, ‒ der ich statt 
OO
in Tönen, 
in Linien und Farben das 
OO
sonst Unfaßliche faßbar zu machen suchen 
OO
muß, ‒ dazu veranlaßt, meine geistlichen 
OO
Bilder zu malen.
.Hier ist zur Verständigung ja nicht ein 
OO
Abmessen ganz inkommensurabler künst‐ 
OO
lerischer 
Kapazität vonnöten, sondern nur 
OO
die Erkenntnis, daß meine Bilder ebenso 
OO
Vorhandenem in der 
Seele begegnen, wie 
OO
eine Bach'sche Fuge, die ja auch von Din‐ 
OO
gen erzählt, von denen nur die 
Seele 
OO
weiß...
 
.Wer sich einmal mit der Vorstellung 
OO
der Situation vertraut gemacht hat, in der 
OO
diese meine geistlichen Bilder entstehen, 
OO
den dürfte es sicherlich auch nicht befrem‐ 
OO
den, daß von den dargestellten Gestaltun‐ 
OO
gen und ihren Farben gleichgeartete Schwin‐ 
OO
gungen 
immerfort ausgehen, wie sie von 
OO
den geistigen Urgebilden in dem zur Dar‐ 
OO
stellung gewählten, erlebten 
Augenblick 
OO
in schöpferischer Tendenz ausgegangen sind.
.Diese Schwingungen bleiben jedoch un‐ 
OO
berührt von dem seelischen Erfühlen und 
OO
Empfinden des Bildes, so wie die rein opti‐ 
OO
schen Strahlen die von ihm ausgehen, eben‐ 
OO
falls sich nicht ändern, einerlei, ob ein 
OO
Sehender oder ein Blinder sein Auge dem 
OO
Bilde zuwendet.
.Das Wissen um diese Schwingungen, die 
OO
nicht nur durch das 
Auge aufgenommen 
OO
werden, ist der Grund, weshalb es unter 
OO
meinen geistlichen Bildern nur einige 
we‐ 
OO
nige gibt, die einem Erleben 
zertrüm‐ 
OO
 
mernder, 
vernichtender, oder auch 
OO
nur 
drohender Wirkung der dargestellten 
OO
geistsubstantiellen ewigen Kräfte ihr Da‐ 
OO
sein zu verdanken haben... Die Entste‐ 
OO
hung der hier bezeichneten Bilder liegt 
OO
jetzt über zwei Jahrzehnte zurück, und seit 
OO
dieser Zeit konnte ich mich, im Wissen um 
OO
die erwähnten, von den Formen und ihren 
OO
Farben ausstrahlenden Schwingungen, nicht 
OO
mehr entschließen, einer 
destruktiven 
OO
Auswirkung der mir jederzeit erlebnisnahen 
OO
Urkräfte im Geistigen, auf einer Bildtafel 
OO
ein entsprechendes Äquivalent zu schaffen, 
OO
auch wenn mir sehr oft der Verzicht auf die 
OO
künstlerischen Möglichkeiten, die sich aus 
OO
solchem Erleben ergaben, gewiß nicht leicht 
OO
wurde.
.Wenn es sich auch um experimentell 
OO
wohl kaum faßbare Schwingungen handelt, 
OO
so weiß ich doch nur zu gut, welche gewal‐ 
OO
tigen Kräftewirkungen sich unter dafür gün‐ 
OO
stigen Umständen durch diese Lineamente 
OO
und Farbengebilde übertragen lassen, ‒ und 
OO
 
es sind in dieser Zeit weit mehr aufnahme‐ 
OO
bereite lebende Antennen in menschlichen 
OO
Gehirnen zu finden, die alles was 
irdische 
OO
destruktive, zertrümmernde Kräfte 
ver‐ 
OO
stärken könnte, mit wahrer Gier an sich 
OO
ziehen, ‒ als es Aufnahmeorgane gibt für 
OO
positiv wirkende, 
aufbauende, 
erheben‐ 
OO
de geistige Kräfteschwingungsformen...
.Im Grunde handelt es sich bei den durch 
OO
die künstlerische Darstellung der farbigen 
OO
und linearen Auswirkung substantiell gei‐ 
OO
stiger Urkräfte ermöglichten Schwingungs‐ 
OO
übertragungen um nichts Geringeres als um 
OO
die schon vorgeschichtlichen Zeiten ‒ und 
OO
diesen 
besser als der heutigen Zeit ‒ be‐ 
OO
kannt gewesene „Magie der Zeichen”, wenn 
OO
auch in meinen geistlichen Bildern die „Zei‐ 
OO
chen” nicht isoliert werden, sondern sich in 
OO
ihrem „organisch” zu nennenden Seins‐ 
OO
zusammenhang auswirken.
.Man kann gewiß auch, wie Max Klinger, 
OO
in meinen geistlichen Bildern nur intuitiv 
OO
 
geschaffene 
Linien- 
und Farbensym‐ 
OO
phonien sehen 
wollen, aber das enthebt 
OO
mich nicht der Pflicht, die Dinge nach 
OO
bestem 
eigenen Wissen aufzuzeigen.
.Ein gewisses Recht dazu, diese Bilder 
OO
lediglich als 
farbige Symphonien zu 
OO
werten, ist unstreitig dann gegeben, wenn 
OO
von der 
Anregung zur Darstellung ganz 
OO
abgesehen wird und nur der ornamental 
OO
dargestellte Farbenkosmos interessiert, der 
OO
durch die verschiedenen formalen und Far‐ 
OO
benbeziehungen innerhalb des Bildrahmens 
OO
besteht.
.Die von mir in meinem substantiell-gei‐ 
OO
stigen Organismus erlebten und infolge mei‐ 
OO
ner angeborenen, primär wohl auf das 
OO
Optische gerichteten Auffassungsweise, in 
OO
erster Linie ihren 
Farbenwerten nach 
OO
empfundenen geistigen Kräftegestalten 
OO
geben ja nur das 
Material zur Bildgestal‐ 
OO
tung, die in ihrem ganzen Aufbau ebenso 
OO
 
meine Komposition bleibt, wie jedes 
OO
Landschaftsbild, einzig dadurch be‐ 
OO
stimmt, 
welchem Erleben ich den Weg zur 
OO
Seele des Beschauers schaffen will.
.Ich muß ja auch die Formen- und Far‐ 
OO
benelemente der 
Landschaft in ganz ver‐ 
OO
schiedener Weise verwenden, je nachdem, 
OO
ob das Bild 
Ruhe und 
Frieden, 
trost‐ 
OO
volle Zusprache, oder aber 
befeuernde 
OO
Hilfe dem Betrachtenden vermitteln soll. 
OO
.Die 
gleichen gegenständlichen Kom‐ 
OO
ponenten einer Landschaft werden 
wesent‐ 
OO
lich andere Behandlung verlangen, wenn 
OO
ich eine schwere Gewitterstimmung malen 
OO
will, als wenn es sich darum handelt, eine 
OO
Stimmung der taufrischen Morgenfrühe 
OO
fühlbar zu machen.
.Ebenso muß ich auch die mir 
innen 
OO
gegenwärtigen, farbigen Diagramme und 
OO
Projektionen geistiger Kräftewelten in sehr 
OO
verschiedener Art behandeln, je nachdem, 
OO
 
welches genau präzisierte geistige Erleben 
OO
ich darstellen, oder welchen geistigen Vor‐ 
OO
gängen ich die analoge Bildform schaffen 
OO
will.
.Es wäre auch gewiß kein Sakrileg, die 
OO
einmal bis zu ihrer Darstellungsmöglichkeit 
OO
in der Fläche gebrachten Formen mit ihren 
OO
Farben nun 
in völlig freier künstleri‐ 
OO
scher Komposition intuitiv angeregt zu 
OO
verwenden, aber der Reichtum an sachlich 
OO
Erlebbarem ist in diesen geistigen Welten 
OO
derart unerschöpflich, daß auch im längsten 
OO
Erdenleben immer nur erst ein winziger 
OO
Teil des Erlebensmöglichen dargestellt wer‐ 
OO
den könnte, auch wenn der es Darstellende 
OO
tagtäglich konzentriert an der Staffelei ar‐ 
OO
beiten wollte.
.So ist man der freien Erfindung, die 
OO
ohnehin nicht meine Stärke wäre, glück‐ 
OO
licherweise enthoben und kann sich allein 
OO
der 
Komposition des „
Bildes” widmen, 
OO
dessen geistiges Vorbild immer 
gegeben 
OO
 
ist, auch wenn die künstlerische Darstel‐ 
OO
lungsmöglichkeit erst gefunden werden 
OO
muß.
.Daß aber diese geistlichen Bilder dem 
OO
Betrachter nur dann etwas zu geben haben, 
OO
wenn er sich selbst nicht krampfhaft in 
OO
irgend einer ihm lieb gewordenen Kunst‐ 
OO
auffassungsart festzuhalten sucht, sondern 
OO
den Mut findet, sich frei und unbeschwert 
OO
von Deutelust den ganz andersartigen 
OO
Augeneindrücken zu überlassen, die sich 
OO
ihm hier darbieten, ergibt sich unschwer 
OO
schon aus der fürs Erste befremdlichen 
OO
Farben- und Formenwelt, auch wenn man 
OO
noch nicht weiß, daß sie einer 
Wirklich‐ 
OO
keit entspricht, die diesen Namen tausend‐ 
OO
mal mehr verdient, als alles, was in unserem 
OO
äußeren physischen Dasein mit gleichem 
OO
Namen bezeichnet wird.
.Geradezu 
warnen muß ich demgemäß 
OO
davor, den 
Namen, durch die ich die Bilder 
OO
 
für die Sprache bezeichenbar mache, 
OO
etwa einen 
Deutewert beizulegen!
.Würde mir eine 
andere Bezeichnungs‐ 
OO
art für die einzelnen Werke 
angängig er‐ 
OO
scheinen, dann würde ich ihnen gewiß 
OO
keine „Namen” geben, ‒ oder das doch 
OO
nur 
in den seltensten Fällen für geboten 
OO
halten.
.So aber, auf Wortbenennungen 
ange‐ 
OO
wiesen, bitte ich in den „
Namen” nichts 
OO
anderes sehen zu wollen, als Hinweise auf 
OO
die mir zum Erfassenkönnen des jeweiligen 
OO
einzelnen Bildes am sichersten tauglich er‐ 
OO
scheinende Empfindungseinstellung.
.Ein solches Bild läßt sich aber erst dann 
OO
„
empfinden”, wenn es von dem Betrach‐ 
OO
tenden 
erlebt wird, und zu erleben ist es 
OO
von ihm nur, wenn er 
sein eigenes Be‐ 
OO
wußtsein in das Bild versenkt: ‒ sich also 
OO
in den Formen und Farben des Bildes selbst 
OO
findet, als sei hier 
sein eigenes Seelisches 
OO
 
dargestellt, was ja auch oft genug der Fall 
OO
ist...
.Nur auf diese Art ist es möglich, in der 
OO
Seele den Widerklang zu wecken, der mit 
OO
den von mir dargestellten geistigen Kräfte‐ 
OO
projektionen wirklich korrespondiert.
.Jeder andere Versuch, eines dieser geist‐ 
OO
lichen Bilder in sich aufzunehmen, muß zu 
OO
einem Fehlschlag führen.
.Es darf sich 
nichts zwischen Auge und 
OO
Seele stellen!
.Jede Zwischenschaltung bewirkt eine 
OO
Verfälschung des Dargestellten für die 
OO
eigene Erfahrung.
.Das Wesentliche ist also die durch kei‐ 
OO
nerlei Deutelust behinderte 
Einfühlung, 
OO
und nur dem sich Einfühlenden kann sich 
OO
ein solches Bild zu eigen geben.
.Jedem, der es sich auf 
andere Weise 
OO
habhaft machen will, wird es nicht mehr 
OO
 
von sich zu sagen wissen, als irgend eine 
OO
seltsame Tapete.
.Wie aber der von mir dem Bilde bei‐ 
OO
gegebene „Name” nur wie das Anschlagen 
OO
einer Stimmgabel wirken soll, so sind auch 
OO
die zuweilen in den Bildern dargestellten 
OO
Formen 
fast irdischer Art, die deutliche 
OO
Anklänge an Elemente physisch sichtbarer 
OO
Erdendinge zeigen, nicht viel anders auf‐ 
OO
zufassen.
.Es handelt sich hier 
nicht um eine will‐ 
OO
kürliche 
Symbolik oder 
Allegorie, son‐ 
OO
dern um Formen, deren 
Aufbauelemente 
OO
sich in 
nichts von denen der 
anderen Ge‐ 
OO
stalten dieser geistigen Kräftewelten 
unter‐ 
OO
scheiden, aber während bei diesen ande‐ 
OO
ren Gestalten die 
ursprüngliche, durch 
OO
rein 
geistige Strebung bewirkte Formung 
OO
vor dem Auge des Betrachters steht, sind 
OO
die 
dem Irdischen nahen Formgebilde 
OO
sekundäre Gestaltungen, bestimmt durch 
OO
 
irdischer Sichtbarkeit entlehnte 
Wertbil‐ 
OO
der wirkensdurstigen 
menschlichen Vor‐ 
OO
stellungsvermögens.
.Diese 
Influenz-Gestaltungen treten 
OO
überall in den geistigen Kräftewelten auf, 
OO
wo durch starke stille Willens-Ströme, 
OO
menschlicher Vorstellungsinhalt bis in die 
OO
Regionen des substantiell-geistigen Kräfte‐ 
OO
waltens emporgetragen wird, und es gibt 
OO
daher 
fast unendlich viele solcher gei‐ 
OO
stig substantiellen Sekundärformen.
.Kein über das irdisch Tierische hinaus‐ 
OO
reichendes Streben, 
kein Glaubensbezirk 
OO
und 
keine Vorstellungswelt dem Geistigen 
OO
zustrebender Weltanschauungen ist an der 
OO
Schaffung solcher 
sekundärer substantiell 
OO
geistigen 
Influenz-Gestaltungen 
unbe‐ 
OO
teiligt.
.Dahin gehören auch die auf manchen 
OO
meiner geistlichen Bilder dargestellten, 
OO
schneebedeckten Bergesgipfel, die 
OO
 
pflanzenartigen Gebilde, die da oder dort 
OO
erscheinenden, rein 
geometrischen gei‐ 
OO
stigen 
Ursymbole, so wie die allereinfach‐ 
OO
ster Vorstellungsart entstammenden 
Tuben 
OO
auf dem Bilde: „Tempel der Ewigkeit”,* ‒ 
OO
ferner die scheinbaren 
Meeresflächen 
OO
und 
Wellen, die 
Edelsteingebilde und 
OO
Blumenkelchformen, wie auch sonst 
OO
alles, was rein 
irdisch befruchteter Vor‐ 
OO
stellungsfähigkeit allenfalls entstammen 
OO
könnte.
.Die 
primären geistigen Kräfteformen 
OO
finden hingegen, ihrer 
Gesamtgestalt 
OO
nach, 
keine irdischen Parallelerscheinun‐ 
OO
gen, außer vielleicht in 
allerkleinsten 
OO
Aufbauformen, wie sie allein das Mikroskop 
OO
offenbaren kann, sowie in 
elektrischen 
OO
und 
elektro-
magnetisch bedingten Er‐ 
OO
scheinungen (insbesondere solchen, bei Ent‐ 
OO
ladung hochgespannter Ströme) und ‒ in 
OO
gewissen, aus der Notwendigkeit entstande‐ 
OO
 
.*) Wandbildreproduktion in Farbenlichtdruck: Neue Photogr. OO
Gesellschaft, Berlin-Charlottenburg.
nen Formen 
technischer Gebilde, wie sie 
OO
der Ingenieur 
er-
findet, weil sie in seinem 
OO
rein Geistigen zu 
finden sind.
.Löste man aber alle diese vielfältigen 
OO
Formen substantiell geistiger Kräfteprojek‐ 
OO
tionen in 
ihre letzten Komponenten 
OO
auf, so würde auch von der 
primären For‐ 
OO
menwelt nicht das kleinste Detail übrig 
OO
bleiben, zu dem nicht Entsprechungen in 
OO
der dem physischen Auge zugänglichen 
OO
Natur irgendwie und -wo gefunden werden 
OO
könnten, denn alles Naturgestaltete ist ja 
OO
nur 
Bezeugung der Formen ursächlich 
OO
wirkender geistiger Kräftewelten, die in 
OO
meinen geistlichen Bildern 
künstlerisch 
OO
verarbeitetes Bildmaterial wurden, ‒ 
OO
und auch das in 
physischem Leben durch 
OO
diese Kräfte Gewirkte kann 
keine ande‐ 
OO
ren Formen zeigen, als die ihm 
geistig 
OO
zugeteilten.
 
Anmerkung: Das Bild ist im Buch nicht enthalten.
.Die himmlisch-erhabene Gestalt des 
OO
„
Gottmenschen”, wie sie ‒ viel weniger 
OO
aus den Evangelien, als aus 
anderen, der 
OO
beginnenden Dogmenbildung zu ihrer Zeit 
OO
weit 
weniger erwünschten Schriften, ‒ 
OO
bis in unsere Tage herunterstrahlt, ist alles 
OO
andere eher, als „Portrait”; ‒ als 
Bildnis, 
OO
das auf 
formale Ähnlichkeit mit einer 
OO
dahin gegangenen menschlichen Erscheinung 
OO
sich berufen dürfte.
.Es ist 
nicht die Gestalt des 
Rabbi 
OO
Jehoschuah, des „Nazareners”, die vor 
OO
der Seele auftaucht, wenn von dem 
Chri‐ 
OO
stus Jesus die Rede ist, sondern ein simul‐ 
OO
tanes Vorstellungsbild, zu dem das Vorstel‐ 
OO
lungsvermögen ungezählter Wort- und Bild‐ 
OO
gestalter die einzelnen Elemente im Laufe 
OO
 
von fast zwei Jahrtausenden beigesteuert 
OO
hat, ‒ fast in allen Stücken Zeugnis der 
OO
Verwirrung und Betörung durch dogmati‐ 
OO
sche Festsetzungen, die mit der Wirklichkeit 
OO
auf sehr gespanntem Fuße bleiben müssen 
OO
um sich zu erhalten.
.Und doch sind unter den vielen, von bil‐ 
OO
denden Künstlern geschaffenen Messiasbil‐ 
OO
dern nicht ganz wenige zu finden, die offen‐ 
OO
bar aus dem Willen heraus konzipiert wor‐ 
OO
den waren, der 
menschlichen, voreinst 
OO
sichtbaren Erscheinung des Meisters, nach 
OO
einer auf Vermutung gegründeten künst‐ 
OO
lerischen Vorstellung, ein „
vielleicht” der 
OO
Wirklichkeit doch irgendwie ähnliches Ab‐ 
OO
bild zu gestalten, da ja, ‒ von vulgärem 
OO
Unfug, der es vortäuschen möchte, hier 
OO
natürlich abgesehen, ‒ kein authentisches 
OO
Bildwerk aus der Zeit Jesu existiert, das ihn 
OO
zur Darstellung gebracht hätte.
.Ganz frühe Kultbilder mögen zwar, ‒ 
OO
wie ich heute zu vermuten geneigt bin, ‒ 
OO
 
auf irgendwelche 
Tradition zurückgehen, 
OO
an deren 
Ausgangspunkt der 
optisch 
OO
empfangene Eindruck eines mit dem Volks‐ 
OO
lehrer Jehoschuah 
gleichzeitig Lebenden 
OO
gestanden haben kann, aber alles was später 
OO
gestaltet wurde, ist in jedem Falle 
Werk 
OO
der Phantasie, die der künstlerischen 
OO
Vorstellung jeweils 
das Vorbild schuf, das 
OO
in der Auffassung des Künstlers seelisch oder 
OO
durch äußere Eindrücke 
vorbestimmt 
OO
war.
.Auch ich habe vor Zeiten einen 
Gekreu‐ 
OO
zigten und einen 
Auferstandenen ge‐ 
OO
malt und in beiden Bildern den Gesichts‐ 
OO
typus des blonden, blauäugigen Juden fest‐ 
OO
gehalten, wie er unter den 
Chasidim, 
OO
den jüdischen Mystikern des europäischen 
OO
Ostens, gar nicht selten ist, und wie er mir 
OO
zuweilen in geradezu erschütternder Hoheit 
OO
des Ausdrucks begegnet war.
.Aber auch der bartlose Christus der 
OO
Katakomben hat zeitweilig meine Vor‐ 
OO
 
stellung zu bestimmen versucht, während 
OO
der menschlich so ergreifende Jesus 
Rem‐ 
OO
brandts für mich stets dermaßen zur sub‐ 
OO
jektiven Gesamtgestalt 
des Künstlers ge‐ 
OO
hörte, daß ich unmöglich von da her etwas 
OO
in mein eigenes Vorstellungsbild überneh‐ 
OO
men konnte.
.Anders war es gegenüber dem Kopf des 
OO
Jesus auf dem „Zinsgroschen”-Bilde von 
OO
Tizian.
.Der dort Dargestellte wollte sich in sei‐ 
OO
ner vornehmen Überlegenheit über die Pha‐ 
OO
risäer recht gut mit meiner eigenen Vorstel‐ 
OO
lung von dem irdischen Meister Jehoschuah 
OO
vereinen lassen, wenn ich auch seinen 
OO
menschlichen Typus nicht als überzeugend 
OO
empfand.
.Ich erwähne das alles nur um zu zeigen, 
OO
daß auch ich, solange ich auf ein 
Vorstel‐ 
OO
lungsbild angewiesen war, das sich nur 
OO
auf 
Vermutungen über die mögliche 
OO
 
äußere Erscheinung des erhabenen gott‐ 
OO
einigen Menschen gründete, genau so von 
OO
den vorhandenen Gestaltungen der Kunst, 
OO
oder auch durch das Leben, Vorstellungs‐ 
OO
einflüsse empfing wie jeder Andere.
.Das hörte erst auf, nachdem ich, nach 
OO
langen Jahren der Schulung, die, als mit 
OO
mir geborene 
Pflicht aufgetragene 
Be‐ 
OO
wußtseinsentfaltung im Erkenntnis‐ 
OO
bereich des 
substantiellen ewigen Gei‐ 
OO
stes erreicht hatte, durch die ich mit dem 
OO
in diesem Bereiche ewig Lebendigen, der 
OO
ehedem im Irdischen als der wandernde 
OO
Lehrer 
Jehoschuah durch Palästina ge‐ 
OO
zogen war, in die Bewußtseinsvereinung 
OO
kam, die 
alle hier Bewußten einigt.
.In meinem Buche: „
Das Mysterium 
OO
von Golgatha”* sage ich über diese Ver‐ 
OO
einung Folgendes:
.* Richard Hummel-Verlag Leipzig. (Seite 194 der Neuausgabe!)
 
„Wir stehen... in permanenter, bewuß‐ 
OO
ter geistiger Verbindung untereinander, so, 
OO
als ob ein steter gleichmäßiger elektrischer 
OO
Strom uns immerfort alle ‒ auch die 
nicht 
OO
im Erdenkörper Lebenden ‒ durchkreisen 
OO
würde.” Und später sage ich dort:
.„Auf 
geistig-reale Weise können wir 
OO
uns alle einander 
sichtbar und 
vernehm‐ 
OO
bar machen durch bloßen Willensakt.”
.Hier kann ich nur eindringlich auf diese 
OO
Worte verweisen!
.Es versteht sich von selbst, daß auch ein 
OO
leiblich bereits 
von der Erde Geschie‐ 
OO
dener, wenn er diesen Willensakt voll‐ 
OO
bringt, dem 
irdischen Auge des mit ihm 
OO
Vereinten, seine ehemalige 
irdische Er‐ 
OO
scheinungsform darstellt!
.Diese Erscheinungsform aber war mir ja 
OO
in Bezug auf den mir seit der Vollendung 
OO
 
meiner geistig realen Entfaltung allerinnerst 
OO
Vereinten, von dem ich ehrerbietigst hier 
OO
spreche, im rein 
geistigen Bewußtsein 
OO
ohnehin vertraut.
.Daß ich aber, soweit ich auch 
Künstler 
OO
bin, den begreiflichen Wunsch haben mußte, 
OO
dieser Erscheinungsform ein 
künstleri‐ 
OO
sches Dokument zu schaffen in ihrer 
OO
Wiedergabe durch die Mittel des Malers, 
OO
dürfte wohl ebensowenig befremden können, 
OO
wie die Tatsache, daß die Befruchtung durch 
OO
den 
optischen Eindruck 
auf das kör‐ 
OO
perliche Auge, einem 
jeden Bildnis mehr 
OO
bestimmendes 
Leben verleiht, als das 
OO
bloße Zurückgreifen auf eine innerliche An‐ 
OO
schauung, bei deren Betrachtung doch 
der 
OO
Nimbus subjektiver Gefühlswahr‐ 
OO
nehmung begreiflicherweise die rein 
far‐ 
OO
bige, 
plastische und 
lineare Gestaltung 
OO
ganz erheblich 
überstrahlt.
 
.Bis nun meine erste Studie nach dem 
OO
durch oben bezeichneten Willensakt ver‐ 
OO
mittelten optischen Augeneindruck vor Jah‐ 
OO
ren zustandekam, war sowohl von Seiten 
OO
des Dargestellten, wie von meiner Seite her 
OO
keineswegs 
mehr erstrebt worden, als eine 
OO
intensive optische Beeindruckung meiner 
OO
künstlerischen Erinnerungsfähigkeit.
.Erst die im hier gegebenen Falle nicht 
OO
von mir vorausgesehene längere 
Dauer der 
OO
geistig geschaffenen, plastischen, lebendigen 
OO
Erscheinungsform aus geistiger Substanz 
OO
ließ in mir den Gedanken entstehen: ob 
OO
nicht der Versuch zu wagen wäre, die ge‐ 
OO
liebte Gestalt ebenso wie sonst eine andere 
OO
Impression aus den Bereichen der Sichtbar‐ 
OO
keit, so gut es gehen mochte in Lineament 
OO
und Farbe, dem Gesamteindruck nach, 
OO
wiederzugeben.
.Da ich ja keine Leinwand vorbereitet 
OO
hatte, mußte mir eine beidseitig grundierte 
OO
 
Maltafel dienen, auf deren anderer Seite be‐ 
OO
reits eine landschaftliche Bildstudie aus 
OO
früherer Zeit zu sehen war.
.Es gelang mir, während der Dauer der 
OO
Sichtbarkeit der geistsubstantiellen Form, 
OO
den ersten Eindruck so festzuhalten, daß 
OO
ich nun 
neben meinem stärkstens bestimm‐ 
OO
ten optischen Erinnerungsbild auch eine 
OO
äußere Unterlage und Kontrolle für das 
OO
später zu malende Bildnis des heißgeliebten 
OO
Meisters besaß.
.Nachdem ich aber, von einer Ausnahme 
OO
abgesehen, seit Jahrzehnten nichts Figür‐ 
OO
liches zu malen versucht hatte, weil mir 
OO
schon in meinen jungen Jahren klar wurde, 
OO
daß die Art meiner Begabung nicht auf 
OO
Darstellung der menschlichen Erscheinung 
OO
gerichtet ist, so stand diese Bildgestaltung 
OO
lange Zeit als eine Aufgabe vor mir, der ich 
OO
mich, in Ermangelung der nötigen künst‐ 
OO
lerischen Zuversicht, kaum zu nahen wagte. 
OO
 
.Als dann der Tag herangekommen war, 
OO
an dem ich die Leinwand für das Bild prä‐ 
OO
parierte,* war auch die Möglichkeit, meine 
OO
Arbeit statt an der gemalten Studie, an der 
OO
geistig verursachten, zeitweiligen plasti‐ 
OO
schen 
Wiedergestaltung der früheren 
OO
irdischen Erscheinung des Darzustel‐ 
OO
lenden zu kontrollieren, in derart gesteiger‐ 
OO
tem Maße gegeben, daß ich die erste Studie 
OO
nur 
nebenbei noch zu Rate zog, und nur 
OO
im Hinblick auf gewisse, dort schon er‐ 
OO
reichte 
lineare Bestimmungen, die ich bei‐ 
OO
behalten wollte.
.Daß ich mich in der Zwischenzeit dazu 
OO
bereitgefunden hatte, schon die erste Studie 
OO
in einem kleinen Dreifarbendruck reprodu‐ 
OO
zieren zu lassen, war nur die Gewährung 
OO
der Wünsche und Bitten Anderer, denen ich 
OO
nicht verhehlte, daß dieses Bild mir später‐ 
OO
hin als Grundlage für die durchzuführende 
OO
Bildgestaltung auf der Leinwand dienen 
OO
 
.*) Jetzt in Farbenlichtdruck als Wandbild reproduziert bei OO
Franz Hanfstaengl, München.
solle. Man wollte aber nicht erst darauf 
OO
warten bis das Endresultat vorliegen würde, 
OO
für dessen Zustandekommen ich ja auch 
OO
keinen Termin anzugeben vermochte.
.Das ist die wahrheitsgemäße nüchterne 
OO
Schilderung der Vorgänge, die zur künst‐ 
OO
lerischen Gestaltung meines Jesusbildes 
OO
führten, das durchaus und eindeutig als 
OO
„
Portrait” genommen werden will, einer‐ 
OO
lei wie man das Können des Portraitisten 
OO
bewerten mag, der sich selbst der Mängel 
OO
dieses Könnens nur zu sehr bewußt bleibt. 
OO
.Das Bild ist nicht etwa auf eine beson‐ 
OO
dere, „geheimnisvolle” Weise entstanden, 
OO
sondern so, wie jedes künstlerische Werk 
OO
der Malerei entsteht.
.An der bewußt gewollten Selbstprojek‐ 
OO
tion des mir substantiell-geistig vereinten 
OO
Dargestellten fand ich zwar 
das Vorbild 
OO
für mein Werk, dieses Werk selbst aber 
OO
 
verlangte von mir genau die gleiche hand‐ 
OO
werkliche Arbeit, wie sie das Portrait eines 
OO
gegenwärtig in äußerer irdischer Gestaltung 
OO
Lebenden von mir verlangen würde.
.Auch ihn würde ich ja wahrhaftig nicht 
OO
„modellstehen” lassen, sondern sein Leben‐ 
OO
diges im bewegten geistigen Austausch zu 
OO
fassen suchen, wie es nicht anders bei der 
OO
Darstellung meines Jesusbildnisses geschah. 
OO
.Wem dieses Bildnis nicht 
aus sich selber 
OO
für sich selber spricht, dem dürften auch 
OO
alle Aufschlüsse und Bekenntnisse in Bezug 
OO
auf das Lebensgeschehen im 
substantiel‐ 
OO
len ewigen Geiste, ‒ so, wie sie in mei‐ 
OO
nen Büchern vereinigt sind, ‒ schwerlich 
OO
etwas zu sagen haben...
.Es gibt jedoch auch Menschen, die sich 
OO
sowohl einem 
Schriftwerk als auch einem 
OO
Bildwerk gegenüber, fraglos auf die er‐ 
OO
fahrungsbestätigte Urteilsgewißheit ihres 
OO
unverbildeten und unverkrüppelten 
Emp‐ 
OO
findens zu verlassen vermögen, und die‐ 
OO
 
sen werde ich kaum erst zu bekräftigen 
OO
brauchen, daß mein Jesus-Bildnis weder die 
OO
gemalte Wiedergabe einer „Vision”, noch 
OO
gar einer auf okkulte Weise irgendwie her‐ 
OO
vorgebrachten „Materialisation” ist, son‐ 
OO
dern das Bildnis des 
Lebendigen, so, wie 
OO
er vor fast zwei Jahrtausenden in seinem 
OO
Geburtslande allen ihm Begegnenden sicht‐ 
OO
bar war, und wie er sich jederzeit, aus seiner 
OO
substantiellen geistigen Gestalt heraus, ‒ 
OO
die erdensinnlich nicht erfaßbar ist, ‒ 
OO
jedem, der ihm 
substantiell geistig 
Ver‐ 
OO
einten für dessen erdenkörperliches Auge 
OO
sichtbar machen kann.
.Mir war dieses sich Sichtbarmachen 
OO
durch eine 
andere Persönlichkeit von Kind‐ 
OO
heit an vertraut.*
.Die zu dem von mir dargestellten Ant‐ 
OO
litz gehörende 
Körpergestalt ist kaum 
OO
mittelgroß: schmächtig und zart.
 
.*) Siehe: „Das Buch der Gespräche”, Kober'sche Verlags‐ OO
buchhandlung (Seite 80 u.f.)
.Unter einer Anzahl ähnlich gekleideter 
OO
und fast die gleiche Haar- und Barttracht 
OO
zeigender Menschen gleicher Rasse, muß 
OO
dieser Mann geradezu wie in einem Versteck 
OO
verborgen gewesen sein, und nur schwer 
OO
mochten die ihn Suchenden ihn finden.
.Daß die nur 
aus der künstlerischen 
OO
Vorstellung hervorgegangene Gestalt der 
OO
meisten Kunstwerke, die ihn darzustellen 
OO
suchen, eine 
große, auch schon äußerlich 
OO
überragende Erscheinung zeigt, ist leicht zu 
OO
verstehen aus der Neigung künstlerischer 
OO
Formensprache, das 
geistig Große in er‐ 
OO
haben großer Gestaltbildung ahnen zu las‐ 
OO
sen, bleibt aber ferne aller „
Ähnlichkeit”! 
OO
.Wenn nun auch die in der christlichen 
OO
Kunst erwachsenen Darstellungen Jesu, von 
OO
gewissen byzantinischen Mosaiken und an‐ 
OO
deren Frühkunst-Werken abgesehen, dem 
OO
Gottmenschen die Proportionen der ihn 
OO
umgebenden Gestalten 
lassen, so kön‐ 
OO
nen sich die Künstler dennoch den „Erlö‐ 
OO
 
ser”, so, wie sie ihn empfinden, nur als 
OO
großgewachsene, „imponierende” Erschei‐ 
OO
nung vorstellen, da ja, ihrem Glauben ge‐ 
OO
mäß, hier die „zweite Person der Gottheit” 
OO
menschliche Gestalt „angenommen” hatte, 
OO
und es doch schließlich einem Gotte ziemt, 
OO
sich auch in menschlicher Verkleidung mög‐ 
OO
lichst respektabel darzustellen, wovon aller‐ 
OO
dings der arme Zimmermannsgehülfe 
Je‐ 
OO
hoschuah, der Mann aus Nazareth, zu sei‐ 
OO
ner Zeit nichts wußte.
.Bevor die 
Gebildeten auf ihn aufmerk‐ 
OO
sam wurden, galt er ja auch seinen Zeit- und 
OO
Landesgenossen keineswegs mehr, als uns 
OO
heute irgend ein braver, noch jugendlicher 
OO
Handwerksmann.
.Allen, die aus diesen meinen Mitteilun‐ 
OO
gen etwa eine Blasphemie heraushören 
OO
möchten, gebe ich nur zu bedenken, daß 
OO
ich hier nicht von einer theologisch kon‐ 
OO
 
struierten und im Verlaufe vieler Jahrhun‐ 
OO
derte durch die Patina unzähliger Gebete 
OO
altehrwürdig gewordenen, ‒ auf gnosti‐ 
OO
schen Spekulationen fundierten Vorstellung 
OO
ihnen liebgewordener Glaubenslehre spre‐ 
OO
che, ‒ sondern von dem reinen 
Menschen, 
OO
der durch sein Lehren nachmals Anderen 
OO
zum 
Anlaß wurde, ihn zum Gotte zu 
er‐ 
OO
klären.
.Auch ihn haben sie voreinst der Blasphe‐ 
OO
mie beschuldigt...
.Was ich hier und an anderen Orten von 
OO
ihm zu sagen habe, ist bis auf das scheinbar 
OO
nebensächlichste Wort 
auf den geistigen 
OO
Austausch mit ihm gegründet. ‒ Wer will 
OO
mir verargen, ihm selber 
mehr zu glauben 
OO
als seinen Chronisten und den so viel später 
OO
gekommenen 
Ausdeutern seiner wirkli‐ 
OO
chen Lehren?! ‒
 
.Nun ist bereits ein Jahrzehnt vergangen, 
OO
seitdem sein Bild durch meine Hand ent‐ 
OO
standen ist, ‒ ein Jahrzehnt, das mir reich‐ 
OO
lich Gelegenheit zu Kritik und Prüfung gab, 
OO
‒ aber ich habe dennoch nur zu sagen, daß 
OO
meine Wiedergabe des Dargestellten jeder 
OO
erdenklichen Nachprüfung jederzeit stand‐ 
OO
hielt, soweit es sich hier um den 
Eindruck 
OO
handelt, den auch seine Zeitgenossen von 
OO
der irdischen Erscheinung des Menschen her 
OO
erhielten, und den ich seit der Entstehung 
OO
meines Bildes unzählige Male wieder und 
OO
wieder erhalten habe.
.Nichts Anderes aber wollte ich durch 
OO
dieses Bildnis vermitteln, als diesen irdi‐ 
OO
schen Eindruck seiner Züge und seines 
OO
Blickes.
.Des Bildes rein 
künstlerische Bedeu‐ 
OO
tung kann für mich gewiß nicht in erster 
OO
Linie stehen.
.Es fehlt mir jeglicher Ehrgeiz, etwa 
als 
OO
Bildnismaler betrachtet zu werden.
 
.Daß es mir möglich wurde, den Eindruck 
OO
der Erscheinung des irdischen 
Menschen 
OO
um den es sich hier handelt, wiederzugeben, 
OO
verleiht diesem Bildnis seinen 
ausschließ‐ 
OO
lichen Wert, denn dieser Erdenmensch 
OO
war der Leuchtende: Jehoschuah = „
Je‐ 
OO
sus”, aus Nazareth, auf den sich alle Aus‐ 
OO
sagen der vier Evangelien bezogen wissen 
OO
wollen.
.Ich werbe hier wahrhaftig nicht um 
OO
„
Glauben” an diesen Bericht von der Ent‐ 
OO
stehung des einzigen authentischen 
Bild‐ 
OO
nisses des erhabensten geistigen Lehrers, 
OO
der je unter Erdenmenschen erstanden ist, 
OO
sondern spreche mit aller Bewußtheit und 
OO
uneingeschränkter Verantwortung durch‐ 
OO
aus 
autoritativ, als der 
einzige, mit den 
OO
hier erörterten Möglichkeiten 
wissend und 
OO
praktisch Vertraute, der in der Zeit die‐ 
OO
ser Niederschrift innerhalb des westlichen 
OO
Kulturkreises zu finden ist.
 
.Ich sehe mich zwar von innenher ver‐ 
OO
hindert, hier Antwort auf alle die Fragen zu 
OO
geben, zu denen der moderne, naturwissen‐ 
OO
schaftlich denkende Mensch sich den von 
OO
mir berichteten Vorgängen gegenüber an‐ 
OO
geregt finden kann, ‒ bin aber in der Lage, 
OO
auszusprechen, daß eine solche Selbstdar‐ 
OO
stellung in rein geistiger Substanz 
bis ins 
OO
Kleinste den 
bekannten irdischen For‐ 
OO
derungen entspricht, die wir „
Natur‐ 
OO
gesetze” nennen.
.Ich weiß, daß sich mein hier gegebener 
OO
Bericht sehr vielen Lesern gegenüberfinden 
OO
wird, denen es längst bereits „feststeht”, 
OO
daß ich mich „natürlich” einer 
Selbst‐ 
OO
täuschung hingebe.
.Ihnen zum Troste kann ich aber in aller 
OO
Bescheidenheit vermerken, daß mir der heu‐ 
OO
tige Stand der 
praktischen Erkenntnisse 
OO
innerhalb der Neuropathologie, der Tiefen‐ 
OO
 
psychologie, wie der verschiedenen psych‐ 
OO
analytischen Auffassungsbezirke recht wohl 
OO
vertraut ist, und daß ich darüber hinaus 
OO
noch von so manchen Täuschungsmöglich‐ 
OO
keiten weiß, von denen die innerhalb der 
OO
genannten Gebiete berufsmäßig Erfahrenen 
OO
noch so gut wie 
nichts wissen.
.Es wäre wirklich eine klägliche Aus‐ 
OO
flucht, mir eine „Selbsttäuschung” impu‐ 
OO
tieren zu wollen, nur um sich nicht ein‐ 
OO
gestehen zu müssen, daß es für bestimmte 
OO
Menschen Möglichkeiten des Erlebens gibt, 
OO
die 
keineswegs Allen zugänglich werden 
OO
können. ‒
 
.Schwerlich wird einer den der Kunst so 
OO
hoch verpflichteten Beruf des Malers 
höher 
OO
zu schätzen, 
ehrfurchtsvoller zu 
ehren 
OO
wissen, als es mich, mein ganzes Leben hin‐ 
OO
durch, 
von innen her erhobene Forde‐ 
OO
rung lehrte.
.Beträchtliches weiß ich diesem, mir zu‐ 
OO
teil gewordenen Berufe zu 
danken.
.Dennoch habe ich niemals in ihm meine 
OO
ausschließliche „
Berufung” gesehen.
.Auch ehemals nicht, als ich um diese Be‐ 
OO
rufung noch keineswegs mit Gewißheit 
OO
wußte.
.Ich empfand es als unbedingt zu mir ge‐ 
OO
hörig, daß ich unter anderem auch 
mit der 
OO
 
Farbe umgehen können müsse, und das 
OO
rein 
Handwerkliche des Malerberufes 
OO
war mir von allem Anfang an nicht nur 
OO
geheiligtes Tun, sondern zugleich auch 
OO
liebend umhegtes Gebiet 
schaffender 
OO
Formungsfreude.
.Es gab eine Zeit in der ich recht fleißig 
OO
in Ton modellierte und Holzbildhauerei 
OO
versuchte. Auch den Stein hatte ich be‐ 
OO
arbeiten gelernt. Aber ich gab die Hin‐ 
OO
neigung zur Plastik auch wieder auf, ohne 
OO
je erneut zu ihr zurückzukehren, denn viel 
OO
zu deutlich war mir bewußt geworden, 
OO
daß mir das 
plastische Gestalten niemals, 
OO
so wie das Malen, 
Beglückung werden 
OO
könne.
.Ich bin auch überzeugt, daß 
architek‐ 
OO
turales wie 
musikalisches Schaffen mir 
OO
niemals zu solchem Beglücken geworden 
OO
wären, auch wenn ich den Studiengang des 
OO
Architekten, oder den des Musikers durch‐ 
OO
laufen hätte.
 
.Der Beruf des Malers hatte mich zweifel‐ 
OO
los aus tief in meiner seelischen Konstitu‐ 
OO
tion verankerten Strebungen her angezogen 
OO
und gehört in mein irdisches Wirkungsfeld, 
OO
‒ organisch verlangt, ‒ hinein.
.Dennoch gab es für mich vom ersten 
OO
Tage meines Studienbeginns an keinen 
OO
Zweifel, daß der als so erhaben empfundene 
OO
Beruf für 
mein eigenes Erdenleben nur 
OO
sekundäre Bedeutung haben dürfe, was 
OO
mich auch gar manche Gelegenheit, durch 
OO
ihn zu Ehre und Ruf zu gelangen, zum maß‐ 
OO
losen Erstaunen Anderer, geruhsam und be‐ 
OO
wußt übergehen hieß.
.Es war Charakteristikum meiner 
Be‐ 
OO
rufung, ‒ die ich ja heute, angesichts des 
OO
bleibenden Werkes das ihr zu danken ist, 
OO
nicht erst zu umschreiben brauche, ‒ daß 
OO
ich von Kindheit an von innen her geleitet 
OO
wurde, allem Leben um mich her, und auch 
OO
wenn es mich selbst 
sehr entscheidend 
OO
 
anging, als gelassener Zuschauer 
gegen‐ 
OO
über zu stehen, wie man einem 
Schau‐ 
OO
spiel, mag es auch noch so sehr ergreifen, 
OO
gegenübersteht: ‒ miterlebend, beglückt, 
OO
erschüttert oder entsetzt, ‒ aber niemals 
OO
wirklich 
miteinbezogen.
.Daraus ergab sich von selbst, daß ich 
OO
zwar viele Lebensbezirke, ‒ innerlich auf 
OO
überaus tief empfindende Weise miterlebend 
OO
was in ihnen zu erleben war, ‒ 
kennen‐ 
OO
lernte, ‒ aber nie in Gefahr kam, mich 
OO
an einen zu verlieren.
.So fühlte und fühle ich mich auch im 
OO
Reiche der 
Kunst, als 
Maler, aus ein‐ 
OO
geborenem Erbrecht her 
heimisch, und 
OO
doch wäre es mir niemals möglich gewesen, 
OO
die Grenzen dieses Reiches auch als die Ab‐ 
OO
steckung der mir selbst gebotenen Grenzen 
OO
zu betrachten.
.Es war vielmehr stets ein glühendes Ver‐ 
OO
langen in mir, in 
jedem neuen Bereich 
OO
 
menschlichen Tuns und Strebens, den ich 
OO
auf meinem Lebensweg durchwanderte, 
OO
oder den dieser Weg auch nur streifte, mög‐ 
OO
lichst 
ebenso heimisch zu werden, wenn 
OO
auch oft nur aus dem einzigen Grunde: das 
OO
Leben von diesem für Andere 
bestimm‐ 
OO
den Bereiche her 
sehen und 
verstehen 
OO
zu lernen.
.Auch alles 
Lesen wurde solchem Ver‐ 
OO
langen dienstbar gemacht, soweit es über 
OO
Fragen der Kunst und Kunstwissenschaft 
OO
hinausführen sollte.
.Für 
belletristische Kunst blieb da‐ 
OO
neben ‒ bei aller Bewunderung des in ihr 
OO
zutagetretenden Könnens ‒ nur wenig Zeit 
OO
und Neigung übrig, umsomehr, als ich stets 
OO
vorzog, das Leben in allen mir irgendwie 
OO
zugänglichen Bezirken nicht in geformter 
OO
Nachbildung, sondern durch 
eigenen 
OO
Einblick kennenzulernen.
 
.Nichts wurde dabei etwa durch den 
OO
Beruf bestimmt, den ich vielmehr, soweit 
OO
es nur möglich war, in allen meinen Bezie‐ 
OO
hungen zum Leben 
fast auszuschalten 
OO
suchte, ‒ jedenfalls aber ihm 
nur dort 
OO
Rechte gab auf Mitbestimmung meiner Ein‐ 
OO
sicht, wo sein ihm innerhalb des allgemeinen 
OO
Lebens vorbehaltenes Gebiet 
allein in 
OO
Frage kam.
.Meine 
Berufung, ‒ nicht mein Be‐ 
OO
ruf, ‒ hat zu allen Zeiten mein 
Werden 
OO
und mein wirkendes 
Leben bestimmt!
.An dieser, mit der Berufung selbst ge‐ 
OO
gebenen, inneren Situation würde sich auch 
OO
nichts ändern können, wenn ich noch eine 
OO
Reihe reicherfüllter Menschenleben hier in 
OO
der irdischen Sichtbarkeit zu durchleben 
OO
hätte.
.Niemals könnte mir der Beruf als Maler 
OO
Anderes sein, als 
Akzidenz: ‒ als mir auf 
OO
 
Grund erfüllter kunstgeforderter Voraus‐ 
OO
setzungsreihen gewährtes 
Recht zu schö‐ 
OO
pferischer Gestaltung im Bereiche der 
OO
Sichtbarkeit.
.Niemals könnte von diesem „Recht zur 
OO
Gestaltung” her der Umkreis meines irdi‐ 
OO
schens Wirkens erweitert oder verengert 
OO
werden.
.Niemals könnte sich mir aus dem 
Beruf 
OO
her Anlaß zu einer Bekundung ergeben, die 
OO
nicht ausschließlich 
künstlerische Be‐ 
OO
kundung wäre.
.So ist es auch wahrlich nicht der 
Beruf, 
OO
der mich zu diesen hier gegebenen Berichten 
OO
„aus meiner Malerwerkstatt” veranlaßt hat, 
OO
sondern ausschließlich der innere Ruf mei‐ 
OO
ner geistigen 
Berufung!
 
ENDE